Katja Kipping über Rot-Rot-Grün: „Gelernt, wie man es nicht macht“
Die Bundesvorsitzende der Linkspartei macht die SPD und die Grünen für die Regierungskrise in Berlin verantwortlich. Sie hätten nicht genug Rückgrat gezeigt.
taz: Frau Kipping, wie beeinflusst die Berliner Koalitionskrise die Chancen eines Bündnisses zwischen SPD, Linken und Grünen im Bund?
Katja Kipping: Wenn wir das Ganze als einen Lernprozess begreifen, haben wir doch schon einmal etwas gelernt: nämlich, wie man es nicht macht. Wenn man wirklich einen Politikwechsel will und gemeinsam etwas verändern will und sich dabei auch mit Leuten anlegen muss, zum Beispiel mit der Immobilienlobby, weiß man, dass es Gegenwind gibt. Und auf keinen Fall macht man es wie die SPD, die einfach über die Medien den Koalitionspartner von einer Entscheidung informiert.
Die Linkspartei wurde brüskiert. Ist eine Koalition auf Augenhöhe mit der SPD jetzt noch möglich?
In Berlin wird man sich jetzt verabreden. Ich denke, die Linken in Berlin haben sehr klar deutlich gemacht, dass das nicht der richtige Umgang miteinander sein kann.
Sie haben sich bei Andrej Holm nach seinem Rücktritt noch einmal bedankt. Auch für den Rücktritt selbst muss man ihm dankbar sein, oder?
Nein. Mein Dank richtet sich an sein bisheriges und zum Glück auch zukünftiges Engagement für eine soziale Stadt für alle. Ich bedaure sehr, dass es zu diesem Rücktritt kam.
Aber hat Holm der Linken nicht das Dilemma erspart, ihn oder die Koalition zu opfern?
Das Entscheidende an seiner Erklärung ist für mich die klare Aussage, dass er weiterkämpfen will für eine soziale Stadt. Er hat Mieterinitiativen eingeladen, damit man gemeinsam berät, wie man Druck entfalten kann gegen Mietspekulanten. Jetzt erst recht – das ist das starke Statement von Andrej Holm.
Ist die Gefahr, dass Rot-Rot-Grün in Berlin scheitert, mit Holms Rücktritt gebannt?
Ich sehe diese Gefahr so nicht. Es gibt Probleme, und die müssen im Koalitionsausschuss geklärt werden.
Sehen Sie denn auch eine Verantwortung bei der Linken?
Nach wie vor gilt, was ich vor einigen Tagen gesagt habe, nämlich, dass Andrej Holm aufgrund der Tatsache, dass er ein überzeugter Fachmann ist und immer klar war, dass er eine kritische Position zum SED-Unrecht hat, die richtige Besetzung war. Und ich bedaure sehr, dass es eine solche Entwicklung gegeben hat und SPD und Grüne offensichtlich in dieser Frage nicht genügend Rückgrat hatten.
Hätte die Linke sich nicht besser wappnen und Holms Vergangenheit genauer durchleuchten müssen?
Klaus Lederer hat eingeräumt, dass wir das kommunikativ besser hätten vorbereiten können. Die Hauptverantwortung für diesen Ausgang liegt bei der SPD.
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