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Interview mit Journalistin Ferda Ataman„Wir messen mit zweierlei Maß“

Integration befördert Rassismus, sagt Ferda Ataman. Sie fordert Dankbarkeit gegenüber Migrant_innen – und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Deutschsein.

„Viele glauben, die Herkunft eines Menschen hätte Aussagekraft über die Person“, sagt Ataman Foto: André Wunstorf
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Frau Ataman, neulich hat Dieter Bohlen uns mitgeteilt, wie ein Mädchen aus Herne seiner Meinung nach aussehen kann und wen man nach der „eigentlichen“ Herkunft fragen muss. Eine Steilvorlage für Ihr Buch, oder?

Ferda Ataman: Ja. Insofern danke, Dieter! Ich bin immer noch überrascht, wenn ich höre, dass man halt fragt, wenn jemand asiatisch aussieht. Es ist Zeit, dass wir „asiatisches Aussehen“ in den Katalog der Deutschen aufnehmen. Mein Buch heißt zwar „Hört auf zu fragen. Ich bin von hier“, aber eigentlich geht es mir nicht darum, wer was fragt – sondern darum, wie wir das Deutschsein verstehen.

Bei der Frage nach dem Woher sagen die einen wütend: Geht gar nicht. Die anderen werden sauer und sagen, das sei bloß freundliche Neugierde. Warum ist da so viel Emotion?

Vermutlich, weil die sogenannte Rassismuskeule über der Frage schwebt und viele sich angegriffen fühlen. Der Punkt ist: Man verlässt die eigene Komfortzone.

Wer verlässt seine Komfortzone?

Die meisten Menschen denken von sich, dass sie nichts Böses tun. Und Rassismus gilt als böse. Eine vermeintlich harmlose Frage damit in Verbindung zu bringen ist unangenehm. Aber niemand hat gesagt, dass man nichts mehr fragen darf. Dass man ein bisschen sensibler sein sollte, ist aber nicht zu viel verlangt.

Im Interview: Ferda Ataman

Ferda Ataman, 39 Jahre alt, ist Publizistin und Kolumnistin. Sie ist Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher und Sprecherin des Netzwerks Neue Deutsche Organisationen. Ihr Buch „Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!“ ist am 15. März bei S. Fischer erschienen. 208 Seiten für 13 Euro.

Und wie kann diese Sensibilität aussehen?

Man sollte sich bewusst machen, warum man diese Frage manchen Menschen nie stellt und anderen immer. Meine Schwiegermutter heißt Brigitte und wird nie gefragt. Dabei hat sie, die Wurzeldeutsche in der Familie, eine schlesische Migrationsgeschichte und sogar Fluchterfahrung. Ich werde ständig gefragt, obwohl ich keine eigene Migrationserfahrung habe.

Und das nervt?

Mich schon. Weil es dann vor allem um Klischees geht wie türkisches Essen oder Urlaub in Antalya oder um sehr persönliche oder politische Fragen: Was hältst du von Erdoğan, was vom Kopftuch, fühlst du dich hin und her gerissen? So etwas eignet sich nicht für Smalltalk.

Warum wollen wir darüber unbedingt sprechen?

Viele glauben, die Herkunft eines Menschen hätte Aussagekraft über die Person. Es gibt eine regelrechte Wurzelbesessenheit: Nenn mir deine Wurzeln, und ich sag dir, wer du bist. Manche reden ja auch noch von Völkerverständigung, wenn sie die offene Gesellschaft meinen, und von Ethnienvielfalt.

Was ist daran problematisch?

Ich finde das total rückständig: Wir glauben ernsthaft noch, dass Menschen bestimmten Stämmen angehören. Ohne es auszusprechen, sagen wir damit auch, dass es den Stamm der Deutschen gibt. Und manche finden: Weil der länger hier ist, hat er auch bestimmte Vorrechte. Genau da fängt der Rassismus an.

Es ist schräg, dass wir zur deutschen Leitkultur nur Weißwürste und Bier zählen und nicht so was wie Döner

Weil diese Annahme viele Menschen grundsätzlich ausschließt?

Wir sind heute ein Einwanderungsland, aber wir haben es noch nicht verstanden. Stattdessen haben wir ein Bild von der deutschen Aufnahmegesellschaft, das sich seit den 50er Jahren nicht verändert hat. Dabei sind die Migrantinnen und Migranten längst Teil dieser Aufnahmegesellschaft. Es ist schräg, dass wir zur deutschen Leitkultur nur Weißwürste und Bier zählen und nicht so was wie Döner. Nirgendwo wird so viel davon gegessen wie in Deutschland.

In den letzten Jahren sind zahlreiche Bücher erschienen, in denen die Autor_innen sich mit Zugehörigkeit und Ausgrenzung beschäftigen. Warum gerade jetzt?

Weil wir uns in einem handfesten medialen und politischen Rechtsruck befinden. Für Leute, die das betrifft, ist das existenziell. Fünf Jahre, und eine rechtspopulistische Partei, die es vorher gar nicht gab, sitzt im Bundestag und in allen Landesparlamenten. Sie muss nicht mal anwesend sein, um den Diskurs zu bestimmen, sie wird überall mitgedacht. Wenn das in dem Tempo weitergeht …Uns geht der Arsch auf Grundeis.

Sie schreiben, dass es nicht erst seit den Erfolgen der AfD in der zweiten und dritten Generation der Mi­gran­t_in­nen „brodelt“. Warum?

Es brodelt, weil wir Ansprüche stellen. Und wir stellen sie, weil wir zu langsam Fortschritte machen. In den neunziger Jahren ist meine Mutter schon zu irgendwelchen Lichterketten gegangen, und heute muss ich mich mit den gleichen Debatten befassen. Ich verstehe nicht, warum es uns so schwer fällt, Migration nicht als Problem zu betrachten und sachlich über Integration zu reden.

Was stört Sie an der Diskussion?

Die Integrationsdebatte in Deutschland ist völlig verlogen. Es interessiert uns nur, wo die Integration gescheitert ist. Wir haben auch nie geklärt, ab wann sie gelungen und abgehakt ist – weil sie es offenbar nie ist. Migranten und Mi­gran­ti­sier­te stehen in der ewigen Bringschuld, ebenso ihre Kinder und Enkel. Politiker missbrauchen die Forderung nach Integration, um zu zeigen, wie konservativ und hartgesotten sie sind. Auch, wenn das an der Realität vorbeigeht. Denn eigentlich könnten wir total zufrieden sein.

Weil es eigentlich ganz gut läuft?

Wir haben früher null Komma null Integrationsangebote gemacht, stattdessen gab es Rückkehrförderung. Und trotzdem sind Generationen von ­Leuten in der Gesellschaft angekommen, gehen zur Schule, schaffen Bildungsabschlüsse. Unser Land prosperiert. Unser ganzes System baut darauf auf, dass wir günstige Arbeitskräfte aus dem Ausland haben, zum Beispiel in der Pflege.

Im Grunde genommen müsste man also nur aus der anderen Richtung auf Integration blicken – und dann wäre alles besser?

So einfach ist es nicht, denn gut laufende Integration baut Rassismus leider nicht ab, sondern befördert ihn sogar: Viele fühlen sich erst „überfremdet“, seit Fatma und Ali nicht mehr als Putzfrau und Müllmann arbeiten, sondern Lehrer werden oder in die Chefetagen schielen.

Warum das?

Es ist genau wie in der Gleichstellungsdebatte: Wie viele Chefposten haben wir, und wer bekommt die? Wir führen eine Verteilungsdebatte. Die Kinder von Migranten, die eigentlich Niedriglohnjobs machen sollten, konkurrieren jetzt mit den Wurzeldeutschen auch um die guten Jobs. Und sie reden mit in öffentlichen Debatten. Wenn ein Buch mit dem Titel „Eure Heimat ist unser Albtraum“ erscheint, dann ist das ein Teil der deutschen Heimatdebatte und kein Einwurf von außen.

Wir haben also ein Problem mit der Selbstwahrnehmung.

Ja, und wie. Viele Menschen in Deutschland haben das Gefühl, dass wir eine migrationsfreundliche Gesellschaft sind und viel zu viele Leute reinlassen. Das ist eine verzerrte Wahrnehmung. Wir haben – abgesehen von Geflüchteten – noch nie Menschen reingelassen, um ihnen was Gutes zu tun. Wir haben sie immer nur einwandern lassen, weil wir fanden, das tut uns gut, das tut Deutschland gut.

So wie damals, als die deutsche Wirtschaft die sogenannten Gastarbeiter_innen brauchte. Und so wie heute, wenn wir von über 260.000 ausländischen Fachkräften sprechen, die Deutschland jährlich benötigt?

Ja. Und obwohl wir es sind, die sie hier brauchen, erwarten wir gleich­zeitig, dass sie Dankbarkeit zeigen – von der nächsten und übernächsten ­Generation absurderweise auch. Deswegen dürfen Migranten und ihre Nachkommen auch keine Fehler machen.

Inwiefern?

Wir messen mit zweierlei Maß. Wenn Wurzeldeutsche die AfD wählen, sind sie besorgte Bürger*innen – wenn Mesut Özil Erdoğan huldigt, ist er schlecht integriert und illoyal. Viele Leute waren da aber auch wahnsinnig gekränkt: Wir haben ihm doch die Möglichkeit gegeben, ein Fußball-Weltstar zu werden. Warum ist der denn nicht dankbar?

Schuldet Deutschland seinen Mi­grant_innen Dankbarkeit?

Ganz klar: Ja. Meine Eltern und die vieler anderer haben sich kaputtgeschuftet für kleines Geld. Unser Sozialstaat wäre ohne Migration nicht denkbar. Ich fände es gut, wenn es das politische Signal gäbe: Migration gehört zu uns, und wir sind dankbar für das, was Migranten leisten. Ich will ein einziges Mal hören, dass meine Eltern nicht nur ein Problem sind. Sondern dass sie dieses Land mit aufgebaut haben.

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20 Kommentare

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  • „Wir messen mit zweierlei Maß. Wenn Wurzeldeutsche die AfD wählen, sind sie besorgte Bürger*innen – wenn Mesut Özil Erdoğan huldigt, ist er schlecht integriert und illoyal.“

    Und es gibt viele, die beides sehr schlecht finden und ablehnen, weil beides Rückständigkeit darstellt. Dieser Aspekt kann natürlich nur mit Grautönen abgebildet werden und nicht in schwarz-weiß.

  • Überall diese Megaempfindlichkeit. Wenn ich im Ausland bin, werde ich auch andauernd gefragt: "Hello Sir, where do you came from ?" Und höflich wie ich bin, antworte ich. Oder sollte ich etwa losjammern, oder was ? "Oh weia, der hat mich gefragt, wo ich herkomme. Ich fühle mich ja sooo diskriminiert." Sorry, das wird langsam aber sicher ballaballa.

    • @Thomas Schöffel:

      Ich habe das Gefühl, Sie haben in diesem Punkt das Anliegen Frau Atamans nicht verstanden.

      Stellen Sie sich vor, Sie wären in den USA geboren als Sohn deutscher Einwanderer. Wenn Sie nun ständig gefragt würden, wo Sie herkämen, um dann erklären zu müssen, Sie seien gebürtiger Amerikaner, kann das schon mal nerven. Richtig kritisch wird es aber dann, wenn Ihnen bestimmte Merkmale aufgrund Ihres deutschen Namens zugeschrieben werden, zum Beispiel ein Nazi zu sein. Fühlten Sie sich dann nicht diskriminiert?

      • @Mio TM:

        Nein, fühle ich mich nicht.

      • @Mio TM:

        Blöd nur, das gerade da die Wurzel Geschichte extrem gelebt wird. Da erzählt einem jeder begeistert er wäre ja Deutsch, weil der Uropa aus Deutschland kam. Trotzdem ist er natürlich Amerikaner.

        • @Glimmlampe:

          Wenn ich nach Japan ziehe, bin ich dann automatisch Japaner ? Sollte ich die japanische Staatsangehörigkeit bekommen, habe ich die Staatsangehörigkeit, aber macht sie mich zum Japaner ? Würden die "Eingeborenen" nicht wahrscheinlich viel eher sagen, daß ich Deutscher sei mit japanischer Staatsangehörigkeit ?

  • Es ist eine Frage gegenseitigen Verstädnisses, bei der formalistische Vorschriften ("Fragen verboten!") nicht weiterhelfen.

    Wenn man sich gewachsene Einwandererkulturen wie in Nordamerika anschaut sind Menschen, die sich als "von hier" fühlen, aber trotzdem ihre migrantische Herkunft auch nach Generationen noch als Bestandteil ihrer Identität betrachten, eher die Regel als die Ausnahme. Von daher finde ich per se nichts Abwertendes an dem Interesse daran, un dmit dieser Grundeinstellung wären auch Migranten hierzulande vielleicht ganz gut bedient, wenn sie die Frage gestellt bekommen.

    Umgekehrt muss man natürlich sehen, dass im Beispiel Nordamerika die Einwanderer die indigene Bevölkerung überrannt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt haben. Also kommt dort die Frage im Zweifel auch immer von jemandem, der selbst Migrationshintergrund hat, während hierzulande eben die indigene Bevölkerung noch in der Mehrheit ist. Von einem solchen "Biodeutschen" gestellt, wird die Frage assymmetrisch und erhält eine inhärente Spannung, wie man die unterschiedlichen Hintergründe einordnet - teilend oder gegenseitig befruchtend. Wer sie stellt, sollte sich dessen bewusst sein und dem Befragten möglichst das Gefühl geben, dass er nur aus Interesse fragt und nicht (ab)wertend.

  • Vielen dank für den sachlichen Text, bei dem Fazit stimme ich Ihnen zu. Jedoch lobt man autothone Deutsche auch nicht (mehr).

    "Und manche finden: Weil der länger hier ist, hat er auch bestimmte Vorrechte. Genau da fängt der Rassismus an."



    Es wäre schöner, wenn Sie genauer formulieren, was einen Staatsbürger und dessen Funktion darstellt.



    Die Staatsbürgerschaft hat nicht umsonst die Vorraussetzungen 1.deutsche Sprache, 2.Selbstversorgung(und damit begrenzer Leistungswille), 3.grundlegende Kenntnisse zur deutschen Geschichte und Verfassung

    "null Komma null Integrationsangebote gemacht"



    Könnten Sie historisch darlegen, in welcher Form Angebote helfen? Bei Hilfsangeboten weiß man, dass diese Abhängigkeitsverhältnisse schaffen bei fehlender zeitl. Begrenzung. Eine mathematische Darstellung der Istlage und der Solllage fehlt und damit der Realität (von beiden politischen Lagern).



    Man hat sich meiner Meinung nach aus Angst vor rechten Mehrheiten stets geweigert darüber zu streiten.

    "Ich verstehe nicht, warum es uns so schwer fällt, Migration nicht als Problem zu betrachten und sachlich über Integration zu reden."



    Wer jegliche Werte oder Zielvorstellungen von Deutschland als "nichtsingulär oder unwichtig" ablehnt, wie von Seiten der Grünen, der kann auch nicht sachlich über Migration diskutieren.

    Zu guter Letzt würde ich mir wünschen, dass Sie die Dinge in Statistiken belegen, um Andersgesinnten die Korrektheit der Aussagen nachweisen. Ansonsten dreht man sich im Kreis mit gefühlten Wahrheiten (der eigenen Ideologie).

    "noch nie Menschen reingelassen, um ihnen was Gutes zu tun"



    Das ist historisch nicht ganz korrekt. Zur Wirtschaftsförderung der Türkei und der Anrainer wurden Gastarbeiter ursprünglich nach Deutschland gelassen (Weiterbildung & Rücküberweisungen). Diese sind oft einfach hier geblieben.



    [Bei den türkischen Personen war dies teils unter Zwang der USA]

    "Und obwohl wir es sind, die sie hier brauchen"



    Besser sind neutralere Quellen statt Wirtschaftsverbände.

  • "Unser ganzes System baut darauf auf, dass wir günstige Arbeitskräfte aus dem Ausland haben ..."



    Und die " günstige(n) Arbeitskräfte aus dem Ausland" sind von denen geholt worden, die Billiglöhner haben wollten. Das ist quasi eine erkaufte Integration, besser gesagt eine billig verkaufte Integrationsleistung der Migranten. Es ist wahrscheinlich eine totale Fehleinschätzung von Frau Ataman, zu glauben, dass Migranten, die qualifizierte Jobs haben, von Biodeutschen als Konkurrenten betrachtet werden. Es wird in erster Linie das Prekariat sein, das ohnehin ständig an der Grenze zum sozialen Blackout lebt, das in den Billiglöhnern bei den Migranten Mitbewerber um Wohnungen, Arbeitsplätze und soziale Transfers sieht. Fremdenfeindlichkeit hat in erster Linie soziale Ursachen.



    Das relativ wohlhabende Bürgertum will und kann das natürlich nicht problematisieren. Hieße das doch, sich mit sozialen Verwerfungen auseinander zu setzen. Stattdessen schiebt man den Betroffenen jegliche Schuld in die Schuhe. Der Neoliberalismus braucht die verzerrte Darstellung der Realität, die Afd ist quasi ursachenlos auf der Erfolgsspur. Rechtsnationalismus als Deus ex machina. Rechtspopulismus durch Rechtspopulismus lautet die Tautologie.



    Immer mehr Menschen weigern sich, die einfältigen Schuldzuweisungen zu akzeptieren. Solange Kritiker der Integrationsfähigkeit biodeutscher Bürger behaupten, dass schon die Auseinandersetzung mit der oder dem Fremdartigen Rassismus wäre, ist kein vernünftiger Diskurs möglich, zumal Migranten offensichtlich verstärkt der Meinung sind, dass Integration eine Bringschuld DER Biodeutschen ist. Sie ist in erster Linie eine Bringschuld derjenigen, die vom Billiglohn der Migranten profitieren und die sich außerhalb von Sonntagsreden schnell in ihre biodeutschen Milieus zurückziehen.

    • @Rolf B.:

      Leider gibt es auch unter Wohlhabenden und Akademiker*innen einen nicht ganz unerheblichen Anteil "neuer Rechter" und die argumenmtieren aus "ethnopluralistischer" (Ethnien existrieren idealerweise auf ihren "angestammten" Territorien unvermischt nebeneinander) Perspektive heraus, dass "fremdstämmige" Akademiker*innen nicht nach Deutschland gehören. Ihre These wird dadurch ergänzt, nicht aufgehoben.

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Können wir uns einigen, dass "ich" niemand Dankbar sein muss?

    Die "Anderen" haben nichts gegen meine schreckliche Kindheit getan ... ich kriege nur Geld für meine Arbeit und nichts "geschenkt".

    Meine Erzeuger ... würg*

    Ich muss und war so auch weder dem Neonazi in meiner Hauptschulklasse (1978-1982) oder der Gruppe von "türkischen" Jungen, die niemals 1=1 gekämpft haben, sondern z. B. dem Legastheniker in unserer Klasse mal gerne mit sechs "Mann" zusammenschlugen. Weil er riesig und stark war, aber nie irgendeiner Fliege etwas zu leide tun konnte/getan hat ...

    Ich habe eins gelernt:

    Arschlöcher gibt es immer und überall!

    Katholiken schlachten Evangelische ab. Buddhisten Muslime. Schiiten Sunniten. Sunniten Schiiten. Reiche Arme. Arme andere Arme. Eltern Kinder. Kinder Eltern. Frauen Männer. Männer Frauen. Afroamerikanier*innen sind homophob. Schwule und Lesben sind Nazis etc. pp.

    Deswegen:

    Gegenseitig kennenlernen, helfen wenn nötig und gemeinsam gegen die ankämpfen, die einen Genozid verleugnen (egal ob die Shoa oder der Völkermord an den Armeniern), die (religiösen) Hass verbreiten oder oder oder.

    Es geht um Menschenfeindlichkeit!

    Und jetzt noch den allerletzten Poesiealbumspruch:

    Auch wenn Dir neun Verbrecher*innen begegnet sind, kannst Du nich der/dem Zehnten, der den Neun vielleicht ähnlich ist, auf die Fresse hauen.

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Wahr gesprochen, danke.

  • Eigentlich wollte ich jetzt ganz viel schreiben, verkneife es mir aber, weil ich das Gefühl habe, dass es wurscht wäre, was ich so denke: Es ist immer falsch. Nur so viel:



    Ich betrachte Migration als Menschenrecht, das jede Menge Deutsche umgekehrt ja auch selbstverständlich in Anspruch nehmen. Und wenn ich einfach neugierig bin auf Biographien, gerade auch, um zu verstehen, was Menschen dazu bewegt, mitunter echte Strapazen auf sich zu nehmen: Was ist daran per se ausgrenzend und rassistisch?



    So viele Migranten sind es nachvollziehbar leid, misstrauisch beäugt zu werden. Ich bin es in umgekehrter Richtung auch.

  • Es fehlt letztlich an Wertschätzung gegenüber den Geflüchteten, Vertriebenen und Migranten, die in unserem Land Schutz suchen und komplett neu anfangen müssen.



    Denn niemand verlässt freiwillig sein Heimatland. Auch der "Deutsche" nicht, und hat doch schon beim Zuschauen der Geschehnisse Angst um sein eigenes Dasein.

    Diese Lebensaufgabe die sich diese Menschen wegen Ihres Überlebenswillen stellen müssen, ist eine große Herausforderung für alle, die eine gegenseitige Wertschätzung verdient.



    Diese Wertschätzung fehlt in unserem Lande schon seit der Zeit der Flüchtlinge und Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges. Die in unser, und Ihr eigenes (!) Land kamen und auch damals nicht willkommen waren. Die Wirtschaftsleistung der Flüchtlinge und Vertriebenen, die in Wahrheit ebenso zu den "Wurzeldeutschen" zugeordnet werden können, wird bis heute nicht wertgeschätzt. Gleiches gilt auch für Menschen aus den "neuen" Bundesländern.

    Ich denke hier spielt im Wesentlichen Verlustangst und Neid eine große Rolle.



    Letztlich fehlt es an Wertschätzung, egal woher der Mensch auch kommen mag.

    • @Sonnenhaus:

      "Denn niemand verlässt freiwillig sein Heimatland."



      Arbeitsmigration in der EU ist sehr gängig, gerade bei positiven Vorteilen.

      Welche Kriterien setzen Sie für Wertschätzung an und wie sollte/kann dabei der Leistungswille bemessen werden?



      [Vor allem in welcher Form sollte diese vorhanden sein?]

      Das Problem willkürlicher Belobigung muss irgentwie neutral und nicht politisch werden, weil ansonsten jede Gruppe Ansprüche stellen wird.



      [Autochthonde Deutsche werden historisch aktuell auch in keinster Weise belobigt, was die AfD tribalistisch ausnutzt]

  • Komische Wahrnehmung. Wenn ich höre, dass Leute "Integrationsprobleme" benennen, dann wird der Professor, Rechtsanwalt oder Unternehmer immer als leuchtendes Gegenbeispiel genannt. Dass es um "Angst vor Konkurrenz" gehe, glaube ich daher nicht. Sondern die Probleme bestehen mit denen, die eben nicht "zur Schule gehen, einen Bildungsabschluss machen" - sondern auf den Straßen oder in U-Bahnen "abhängen" und wenig Perspektive haben, dass sich etwas ändert.

  • Ich kenne in meiner Nachbarschaft wirklich viele Leute, die sind besessen von Wurzeln, von Heimat, von "Blut", das in ihnen fließt und ausser weißen und roten Blutkörperle und so auch noch Verweise auf im letzten Jahrhundert gegründete Nationalstaaten zu transportieren scheint – diese Leute haben nahezu ausnahmslos Migrationshintergrund. Ich selber trage einen "ausländischen" (in meinem Falle: polnischen) Namen, und die ersten, die mich fragen woher bist du, sind keine Kartoffeln. Und stimmt - nervt 'n bissl.

    • @Heide Gehr:

      Warum entmenschlichen Sie autochthonde Personen durch Pflanzenvergleiche?

  • A swedish/turkish/I-do-not-know-what Canadian is usual.

    Gerade in der neuen Welt ist das Thema Ancestors aka Wurzeln ein durchaus Normales.



    Die Verbindung mit Rassismus ist daher eher weniger relevant.

    Und grundsätzlich gilt: "Nobody can hurt me without my permission" Gandhi.

    • @J_CGN:

      Gandhi hatte zweifellos recht. Aber die Frage, wieso die Zustimmung immer wieder so bereitwillig erteilt wird, wird leider (noch) nicht all zu oft gestellt. Es gibt kein Bewusstsein für die Problematik. Wie soll der Zustand da geändert werden?

      Vielleicht liegt das ja daran, dass beim Versuch einer Beantwortung der Warum-Frage auffallen würde: Wir sitzen eigentlich alle im selben morschen Boot. Es gibt keine Kajüten erster bis vierter Klasse. Der Ozean reicht rundherum bis an den Horizont und ein neues, stabileres Boot ist nicht in Sicht. Ziemlich frustrierend, das, für Menschen, die eurozentrisch sozialisiert würden.

      Aber wer weiß, wozu die Frustration gut ist. Würde tatsächlich ein größeres, stabileres Boot am Horizont auftauchen, würde es aus Angst vermutlich umgehend versenkt oder doch wenigstens unter Vernichtung seiner Erbauer geentert werden. Kurze Zeit später wäre dann auch das neue, größere Boot Schrott und würde zu sinken drohen.

      Vielleicht, denke ich an weniger guten Tagen manchmal, ist ein Ende mit Schrecken ja besser als ein Schrecken ohne Ende. Der Mensch an sich will seit 5.000 Jahren nicht klüger werden. Und wenn er nicht bald absäuft, wird er diesen Planeten demnächst völlig zerstört haben. Dann ist das auch bloß sein Ende. Aber Schuld daran werden natürlich die Anderen gehabt haben. Auch ein Trost, gel?