Irrtümliche Inhaftierung in Sachsen: Fälschlich in U-Haft? Selbst schuld!

Ein Linker wurde 2020 zu Unrecht für einen Brandanschlag inhaftiert. Eine Entschädigung wird ihm verweigert – wegen vermeintlicher Postings.

Feuerwehrmänner im Einsatz

Feuerwehreinsatz nach dem Brandanschlag auf den Hentschke-Bau in Bautzen im November 2019 Foto: imago

BERLIN taz | Jonas K. ist immer noch fassungslos. „Ich kann das gar nicht wirklich glauben.“ Zwei Monate saß der 25-jährige Linke vor zweieinhalb Jahren in Sachsen wegen eines Brandanschlags in U-Haft – zu Unrecht, wie ihm später das Landgericht Dresden bescheinigte. Doch eine Entschädigung verweigert ihm der Freistaat: Weil er angeblich mit linksextremen Onlinepostings selbst an seiner damaligen Verhaftung Schuld sei.

Aber der Reihe nach. Im November 2019 hatten Unbekannte im sächsischen Rodewisch und Bautzen auf dem Gelände zweier Baufirmen mehrere Baufahrzeuge mit Brandsätzen vollständig zerstört. Der Schaden betrug 400.000 Euro. In einem Bekennerschreiben wurden die Taten als Vergeltung dafür bezeichnet, dass sich die Firmen am Bau der JVA Zwickau beteiligten.

Im September 2020 ermittelte das sächsische LKA dann zwei Tatverdächtige aus Dresden: Jonas K. und seinen damaligen Mitbewohner. Auf K. waren die Ermittler über ein Facebookposting gekommen, in dem er sich kritisch über eine der Baufirmen, Hentschke Bau, äußerte – wegen einer Großspende des Inhabers an die AfD. Zudem hatte ein Polizeihund, der Geruchsspuren von einem nicht gezündeten Brandsatz am Tatort aufgenommen hatte, bei der WG von K. angeschlagen.

Antrag auf Entschädigung

Im November 2020 wurden jedoch die Haftbefehle gegen die jungen Männer vom Landgericht Dresden wieder aufgehoben: Außer der Geruchsspur gebe es keine weiteren Indizien für die Tat, erklärten die Richter. Auch das Facebookposting begründe keinen dringenden Tatverdacht. Zwei Jahre später wurde das Verfahren dann eingestellt. „Das war eine miese Zeit, das macht dich psychisch kaputt“, erinnert sich Jonas K. heute. „Vor allem im Knast, wenn du dich immer fragst: Wieso ich? Was machst du hier?“

Zuletzt nun stellte der Dresdner einen Antrag auf Entschädigung für die unrechtmäßige U-Haft. Dem aber widersprach die Generalstaatsanwaltschaft Dresden nach taz-Informationen. Und auch das Amtsgericht Dresden lehnte den Antrag in einem aktuellen Beschluss ab. Der Antrag sei „unbegründet“, heißt es darin.

Denn: Jonas K. habe den Verdacht durch linksextreme Onlinepostings „grob fahrlässig“ selbst auf sich gezogen. Der Beschluss zitiert dafür Beiträge eines Twitteraccounts, in dem dieser über „die verdammten Bullen“ oder „Nazischweine“ herzog und erklärte: „Feuer und Flamme für Sachsen“. Angeführt wird auch ein Facebookaccount, der die Kürzel „fck nzs“ oder „fck afd“ gepostet habe.

Angeklagter bestreitet, dass ihm der Account gehört

Nur: Jonas K. bestreitet vehement, dass der Twitter-Account ihm gehörte. Einzig das Facebookprofil habe er betrieben. „Der Twitteraccount wurde mir in Ermittlungsakten einfach so zugeordnet, ohne das weiter zu belegen“, so K. zur taz. Er habe den Account aber „definitiv“ nicht betrieben. Sein Beleg: Noch zu seiner Haftzeit seien dort Beiträge gepostet worden. Und tatsächlich vermerkte auch das Landgericht Dresden, als es 2020 den Haftbefehl von K. aufhob, dass die Auswertung von K.s Handys „keine Verdachtsmomente“ ergeben habe.

Das Amtsgericht Dresden lässt das aber in seinem Beschluss außen vor. Für Jonas K. bleibt nur eine Schlussfolgerung: „Polizei und Justiz wollen bis heute nicht einräumen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Da frage ich mich: Wo ist hier unser Rechtssystem und die Menschlichkeit?“ Der 25-Jährige kündigt an, nun in weiteren Instanzen um die Entschädigung kämpfen zu wollen.

Die Ermittlungen zu dem Brandanschlag auf die Baufirmen blieben nach den Freilassungen von Jonas K. und seinem Mitbewohner derweil erfolglos: Bis heute konnte die Polizei keine weiteren Beschuldigten ermitteln, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden der taz mit.

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