Schicksal vom Bündnis Sahra Wagenknecht: Vielleicht werden wir das BSW schon bald vermissen
In Ostdeutschland hat jeder Zehnte das Bündnis Sahra Wagenknecht gewählt. Wen wählen diese Menschen, falls die Partei bald untergehen sollte?
E s ist einfach, sich über das Bündnis Sahra Wagenknecht lustig zu machen. Und die Partei hat es ja auch ein bisschen verdient. Mit Populismus gegen „Latte-Macchiato-Eltern“ (sorry, wer trinkt noch Latte Macchiato, es ist 2025) ist Sahra Wagenknecht durch die Republik gezogen, hat gegen die Ampel gewettert und Verständnis für den russischen Angriffskrieg gezeigt.
Bei der Bundestagswahl fehlten ihr dann 9.500 Stimmen, so dermaßen knapp scheitern Parteien selten an der 5-Prozent-Hürde. Diese Woche hat das BSW nun Beschwerde vor dem Wahlausschuss des Bundestags eingelegt. Unwahrscheinlich, dass der erfolgreich ist.
Es kann gut sein, dass es das nun war für das BSW. Dass es sich beim Thüringer Parteitag am Wochenende weiter zerlegt und die Namensgeberin bald hinwirft, weil sie lieber einen Saarland-Reiseführer schreiben will. Bei den meisten politischen Beobachtern meint man dazu ein Achselzucken zu vernehmen, wenn nicht gar Häme oder Erleichterung: Tja, Pech gehabt.
In Brandenburg, Sachsen und in Thüringen würde es die Partei vorerst weiter geben, bis zu den nächsten Wahlen. In Thüringen könnte sich die Partei in alter linker Tradition abspalten, aber die Initialen behalten: BSW, das stünde dann für „Bündnis Schütz Wolf“, nach den Namen der beiden Minister. War doch gerade erst Ostern, irgendjemand in der Partei wird doch „Das Leben des Brian“ gesehen haben, wo sich die „judäische Volksfront“ und die „Volksfront von Judäa“ bekriegen: Ihr Spalter!
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Wo wandern die BSW-Anhänger hin?
Und doch ist es kurzsichtig, das vermeintliche Ende des BSW zu bejubeln. Das BSW war die schnellste und erfolgreichste Parteigründung seit Langem. Man kann von ihm etwas lernen über politische Kultur und warum sich viele Menschen von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlen. Wem die Demokratie am Herzen liegt, dem darf das Schicksal des BSW nicht egal sein. Nicht aus Sympathie mit dessen politischen Zielen, die sind, vor allem in der Außenpolitik, gruselig. Sondern weil die Frage ist, wen diese Menschen wählen, wenn die Partei nicht mehr existiert.
In Ostdeutschland holte das BSW etwa jede zehnte Stimme. 35 Jahre nach dem Mauerfall gibt es wieder eine ostdeutsche Protestpartei, wie damals die PDS. Schon im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen an in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Ob es dort eine Mehrheit für die Demokratie gibt, hängt auch davon ab, wen die BSW-Wähler wählen werden. Ob die Partei ein Comeback feiert, ob ihre Wähler zuhause bleiben oder gar zur AfD gehen. Damit es nicht so weit kommt, müssten die anderen Parteien diese Wähler zurückgewinnen, was schwer wird, weil sie ja aus Protest gegen sie das BSW gewählt haben.
Das BSW war der Versuch, eine Partei mit einer charismatischen Führungsfigur zu etablieren, wie es sie in vielen Ländern seit Langem gibt. Es zielte auf Wähler, die eine Oppositions- und Protestpartei wollen, deshalb ist Wagenknechts Kritik an der pragmatischen Katja Wolf in Thüringen nicht ganz aus der Luft gegriffen. Die Wähler*innen des BSW sind kulturell konservativ, finden es doof, dass sie gerade gegendert wurden, sind sozialpolitisch eher links. Sie sind diffus gegen Flüchtlinge und irgendwie für Frieden. Dass dieses Milieu groß ist, hat Wagenknecht richtig analysiert.
Schaffen es Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern und Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt, diese Menschen noch einmal zu überzeugen? Oder schafft die Linkspartei es, wieder die ostdeutsche Protestpartei zu werden? Bei den Wahlen im vergangenen Jahr ist sie daran noch gescheitert.
Von diesen beiden Fragen hängt im Osten nicht weniger als die Zukunft der Demokratie ab. Lautet die Antwort Nein, könnte es sein, dass wir das BSW schon bald vermissen werden.
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