piwik no script img

Israelische GeiselnKeine Aussicht auf Befreiung

Laut Israel ist die Hamas nicht zu weiteren Verhandlungen bereit. Die Flutung der Hamas-Tunnel könnte für die Geiseln besonders riskant werden.

Angehörige der israelischen Geiseln protestierten am 12. Dezember in Jerusalem Foto: Debbie Hill/UPI Photo/imago

Berlin taz | Israel lehnt Gespräche mit der Hamas über ein weiteres Geiselabkommen zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenbar ab. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu untersagte eine vom Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad geplante Verhandlungsreise in den Golfstaat Katar am Mittwoch.

Das israelische Kriegskabinett gehe davon aus, dass die Hamas derzeit nicht zu Verhandlungen bereit sei, hieß es aus Sicherheitskreisen. Die Hamas hatte nach ihrem Bruch des Waffenstillstands, mit dem auch der Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Gefangene abgebrochen wurde, mehrfach betont, eine weitere Freilassung von Geiseln auszuschließen, solange es nicht zu einem permanenten Waffenstillstand komme.

Das Forum der Familien von Geiseln und Vermissten äußerte sich in einer Erklärung schockiert über die Berichte, dass das israelische Kriegskabinett die Bitte des Geheimdienstchefs, zu Verhandlungen nach Katar zu reisen, abgewiesen habe. Gerade die freigelassenen Geiseln und die Familienangehörigen von Geiseln, die sich noch im Gazastreifen befinden, sind wütend angesichts des Vorgehens der Regierung und fordern, dass diese alles unternimmt, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Israel geht davon aus, dass sich noch 135 Geiseln im Gazastreifen befinden, von denen 115 noch am Leben seien.

Netanjahu betonte laut Presseamt der Regierung vor Soldat*innen, dass Israel den Krieg trotz des schwindenden Rückhalts in der Weltgemeinschaft fortsetzen werde: „bis zum Sieg, bis zur Zerstörung der Hamas, auch angesichts internationalen Drucks“. Außenminister Eli Cohen schloss sich den Worten des Regierungschefs an und erklärte, der Krieg gegen die Hamas werde „mit oder ohne internationale Unterstützung“ fortgesetzt. Zuletzt hatte US-Präsident Biden von einer „willkürlichen“ Bombardierung gesprochen. Am Donnerstag traf der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, in Jerusalem ein.

In den vergangenen Wochen hieß es aus Israel immer wieder, das Militär kontrolliere den Norden des Gazastreifens nahezu vollständig. Doch am Mittwoch gerieten israelische Soldaten im Viertel Schedschaja im Osten von Gaza-Stadt in einen Hinterhalt der Hamas. Neun Soldaten wurden dabei getötet. Die Truppen hatten in dem Viertel, das als Hamas-Hochburg gilt, Durchsuchungen durchgeführt.

Flutung von Hamas-Tunneln soll begonnen haben

Derweil werden die Pläne des israelischen Militärs, das unterirdische Tunnelnetzwerk der Hamas zu fluten, konkreter. Berichten des Wall Street Journals zufolge hat Israel damit begonnen, Meerwasser in die Tunnel zu leiten. Die Idee dahinter ist, das weitverzweigte System, von dem aus die Hamas operiert, zu zerstören, ohne Sol­da­t*in­nen in die labyrinthartigen Gänge schicken zu müssen. Das israelische Militär äußerte sich nicht zu dem Bericht. Weiteren Medienberichten zufolge handelt es sich bislang nur um Testläufe.

Die Methode ist nicht neu. 2015 hat Ägypten einen Teil der Tunnel im südlichen Teil des Gazastreifens geflutet, um Schmuggel zu unterbinden. Eine Flutung der Gänge mit Meerwasser könnte verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und das Grundwasser haben und damit auch auf die Trinkwasserversorgung der Menschen in Gaza.

Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung betrachtet die Pläne vor allem deswegen mit Sorge, weil die Geiseln, die sich noch im Gazastreifen befinden, in den Tunneln im Süden des Gazastreifens vermutet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Israel ist nur dann sicher, wenn die Hamas komplett zerstört ist und im Gazastreifen keine Hamasinfrastruktur mehr existiert.

    Jedes weitere Massaker durch die Islamofaschisten muss verhindert werden. Was diese Terroristen anderen Menschen angetan haben und antun, gezielt auch noch Frauen und Kindern, ist durch nichts zu rechtfertigen und darf nicht unbestraft bleiben.

    Die Palästinenser haben es in der Hand. Sie können die Hamas intern bekämpfen und zerschlagen. Sich mit ihr zu arrangieren heißt ihre Gräueltaten zu unterstützen.

  • as Hauptproblem ist derzeit Bibi Netanyahu: Sobald die Geiseln befreit sind und ein Grund für die brutale Bomberei entfällt, geht es dem Premier an den Kragen, schließlich konnte sich er nur durch seinen Verbleib einem Gerichtsverfahren wegen Korruption entziehen. Und viele Israeli möchten gleichzeitig in einem Untersuchungsausschuss geklärt wissen, warum die Hinweise westlicher Geheimdienste in Bezug auf einen bevorstehenden Terroranschlag der Hamas verheimlicht und die Schutzmassnahmen dagegen vernachlässigt wurden.

  • "Eine Flutung der Gänge mit Meerwasser könnte verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und das Grundwasser haben und damit auch auf die Trinkwasserversorgung der Menschen in Gaza."



    Brunnenvergiftung.

    • @sollndas:

      Das hast du jetzt nicht wirklich geschrieben…. Eine der klassischen antisemitischen Tropen.

  • Würde Israel sich auf internationale Unterstützung verlassen, wäre Israel verlassen und verloren. Man muss sich vor Augen halten, welche Verbrecherstaaten Einfluss auf internationale Beschlüsse und Positionierungen haben. Ein türkischer Religionsminister z.B. der Israel als "rostigen Dolch im Herzen der muslimischen Geografie" und das Judentum als "schmutzigen und perversen Glauben" bezeichnet, müsste normalerweise von der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Leider ist er nur die Spitze des antisemitischen Eisbergs, der sich hinter dem Namen UN verbirgt. Insofern ist es mit der internationalen Gemeinschaft nicht weit her und jegliche Argumentation mit UN Beschlüssen in Bezug auf Israel delegitimiert sich aus sich sich selbst heraus.

  • Die Hamas sollte alle Geiseln frei lassen und Israel aus dem Gazastreifen abziehen, beide stellen Kampfhandlungen ein. Es gibt nichts mehr zu gewinnen.

    • @Ertugrul Gazi:

      "Die Hamas sollte alle Geiseln frei lassen und Israel aus dem Gazastreifen abziehen, beide stellen Kampfhandlungen ein."



      Da waren wir bereits. Hat nicht so toll funktioniert.

  • Naja, man muss die Position der Hamas sehen: Sobald sie die Geiseln freigelassen haben, wird Israel sämtliche Tunnel fluten und alles darin und wahrscheinlich auch darüber vernichten.

    Die Tunnel fluten und dabei über 100 Israelis töten? Das kann Selbst Netanjahu sich nicht leisten.

  • Mein Gott. Da geht’s allen an den Hebeln der Mächte nur noch ums Prinzip.

    • @sachmah:

      Nein, das tut es eben nicht. Es geht darum das hier: oct7map.com/women künftig zu verhindern, wie die Hamas das bereits kurz nach dem Massaker angekündigt hat.