Israel und der IStGH: Haftbefehl wäre ein Dilemma
Ein Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu wäre auch für Deutschland bindend. Die Bundesregierung hält den Ball flach.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte am Mittwoch in der Bundespressekonferenz auf die Frage, ob die Regierung im Falle eines Haftbefehls Benjamin Netanjahu verhaftet lassen würde, das Szenario sei „hypothetisch“. Im Übrigen unterstütze die Regierung den Internationalen Strafgerichtshof. Grundsätzlich halte man sich „an Recht und Gesetz“. Daraus kann man, hypothetisch hin oder her, die Aussage herauslesen, dass Deutschland sein internationales Renommee nicht durch eine Ausnahme und eine „Lex Netanjanhu“ gefährden würde.
Hebestreit betonte, dass die Bundesregierung mit ihrer Kritik der letzten Tage nicht auf den Antrag auf Haftbefehle abziele, sondern auf den Stil der Inszenierung. Der britische Ankläger Karim Asad Ahmad Khan hatte gleichzeitig Haftbefehle gegen die israelischen Politiker und Hamas-Funktionäre beantragt. Die zeitliche Gleichsetzung sei kein Versehen, so Hebestreit. Sie erzeuge trotz der sehr unterschiedlich begründeten Anträge den Eindruck, dass die beiden Israelis und die Hamas-Mitglieder auf einer Stufe stünden.
Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte die Dramaturgie des Internationalen Strafgerichtshofs. „Es ist nicht nur bedauerlich, sondern unangemessen, die Anträge auf Haftbefehle gegen Mitglieder der Hamas und der israelischen Regierung im gleichen Atemzug zu begründen“, sagte Mützenich dem Stern. Allerdings könne Deutschland die Ergebnisse der unabhängigen juristischen Prüfung nicht ignorieren.
Ähnlich äußerte sich Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Im Deutschlandfunk sagte sie: Wenn das Gericht über den Antrag entschieden habe, „gilt es, dieses internationale Recht umzusetzen“.
Botschafter argumentiert mit Staatsräson
Israels Botschafter Ron Prosor forderte die Bundesregierung indes auf, sich vom Internationalen Strafgerichtshof zu distanzieren. Es sei jetzt keine Zeit für „wachsweiche Statements“ der Bundesregierung. „Jetzt steht die Staatsräson auf dem Prüfstand – ohne Wenn und Aber“, so der Botschafter.
Kanzlerin Merkel hatte das Existenzrecht Israels 2008 als Teil der deutschen Staatsräson bezeichnet. Offenbar deutet Prosor diese Meinungsäußerung als eine Art übergesetzliches Diktum. Dass ein Botschafter die Regierung des Gastlandes auffordert, internationales Recht zu missachten, ist ungewöhnlich. Israel und die USA haben das Statut des Gerichts nicht unterzeichnet.
Der Gerichtshof hat keine eigenen Polizeikräfte und ist bei der Vollstreckung von Haftbefehlen auf die Kooperation seiner 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Diese haben sich völkerrechtlich zur Mithilfe verpflichtet. Verstöße gab es aber schon in der Vergangenheit. So blieb der ehemalige sudanesische Staatschef Omar al-Baschir bei einem Besuch in Südafrika 2015 unbehelligt. Von den Richtern in Den Haag wurde das Land dafür später einstimmig gerügt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom