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Junge Männer lieben ParfumGeht mir aus dem Weg, ihr Stinker!

Parfums liegen vor allem bei jungen Männern voll im Trend. Höchste Zeit, über Geruchsbelästigung zu sprechen.

Hilfe! die Zahl der Stin­ke­r*in­nen wächst Foto: Zoonar/imago

D ie Welt duftet wieder. Mit dem Frühling und den steigenden Temperaturen kommen die Gerüche. An Straßenrändern blüht der Flieder auf, bald werden die Robinien folgen. Vom Park fliegt leichter Grillgeruch herüber. Die Sonne wärmt, die Stadt wirkt gleich viel freundlicher. Man könnte jetzt tief durchatmen.

Wenn einen nicht ständig diese fiesen Wolken anwehen würden. Wie einen Schweif ziehen Passanten ihre Parfümausdünstungen hinter sich her. Mal süßlich-schwer, mal vermeintlich frisch-minzig, mal vanillig. Und leider sind es eben nicht mehr nur ältere Damen, die ihren Geruchssinn offenbar schon lange in einem Flakon ertränkt haben. Auch viele junge Leute tragen dick auf. Vor allem männliche Jugendliche stinken inzwischen häufig wie nichts Gutes.

Sie liegen damit voll im Trend. Parfüms sind die neuen Sneakers, heißt es. Ganze Gruppen pilgern nach der Schule zu Dou­glas, um das Taschengeld in Düfte zu investieren, die sie von In­flu­en­ce­r*in­nen auf TikTok kennen. Teenager in den USA geben immer mehr für Schönheitsprodukte aus, hat eine Umfrage in den USA gerade gezeigt, ganz vorne dabei: Parfüms. Nicht nur Jugendliche, auch die Gen Z zahlt mehr für Gerüche als die Generationen vor ihr. Manch einer verfügt angeblich über eine „Duft­garde­robe“ mit Parfüms für jeden Anlass: das erste Date, den Kinobesuch, den Fe­rien­anfang. Nach dem Motto: Ich sprühe, also bin ich.

Nun ist es an sich erfreulich, dass die Geschlechtergrenzen verschwimmen und auch Jungen Eyeliner oder Make-up nutzen. Oder eben Parfüm. Das heißt aber auch: Die Zahl der potenziellen Stin­ke­r*in­nen wächst rasant. Auf einer belebten Straße muss man schon Slalom laufen, will man der Geruchsbelästigung entgehen. Noch schlimmer ist es in geschlossenen Räumen wie Geschäften oder Fitnessstudios. Oder in schwankenden Verkehrsmitteln; in Bussen oder Bahnen hat man besonders schnell die Nase voll.

Kürzlich ist ein Buch über Emmanuel Macron erschienen. Der französische Präsident hat demnach auch einen Parfümfimmel. Sein Eau Sauvage von Dior wabert offenbar durch den ganzen Élysée-Palast. Man fragt sich: Kann er sein Revier nicht anders markieren als wie ein Hund über Duftnoten?

Die Zahl der Stin­ke­r*in­nen wächst. Auf der Straße muss man schon Slalom laufen, will man der Geruchsbelästigung entgehen

Der Berliner Restaurantbesitzer The Duc Ngo entschied sich im vergangenen Sommer, selbst Abhilfe zu schaffen. Er ärgert sich schon lange über riechende Gäste. Im Juli postete er auf Instagram, dass zu starke Parfüms in seinen Sushi- und Seafood­restau­rants unerwünscht seien. Beliebt macht man sich mit derlei nicht unbedingt. Aber je mehr Menschen stinken, desto wichtiger ist es, dass wir darüber reden.

Mal wieder sind es die Finnen, die zeigen, wie es besser gehen könnte. Sie gelten ja als die glücklichsten Menschen der Welt, und auch hier haben sie die Nase vorn. In Finnland hängen Plakate, die zu olfaktorischer Rücksichtnahme auffordern. Darauf steht: „Riechen Sie zu stark? Duftstoffe verursachen bei vielen Menschen Kopfschmerzen und Übelkeit. Verwenden Sie Duftstoffe maßvoll. Jeder dritte Finne reagiert empfindlich auf Duftstoffe.“

Der Staat soll seine Nase gefälligst nicht in Privatangelegenheiten stecken, werden nun manche einwenden. Ich rieche, wie ich will! Meine Nase gehört mir! Sie vergessen dabei allerdings, dass andere Menschen eben auch Nasen haben.

Ein Kollege wendete ein, es sei doch besser, die jungen Männer röchen nach Parfüm als nach sich selbst. Lieber Chanel als Schweiß? Das lässt außer Acht, dass es ja auch einen wunderbaren Mittelweg gibt: das gute, alte, harmlose Deo.

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Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
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9 Kommentare

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  • Deo ist aber auch schlecht. Das geht dem ein oder anderen auch auf die Nase.



    Dann lieber stinken. Das schien mehrere Millionen Jahre und bei Tieren kein Problem zu sein, nur jetzt in den letzten 100-200 Jahren soll es anders sein?

    Waschen nur so viel, dass der Wasserverbrauch so gering ist, dass andere Völker, die nicht einmal fließend Wasser haben, nicht vor Scham erröten oder vor Neid erblassen. Unsere Privilegien der ersten Welt gehören hinten angestellt, solange es Menschen in der dritten Welt gibt, die unsere Privilegien garnicht haben.

  • Also das härteste, was ich gerochen habe, war tatsächlich kein Parfüm, sondern eine Mischung aus altem Zigarettengeruch, wochenlang ungewaschen und verrottetem Fleisch von offenem Bein. Was dagegen half war Chinaöl in der Nase.

  • ist mir so echt lieber als all die Achselschweissmüffler, Knoblauchrentner, NikotinAlkoholschwadenverbreiter die sonst so unterwegs sind. Jugendtrends sind ja oft Entwicklungen bedingt durch Dinge die Jugentliche bei Erwachsenen nicht so toll finden

  • Ab und zu mal waschen wäre auch eine Option.



    Dann würde Menschen wie mir nicht dauernd wegen Parfüm-Migraine der Stadtbummel verhagelt ...

  • Spricht mir aus der Seele.



    Man kann in den Aufzug meines Hauses nicht einsteigen, wenn die Söhne der Familie aus dem 4. Stock gerade damit gefahren sind.

    Schweres, süßliches Parfum, und der Lift hat keine Lüftung.

  • Finnland ist das glücklichste Land der Welt mit der gleichzeitig höchsten Selbstmordrate der EU. Statistiken sind schon eine feine Sache.

  • Olfaktorische Kommunikation ist ein Gebiet wissenschaftlicher Untersuchungen



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    "Pheromone – Steuerung durch den Duft



    Die Nase beherbergt zwei Organe. Während das Riechorgan der Nasenhöhle die Düfte dieser Welt erkennt, galt das Jacobson-Organ oder Vomeronasale Organ (VNO) lange Zeit als degeneriertes Relikt der Evolution. Seit wenigen Jahren mehren sich die Stimmen, die es für den 6. Sinn des Menschen halten."



    Quelle



    www.deutsche-apoth...z-49-2000/uid-7661

  • Das spricht mir sooo aus der Seele. Ich wechsele schon den S-Bahnwagon, wenn irgendetwas zu stark riecht. Das mit dem Slalomgang in der Fußgängerzone kenne ich auch.



    Hoffentlich findet der Appell Anklang, es wäre eine Wohltat. Wenn dann noch laute Smartphones als das Übel, was sie darstellen, erkannt würden, halleluja. ;)

  • Willkommen zurueck beim generischen Maskulinum.



    Oder welchen Grund gibt es von Stinkern zu schreiben, wenn laut der verlinkten Statistik deutlich mehr weibliche Teens als maennliche Parfuem nutzen?