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Kanzlerbefragung im BundestagSexkauf ist keine Normalität

Kanzler Scholz zeigt sich im Bundestag offen für ein Sexkaufverbot. Dabei geht es um die Forderung der Union nach dem nordischen Modell.

Leuchtreklame im Stuttgarter Leonhardsviertel Foto: Max Kovalenko/Lichtgut/imago

Berlin taz | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich am Mittwoch im Bundestag den Fragen des Parlaments gestellt. Dabei wurde der Bundeskanzler nicht nur zu aktuellen Themen wie dem Nahostkonflikt, der irregulären Migration, sondern auch zum neuen Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Sexkaufverbot befragt.

„Deutschland ist leider zu einer Hochburg des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung geworden“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie und Kultur, Dorothee Bär. Schätzungsweise 250.000 Frauen in Deutschland seien in der Prostitution tätig. Sie wolle wissen, ob sich der Bundeskanzler wie seine Parteikollegin Leni Breymaier für ein von der Union gefordertes Sexkaufverbot einsetze.

„Prostitution ist schlimm“, sagte der Bundeskanzler. Die Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, hätten ein schweres Leben, das nicht selten mit Missbrauch, Gewalt und kriminellen Strukturen verbunden sei. „Wir müssen viel tun, um Prostitution zurückzudrängen und Sexkauf nicht als Normalität zu akzeptieren, sondern als etwas, das nicht in Ordnung ist“, so Scholz.

Unionsfraktion für Verbot von Bordellen

Bär warf Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vor, eine „Antifeministin“ zu sein, weil sie keine Änderungen am jetzigen Prostituiertenschutzgesetz plane und fragte den Bundeskanzler erneut: „Finden Sie es akzeptabel, wenn Männer Frauenkörper kaufen können?“ Dabei blieb weiterhin offen für Sexverbot, anders als die Familienministerin.

„Ich finde es nicht akzeptabel, wenn Männer Frauen kaufen“, so Scholz. Das habe ihn schon immer moralisch empört und deshalb finde er es richtig, dass in der Gesetzgebung geschaut werde, „wie man es am besten zurückdrängen kann“. Auch Familienministerin Paus sei es ein „Herzensanliegen, gegen den Kauf von Frauen von Männern, die Sex haben wollen, vorzugehen“.

Paus lehnt eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes ab

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte in der vergangenen Woche ein Positionspapier vorgelegt, das ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten nordischen Modell fordert: Freier und Zuhälter sollen bestraft, Bordelle verboten werden. Die Prostituierten hingegen sollen geschützt werden und straffrei bleiben, um ihnen den Ausstieg zu erleichtern.

Bundesfamilienministerin Paus schon hatte in der vergangenen Woche eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes abgelehnt. „Es gibt gegenwärtig keinen Grund dafür, das Gesetz anzufassen“, sagte Paus. Die Bundesregierung intensiviere aber unter anderem die Verfolgung von Menschenhandel um gegen die Missstände zu kämpfen.

Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen hatte sich bereits im vergangenen September gegen ein „nordisches Modell“ ausgesprochen. „Es ist doch immer wieder bemerkenswert, mit welchen Mitteln die Sex­kauf­geg­ne­r*in­nen versuchen, ihre moralischen Vorstellungen umzusetzen – auf Kosten der Rechte von Sexarbeiter*innen, Kun­d*in­nen und Bor­dell­be­trei­be­r*in­nen und letztendlich auf Kosten einer toleranten, freiheitlichen und auf Rechten basierenden Gesellschaft – natürlich ohne mit den Sex­ar­bei­te­r*in­nen zu sprechen und sie mitentscheiden zu lassen“, hieß es in der Stellungnahme.

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7 Kommentare

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  • 8G
    81283 (Profil gelöscht)

    menschen sind frei, menschen dürfen ihre freiheit leben. lasst uns weiter dafür kämpfen.

  • Als grüner Mandatsträger in einem „Problembezirk“ wurde ich irgendwann 2001 wegen der damals von uns Grünen vorangetriebenen Entkriminalisierung der Prostitution von Frauen kontaktiert, die Sexdienstleistungen anboten. Eine ziemlich skurrile Situation. Sie kamen zum Tee bei mir und meiner Frau vorbei, weil sie sich einiges von der Gesetzesvorlage erklären lassen wollten.



    Der Nachmittag war nett, meine Erklärungen und Scones kamen gut an und meine Frau war beeindruckt von diesen Frauen.

    Das geht mir bei der aktuellen Diskussion immer wieder durch den Kopf. Denn wir haben 2002 erreicht, dass diese Frauen zumindest rechtlich nicht mehr kriminalisiert und entrechtet wurden.

    Mir ist sehr bewusst, dass es noch immer Menschenhandel und Zwang in diesem Gewerbe gibt. Ebenso, dass Not und Perspektivlosigkeit viele Frauen (und Männer) zur Prostitution zwingt. Nur bezweifel ich, dass eine erneute Kriminalisierung von Sexdienstleistungen daran auch nur irgendetwas ändert.

    Man kann über Google leicht wissenschaftliche Studien abrufen, die das Nordische Modell als Augenwischerei entlarvt. Prostitution wird nicht „weniger“, nur weil sich weniger Frauen registrieren. Tatsächlich steigt sogar die Gefahr, erneut in Abhängigkeit von Zuhältern zu geraten, je mehr Sexkauf in die Anonymität illegaler Bordelle gedrängt wird.

    Warum also diese Initiative sowohl der Union als auch von feministischen Aktivisten? Geht es tatsächlich um das Wohl der Frauen? Oder ist es ein etwas angestaubtes Moralverständnis, dass durch käuflichen Sex Fremdgehen zu einfach gemacht wird?

    2002 hätte ich jedenfalls nie gedacht, dass die Emma, vermeintlich für Frauen kämpfende Feministinnen und die Frauenunion je an einem Strang ziehen würde.

  • "Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen"

    Wie viele der 250.000 haben darin eine Stimme?

  • Jeden Tag ein neuer Punkt, an dem die SPD sich dem rechtsautoritäten Kurs von CDU/CSU andient. Intellektuell und charakterlich einfach schäbig. Eine solche SPD braucht Deutschland nicht mehr.

    • @Franny Berenfänger:

      Den angestrebten Schutz von Frauen als "rechtsautoritären Kurs" zu betiteln ist schon sehr schräg.

    • @Franny Berenfänger:

      Scholz ist offensichtlich in seiner Rolle als Vizekanzler der Union steckengeblieben.

    • @Franny Berenfänger:

      Genauso wie die Linke keine Befürworter von sexueller Ausbeutung braucht