Kanzlerkandidat der Union: Gegen alle Widerstände

CDU-Chef Armin Laschet hat sich gegen CSU-Chef Markus Söder durchgesetzt: Er wird Kanzlerkandidat, doch ist schwer angeschlagen.

Zeichnung: Laschet gibt Söder die Hand. Söder hält ihm mit zwei Fingern Eselsohren als Zeichen der Verhöhnung hinter den Kopf. In der Sprechblase über Söder steht: "Ohne Groll und mit ganzer Kraft werde ich unseren Vizekanzlerkandidaten unterstützen"

Großes Stehvermögen: Armin Laschet auf der Pressekonferenz Illustration: Tobias schwarz/reuters

Es sind nur wenige Minuten, die sich der sonst so redselige CSU-Chef an diesem Dienstagmittag für sein Pressestatement nimmt, um zu guter Letzt doch noch den Streit über die K-Frage zu beenden. Die offensichtlich gute Laune, mit der Markus Söder noch am Vortag vor die Presse trat, ist nüchterner Sachlichkeit gewichen. „Die Würfel sind gefallen“, sagt Söder. „Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“

Damit ist der Machtkampf, in den Söder die weitaus größere CDU vor einer guten Woche gezwungen hatte, beendet. Der CSU-Chef gratuliert seinem Kontrahenten und versichert: „Wir werden ihn ohne Groll mit voller Kraft unterstützen.“

Doch was Söder in diesen Minuten vor allem durchblicken lässt, ist eine andere Botschaft: Die Entscheidung ist falsch. Mehrfach unterstreicht er den großen Zuspruch, den er in den letzten Tagen erfahren habe, der habe ihn gefreut, bewegt und gerührt. Söder bedankt sich bei den „Jungen, den Modernen, die auf Zukunft aus waren“, den „mutigen Abgeordneten“ der Schwesterpartei, die ihn unterstützt hätten, auch „bei nahezu allen Ministerpräsidenten“. Sprich: Eigentlich hätten doch alle gewusst, dass er der bessere Kandidat gewesen wäre. Wer in der CDU nun auf Ruhe aus Bayern gehofft hat, kann schnell Zweifel bekommen.

Seinen Rückzug begründet Söder denn auch lediglich mit Parteiräson. Man wolle keine Spaltung, nur eine geschlossene Union könne am Ende auch erfolgreich sein. Wieder einmal spricht er von „Anstand und Stil“, den die „neue CSU“ in diesen schwierigen Zeiten zum Grundprinzip erhoben habe – und klingt dabei freilich wie der Metzger, der Veganismus predigt.

Laschets letzte Chance

In der Nacht zuvor, am frühen Dienstagmorgen, hatte der CDU-Bundesvorstand Laschet als Kanzlerkandidaten nominiert. 31 Mitglieder stimmten für den CDU-Chef, 9 für Söder, 6 enthielten sich. Es ist ein klares Ergebnis, wenn auch ein glanzloses. Doch darum geht es für Laschet zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Das eigene politische Überleben steht auf dem Spiel – und die Frage, ob seine Partei sich der CSU und deren Chef unterwirft.

Nach einem weiteren gescheiterten Einigungsversuch zwischen ihm und Söder am späten Sonntagabend war klar: Nur eine schnelle Entscheidung des CDU-Vorstands zu seinen Gunsten kann Laschet noch zum Sieg verhelfen. In der CDU bröckelt zu diesem Zeitpunkt die Unterstützung, alles scheint auf eine Kampfabstimmung in der Bundestagsfraktion hinauszulaufen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier Söder gewinnt. Laschet lädt den Vorstand ein und setzt dort, gegen den Widerstand der Söder-Anhänger:innen, eine Abstimmung durch. Er hat wohl nur noch diese Chance. Und gewinnt.

Am Dienstagmittag, als der CDU-Chef dann in der Parteizentrale vor die Presse tritt, wirkt er aufgeräumt. Er bedankt sich bei Söder und der CSU, die am Vortag eine Entscheidung ermöglicht hätten und für den „fairen Umgang miteinander“, kein böses Wort Richtung München kommt über Laschets Lippen, stattdessen lobt er die offene Diskussion in der eigenen Partei und betont noch einmal, dass der Bundesvorstand die Breite der Partei repräsentiere. Jetzt gehe es darum, ein Team zu bilden, geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen und ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl im September zu verhindern. „Denn das ist eine andere Republik.“ Doch wie geschlossen kann die Union, kann seine eigene Partei nach dieser aufgewühlten Woche sein?

Wie gespalten die CDU ist, wird in der Sitzung am Montagabend klar. Mehr als sechs Stunden tagt die CDU-Spitze, die Diskussion ist engagiert, viele tragen Bedenken gegen eine Kanzlerkandidatur von Laschet vor. Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin, Landeschefin in Rheinland-Pfalz und eigentlich eine Laschet-Unterstützerin, berichtet laut Teil­neh­me­r:in­nen von einer Sitzung der Kreisvorsitzenden am Nachmittag, das Meinungsbild sei eindeutig für Söder gewesen. Reiner Haselhoff meint, im Osten sei man sich einig, dass dort die Stimmung zugunsten Laschets nicht mehr zu drehen sei, wogegen Brandenburg vorsichtigen Widerspruch anmeldet. Aber selbst Schleswigs-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der fest an Laschets Seite steht, räumt ein, dass die Stimmung an der Basis zu Söder tendiere. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein enger Vertrauter der Kanzlerin, setzt sich ganz offen für Söder ein.

Nicht das Bild eines Wahlsiegers

Viele Vorstandsmitglieder sind in einer schwierigen Position: Selbst wenn sie Laschet favorisieren, macht ihnen die Stimmung an der Basis Druck. Aber soll man wirklich den eigenen Parteichef, gerade drei Monate im Amt, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl wieder abservieren?

Am Ende ergreift Volker Bouffier, Ministerpräsident in Hessen und einflussreicher Vizechef der Partei, das Wort. Dass er für Laschet sei, das wisse man, sagt Bouffier laut Teil­neh­me­r:in­nen. Aber er sagt auch: „Das, was wir machen, entspricht nicht der Erwartungshaltung vieler. Die müssen wir alle einsammeln.“

Laschet, den nur oberflächliche Beobachter als netten Onkel belächeln, ist auch ein begnadeter Strippenzieher und knallharter Machtpolitiker

Es ist also eine riesige Aufgabe, vor der Laschet steht. Aus der Jungen Union ist am Dienstag zu hören, dass Laschet nun beweisen müsse, dass er zusammenführen kann und es keine Ver­lie­re­r:in­nen in der Union gebe. „Denn das Bild des gestrigen Abends war kein Bild eines Wahlsiegers und so können wir nicht in den Wahlkampf ziehen.“ Immerhin: In der Bundestagsfraktion, in der zuvor von Söder-Fans schon fleißig Unterschriften zur Durchsetzung einer Kampfabstimmung gesammelt wurden, bleibt es am Dienstagnachmittag ruhig. Laschet spricht, bedankt sich und ruft zur Einigkeit auf. Die Kanzlerin, die sich die ganze Zeit bedeckt gehalten hatte, gratuliert.

Laschet, den die taz schon vor mehr als einem Jahr als „den Beharrlichen“ beschrieb, hat sich also wieder einmal gegen alle Widerstände durchgesetzt. Dass er ein Kämpfer ist, hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident in mehr als 30 Jahren in der Politik immer wieder bewiesen: Landesparteichef und Fraktionsvorsitzender in Düsseldorf wurde er erst im zweiten Anlauf. Als Bundesparteichef trat er erst an, nachdem die Wunschkandidatin Angela Merkels, die glücklose Annegret Kramp-Karrenbauer, krachend gescheitert war – und gewann das Duell gegen den Wirtschaftsflügel-Mann Friedrich Merz nur äußerst knapp in einer Kampfabstimmung.

Der Beharrliche

Doch Laschet, den nur oberflächliche Beobachter als netten Onkel belächeln, ist auch ein begnadeter Strippenzieher – und ein knallharter Machtpolitiker. Wie groß sein Stehvermögen ist, hat der 60-Jährige in den vergangenen acht Tagen noch einmal eindrucksvoll bewiesen. All die Kritik, all die Misstrauensvoten, auch aus den eigenen Reihen, die in den vergangenen Tagen auf den oft jovial wirkenden Rheinländer einprasselten, steckte er weg, lächelte auch das Votum der Jungen Union pro Söder einfach weg – dabei hatte der Chef der Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban, nach massivem Druck seiner Mitglieder gewarnt: „Wir sind die, die Plakate kleben und den Wahlkampf schmeißen.“ Andere hätten da längst resigniert und aufgegeben.

Doch Laschet, der in seiner langen Politkarriere immer wieder Niederlagen in späte Siege verwandelt hat, setzte sich durch. Denn kaum ein Christdemokrat kennt die Partei so gut wie ihr Bundeschef, der vor seiner Zeit als Ministerpräsident Bundestags- und Europaabgeordneter war und in Düsseldorf als Landesminister amtiert hat. Unterstützt wurde er von CDU-Größen wie etwa Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die Ministerpräsidenten Bouffier und Günther, sowie den Niedersachsen-CDU-Chef Bernd Althusmann. Selbst Friedrich Merz stellte sich hinter Laschet.

Möglich gemacht hat das nicht nur die Wut führender Christdemokraten auf Söder, der CDU-Gremien wie Präsidium und Vorstand als „Hinterzimmer“ diskreditiert und der Parteiführung damit ihre Legitimität abgesprochen hat. Auch Laschet selbst, der nach seiner Amtszeit als erster Integrationsminister Deutschlands als linksliberal und grünennah galt, arbeitet schon seit Jahren an einem neuen Image. In NRW regiert er trotz knappster Einstimmenmehrheit relativ geräuschlos mit der FDP, beschwört die „Entfesselung der Wirtschaft“ ebenso wie sein Mantra von „Maß und Mitte“. Folgerichtig haben in seiner Landesregierung alle Parteiströmungen Platz, von der Mittelstandsunion bis zur Arbeitnehmerschaft.

Und Laschets Strategie des Werbens um alle Parteiflügel hatte Erfolg: Der Rheinländer sei kein „Spalter“, sondern jemand, der integriere, erklärte etwa der aus Baden-Württemberg stammende CDU-Bundesvize Thomas Strobl in der entscheidenden Sitzung am Montag – um den Wirtschaftsflügel im Südwesten hatte Laschet zuvor intensiv geworben. Jetzt muss der Aachener beweisen, dass er versöhnen und gewinnen kann. Einfach wird das nicht: Aktuell dümpelt seine Partei bei Umfragewerten von unter 30 Prozent.

Ein Sieg der Vernunft?

Am Ende dieses neuntägigen Machtkampfes bleibt noch eine Frage: Warum hat Markus Söder am Ende doch eingelenkt, obwohl er bei einer Fortsetzung des Machtkampfs Laschet vielleicht doch noch in die Knie hätte zwingen können? Er hätte die Union damit weiter demontiert, am Ende wäre dies auch an ihm hängen geblieben. Und auf einem Pferd in die Hauptstadt einzuziehen, das er zuvor waidgerecht zerlegt hat – das wäre dann doch ein wenig aussichtsreiches Unterfangen gewesen.

Am Ende war es CSU-Generalsekretär Markus Blume, der noch einmal die Pathoskanone auspackte und klarmachte, wer hier gerade das Feld geräumt hat: „der Kandidat der Herzen“. Also ein Sieg der Vernunft? Fragen ließ die CSU bei der Pressekonferenz diesmal nicht zu.

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