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Hochschulverbot für afghanische FrauenAfghaninnen droht doppeltes Unrecht

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Der Westen muss auf das Bildungsverbot, das die Taliban gegen die Frauen verhängten, reagieren. Doch Sanktionen würden vor allem die Frauen treffen.

Absolventinnen an der Fakultät für Ingenieurswesen und Computerwissenschaften im März in Kandahar Foto: Javed Tanveer/Afp

A ls die Taliban am 15. August vergangenen Jahres in der afghanischen Hauptstadt kampflos einmarschierten, waren sie ebenso vom schnellen Zusammenbruch der vom Westen unterstützten Regierung überrascht wie der Rest der Welt. Wochenlang schien es, als seien die Taliban völlig unvorbereitet auf die Übernahme der Macht gewesen. Nach außen hatte das für die Radikalislamisten den Vorteil, dass mancheR denken konnte, es werde unter den Taliban schon nicht so schlimm kommen, auch sie seien wohl lernfähig.

Insbesondere im Hinblick auf frauenfeindliche Maßnahmen schien die anfängliche Zurückhaltung jenen Taliban ins Kalkül zu passen, die auf die diplomatische Anerkennung ihres neuen Regimes hofften. Sie wussten, dass die Entrechtung von Frauen einer internationalen Anerkennung den Weg verbauen würde. Inzwischen haben sich die Hoffnungen der Taliban auf Anerkennung ihres repressiven Regimes jedoch zerschlagen.

Sogar gute Freunde ihres früheren Regimes, wie Pakistan oder Saudi-Arabien, halten sich aus guten Gründen zurück, von China ganz zu schweigen. Diejenigen Taliban, denen die internationale Anerkennung am Turban vorbeigeht, lachen sich hingegen ins Fäustchen. Sie vertreten die Meinung, dass alle schlechten Einflüsse, die die Umsetzung der vermeintlichen reinen Lehre des Islam gefährden, von außerhalb kommen und deshalb die Abschottung des Landes nur zu begrüßen ist.

Die bisherigen Sanktionen treffen die Bevölkerung hart

Natürlich kann die Weltgemeinschaft das jetzt verschärfte Bildungsverbot für Frauen nicht unbeantwortet lassen, doch müssen dafür Wege gefunden werden, die die Frauen kein zweites Mal treffen. Denn jetzt droht, dass die von allen Menschen in Afghanistan zum reinen Überleben dringend benötigte humanitäre Hilfe noch geringer ausfallen wird als ohnehin schon und dass es noch schwieriger wird, überhaupt für Hilfe zu argumentieren.

Was dabei untergeht, ist, dass die bisherigen Sanktionen das gesamte Land, in dem inzwischen 97 Prozent der Bevölkerung arm sind, empfindlich treffen, aber eben nicht gezielt die Taliban-Führer. Und niemand kann ein Interesse am völligen Zusammenbruch Afghanistans und einer weiteren Zuspitzung der Massenflucht haben.

Doch jetzt drohen ausgerechnet die afghanischen Frauen und Mädchen, die zu den am meisten Benachteiligten der Gesellschaft zählen, mit der zu befürchtenden Kürzung humanitärer Hilfe erneut bestraft zu werden, auch wenn die Taliban damit gemeint waren. Solche Sanktionen mögen außerhalb des Landes beliebt sein, doch den ­Afghaninnen helfen sie nicht.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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29 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was ist die Empfehlung der Exil-Iranerinnen? Wie sind diese Organisiert? Auf WDR. Cosmo haben diese sich kürzlich bitter über die Reisefreiheit der Elite beklagt.

  • Das ist das furchtbare Dilemma:

    Studien zeigen, dass Sanktionen oft sehr viel Not anrichten, manchmal (wie z.B. in Venezuela oder Irak) den Tod unzähliger Menschen verursachen. Typischerweise gibt es dadurch nicht den geringsten Fortschritt für die Menschenrechte. Es ist eine Ausnahme, dass Sanktionen wirken und nicht die Regel.

    Sanktionen dienen oft nur der eigenen moralischen Überlegenheit, eignen sich aber nicht einmal dafür, weil sie in Wirklichkeit extrem selektiv verhängt werden und, wenn es der eigene Vorteil gebietet, selbst mit extremen Menschenrechtsverletzern zusammengearbeitet wird.

    Heute wissen wir, dass der gesamte westliche Weg, in Afghanistan mit islamischen Fundamentalisten zusammenzuarbeiten, von Anfang an falsch war und weltweit zu großem Elend führte. Zu ändern ist es aber nicht mehr, das Kind ist in den Brunnen gefallen.

    Jetzt kann es nur darum gehen, das Leid der Zivilbevölkerung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu mindern - ihr Leben darf nicht geopfert werden, um selbst scheinbar gut dastehen zu können. Wenn wir selbst hungern oder an behandelbaren Krankheiten sterben, wollten wir auch nicht hören, dass das so lange so bleiben muss, bis sich unsere Regierung ändert, egal, wie verbrecherisch die Regierung ist.

    Gleichzeitig muss den Opfern der Unterdrückung beigestanden werden. Menschen aus Afghanistan sollten nicht in Lagern leben müssen, nicht im Meer ertrinken (wie niemand) und an keinen Außengrenzen festgehalten oder von diesen zugeschoben werden. Wer solches tut, kollaboriert mit den Taliban und untergräbt jeden Anspruch auf Menschlichkeit.

    Am Ende werden sich die Afghan:innen selbst von den Taliban befreien müssen, bis dahin muss ihnen in jeder auch nur erdenklichen Art und Weise beigestanden werden.

    • 3G
      39538 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      Ihre Relativierung sei Ihnen ungenommen, es spricht allerdings auch viel für Sanktionen. So sind wird mittlerweile längst an dem Punkt, wo wirkliche wirtschaftliche Sanktionen gegen den skrupellosen Westen angesagt wären. Nennen sie es postkoloniale Reparationszahlungen oder Strafzahlungen in einen Klimafond — der Kapitalismus versteht nur die Sprache von Sanktionen gegen die Abschottung im Wohlstand, errichtet auf dem Leid der Welt.

      • @39538 (Profil gelöscht):

        Wohlstand und Kapitalismus gibt es nur im "skrupellosen Westen"?

        • 3G
          39538 (Profil gelöscht)
          @BluesBrothers:

          Bin ein Bot. Gehe gegen die Heuchlerei des Vorkommentators vor. Rein algorithmisch, also nicht immer logisch. Er sitzt in Fernost und schießt sich gegen "den Westen" ein. Im Protest klebe ich mich an G.'s Tiraden fest.

  • Der Westen muss auf das Bildungsverbot, das die Taliban gegen die Frauen verhängten, reagieren. Doch Sanktionen würden vor allem die Frauen treffen.

    Wie soll denn der Westen reagieren ? Vorschläge, Herr Hansen ?

  • Schade, dass Herr Hansen nun so gar nicht sagt, was ihm vorschwebt.

  • Wir können ja den ganzen jungen Frauen, die dort nicht studieren dürfen, einen Studienplatz anbieten. Dann lösen wir auch gleich das Problem mit dem Fachkräftemangel...

    • @Cededa Trpimirović:

      Die dürfen nicht ausreisen ohne Erlaubnis der Familie.

  • Ich würde gar nichts mehr nach Afghanistan schicken, keine Autos, keine Mobiltelefone, keine Coca Cola und keine "humanitäre Hilfe". Die Taliban müssen meiner Meinung nach ganz alleine zurechtkommen.

  • Eine Einmischung des Westens würde die Situation nur verschlimmern. Ich denke nicht, daß das momentan ratsam wäre. So sehr man sich hier auch eine rasche Änderung herbeiwünscht und gerne mehr tun würde, wird man weder mit Sanktionen noch mit sonst etwas das Leben der Menschen verbessern. Das einzige was evtl. helfen würde ist ein vereinfachter Asylprozess für Afghanen, ähnlich wie es die EU für Ukrainer gemacht hat.

    • @Nobodys Hero:

      Man kann Afghaner aber nicht mit Ukrainern vergleichen.



      Während eine von den USA gut ausgerüstete, ca. 150.000 Mann starke Armee der Afghaner sich, warum auch immer, völlig kampflos ca. 10.000 Taliban in wenigen Tagen ergeben haben, kämpfen Ukrainer seit 300 Tagen gegen eine Übermacht um ihr Land zu verteidigen. Und das augenscheinlich nicht erfolglos.



      Vielleicht wollen die Afghaner, zumindest die Mehrheit, ja so leben, die Ukrainer anscheinend nicht.

      • @Furth im Wald:

        Ja das mag sein. Aber was hindert uns daran ein vereinfachtes Asylverfahren für alle Afghanen einzurichten. Die, die so leben wollen, kommen dann eben nicht.

  • Der Schritt der Taliban ist nur konsequent.

    Vor nichts haben Taliban mehr Angst als vor selbstbewussten, sexuell selbstbestimmten, gebildeten, frei denkenden, starken Frauen.

    Insbesondere die paschtunischen Männer, aus der die Führungs-Clique kommt, ziehen das in aller Konsequenz durch. Wer Frauen so tief verachtet und so viel Angst vor ihnen hat, dem bleibt nur noch eine Konsequenz:

    EMMA: "Bacha Bazi - Das dunkle Geheimnis"



    www.emma.de/artike...e-geheimnis-339819

  • Was doch die Männer für Angst vor Frauen haben müssen, wenn das so entschieden wird. Peinlich und entsetzlich. Idee keine. Traue keinem Extremisten. Vieles was befürchtet wurde tritt eben doch ein.

  • Sanktionen sind auch hier das falsche Instrument. Sanktionen bringen nichts, weder in Russland und auch nicht in Afghanistan.

    • @Genderer:

      Studien zu den Sanktionen in Russland beweisen das Gegenteil von deiner Aussage.

      • @AlexMasterP:

        Welche Studien? Von wem, für wen? Ich kenne keine. Es gibt nur Vermutungen von selbsternannten Sprechblasen.

  • Keiner hat dieses Land je befriedet. Die Russen haben es nicht geschafft, die Amerikaner haben es nicht geschafft, die Europäer auch nicht. Sanktionen würden in erster Linie nur das Volk treffen, denn anders als in Russland gibt es dort keine reichen Oligarchen, sondern "nur" eine fanatische Taliban.



    Ich wüsste nicht, wie man diesem Land helfen könnte. Im Gegenteil, helfen wir gegen Hunger und Krankheit, stützen wir so automatisch die Taliban.



    Letztlich muss das Volk endlich aufstehen und der Taliban den Gar ausmachen, die Befreiung muss von ganz innen, vom Volk selbst kommen. Einen anderen Weg sehe ich leider nicht.

    • @Rudi Hamm:

      Nun, ich denke auch, dass es vermessen vom Westen war



      a) Unser Zivilisationsmodell einer anderen Zivilisation aufzudrängen



      und



      b) wenn dafür noch nicht einmal die Grundlagen in der Bevölkerung gelegt sind



      Wir haben von der französischen Revolution bis zum Mauerfall 200 Jahre gebraucht, um eine Demokratie zu werden. Und das, wo wir vorher den Humanismus wie die Aufklärung hatten und auch ein gewisses Vorbild in unserem Kulturkreis hatten (Griechenland, römische Republik).

    • @Rudi Hamm:

      Das Land war stabil Daoud Khan hatte es auf dem weg in die Moderne, autokratisch aber modern, dabei aber langsam. Aber dann meinte Moskau putschen zu müssen. Die Brutalität des kommunistischen Putsches hat zuviele Afghanen schockiert.

      • @Machiavelli:

        War es nicht eher umgekehrt? Erstmal wollte sich Khan zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen und eine eigene Partei gründen, die dann zukünftig auch die einzige sein sollte.



        Deshalb setzte ihn die "KP", die ihn bislang unterstützt hatte, ab.



        Dann weilte einer der drei Anführer der "KP" in den USA, so dass die anderen beiden einen Aufstand mit amerikanischer Hilfe befürchteten und Moskau um Hilfe baten.



        Daraufhin erschufen die USA die Taliban. Vor über 40 Jahren und kein Ende in Sicht.

        • @Stefan Wunder:

          Daoud Khan setzte seinen Cousin den König ab. Die Einheitspartei hatte er bereits gegründet die Nationale Revolutionspartei 1974, er drängte den Einfluss der Kommunisten zurück .Und Abgesetzt ist eine nette Umschreibung dafür ihn mit seiner ganzen Familie umgebracht zu haben.

          In 1979 hat sich dann Hafizullah Amin mehr den Amerikanern genähert um seine Unabhängigkeit zu wahren, dafür wurde er dann von Moskau umgebracht.

          Die USA schufen nicht die Taliban, die Taliban wurden in den 1990er Jahren gegründet. Es gab einen Aufstand den unterstützten die Amerikaner wobei der Großteil des Geldes von islamischen Stiftungen und den Golfstaaten kamen, operative Kontrolle hat Pakistan. Die Chinesen haben den Aufstand auch tatkräftig unterstützt. Der Aufstand bestand aus Monarchisten, Demokraten, Maoisten und Islamisten. Letztere setzen sich mit pakistanischer Hilfe dann unter dem Banner der Taliban in den 1990er Jahren durch.

          Ohne kommunistischen Putsch kein Aufstand, kein Bürgerkrieg, keine Taliban.

    • @Rudi Hamm:

      Sie haben definitiv Recht.

      Doch wie soll das gehen, dass das Volk aufsteht? In Afghanistan oder ähnlichen Staaten sind Männer alles, Frauen nichts.

      Männer werden nicht mitmachen, sie würden ihre Privilegien verlieren.

      Was kann helfen?

      Den Frauen Waffen in die Hände drücken, die mächtiger sind als die der Männer?

      Schwierig, die Taliban werden finanziert von den Ölstaaten, Ölmilliardären, China, Pakistan etc.

      Keine Chance.

  • Was wäre denn eine alternative Lösung zu Sanktionen???

    • @johannes_on_taz:

      Subventionen: die Familien müssen es sich leisten können, ins Ausland zu reisen, und ihre Kinder dort ausbilden zu lassen.

      Revolutionen entstehen eher selten, wenn die Menschen bereits ums täglche überleben kämpfen müssen...

    • @johannes_on_taz:

      Ich würde die Frage erweitern:



      Gibt es dafür überhaupt eine Lösung, die der Westen machen kann?



      Und selbst wenn: Dürfen wir einem souveränen Staat überhaupt so etwas vorschreiben? Siehe UN-Charta:



      "Jeder Staat hat die Pflicht, die Rechtspersönlichkeit der anderen Staaten zu respektieren. Die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit jedes Staates sind unverletzlich. Jeder Staat hat das Recht, seine politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung frei zu wählen und zu entwickeln."



      Müsste nicht jede Lösung aus der Gesellschaft heraus kommen ODER durch Verhandlungen (ihr kriegt Entwicklungshilfe, wenn Frauen Bildung bekommen) stammen?

      • @Kartöfellchen:

        Du hast es exakt erfasst und beschrieben. Deshalb schrieb ich weiter oben "die Befreiung muss von ganz innen, vom Volk selbst kommen. "

    • @johannes_on_taz:

      Sankionen zu verhängen, da einem nicht besseres einfällt? Oder vielleicht weil man damit der deutschen Bevölkerung ein gutes Gewissen machen kann?

      Diese Art von populistischer Politik vergrößert doch nur das schon herrschende Elend.

      Schade, dass wir nicht ein wenig selbstkritischer in Deutschland sind und auch Mal bereit wären über den Tellerrand zu schauen. So machen wir uns durch falschen Aktivismus nur noch noch schuldiger bzgl. vielen unnötigen Elend in der Welt. Aber das einfache Weltbild muss ja befriedigt werden und da bieten sich natürlich Mal wieder gut Sankionen an...