Hörsaalbesetzung in Hellersdorf: „Free Palestine“ mit dem Segen von oben
Was ist von der Besetzung in der Alice Salomon Hochschule übrig geblieben? Die Aktivist*innen loben die Hochschulleitung. Und tadeln sie zugleich.
Ansonsten ist am Dienstagmittag wenig zu spüren von dem, was tags zuvor als Hörsaalbesetzung begonnen hat – und inzwischen in eine von der Uni geduldete Nutzung des Raums für „Community-Arbeit“ übergegangen ist. Die Türen zum Hörsaal sind verschlossen, drinnen tagen die Aktivist*innen. Im Plenum geht es unter anderem ums Programm, das sie an diesem Tag, und, so ihre Hoffnung, in den kommenden Tagen anbieten wollen.
Möglich macht das eine tolerante Haltung der Hochschulleitung gegenüber den Protestierenden. Bereits während der Besetzung am Montag setzte Präsidentin Bettina Völter auf Deeskalation und erwirkte einen Kompromiss mit den Aktivist*innen: Ihnen wurde zugesichert, auch am Dienstag den Hörsaal für ihre Zwecke nutzen zu können – sofern sie ihn am Montagabend zur üblichen Schließzeit der Universität um 21 Uhr verlassen.
Völter stellte sich auch schützend vor die Protestierenden, während diese am Abend nach und nach aus dem Haus kamen. Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, wie sie einen Polizisten zurechtweist, der sich neben der Tür postiert hatte. „Wir brauchen Sie nicht“, sagt sie, und: „Ich bin die Präsidentin der Hochschule, ich habe Hausrecht. Ich habe Sie nicht gerufen.“
Die Wogen glätten
Der Auftritt schlug hohe Wellen, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schaltete sich ein und nannte die Aussagen der Präsidentin „völlig unverständlich“. Die Hochschule ist am Dienstag dann auch bemüht, die Wogen zu glätten. Man sei „im konstruktiven und engen Austausch mit der Polizei gewesen“, wofür man dankbar sei, heißt es in einem Statement. Zugleich betont man, die Aktion weiter zu dulden. Auch eine Fortsetzung in den kommenden Tagen sei möglich, sofern „die Regeln eines respektvollen und gewaltfreien Miteinanders gewahrt bleiben“.
Für diese Haltung kriegt die Leitung ein verhaltenes Lob vom Sprecherteam der Besetzer*innen. Es sei gut, dass Völter so gehandelt habe, sagen die drei Studierenden am Dienstag der taz. Doch der gelassene Umgang mit dem Protest dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Uni kein bisschen auf die Forderungen der Protestierenden eingegangen sei, darunter ein Abbruch der Beziehungen zu israelischen Institutionen, die in Besatzung und Krieg verwickelt seien. Man sei sowieso entschlossen, den Protest bis Ende der Woche fortzuführen: „Wir bleiben bis Freitag“, so die Sprecher*innen. Ob sie planen, auch im Hörsaal zu übernachten, ließen sie offen.
Mit etwas Verspätung öffnen sich am Nachmittag die Türen zum Audimax. Der Andrang ist mäßig, drinnen knien einige Studierende mit Kufija und bemalen weitere Transparente. Gleich geht der erste Workshop los. Thema: Der Tod von Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam vor 20 Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Anbiederungen an Elon Musk
Der deutsche Kriecher
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Eine Frage des Vertrauens