Hisbollah-Angriffe auf Israel: Netanjahu will zurückschlagen
Israels Regierung erwägt ernsthaft einen größeren Angriff auf die Hisbollah im Libanon. Das Raketenfeuer der Miliz hatte großflächige Brände verursacht.
Die Videos, die aus dem hohen Norden Israels in den sozialen Medien geteilt werden, zeigen dichten Rauch, meterhohe Flammen, sprühende Funken, die Silhouetten feuerfangender Bäume. 48 Stunden lang brannte es nahe Kirjat Schmona, einer Kleinstadt am äußersten Nordzipfel Israels. Der Auslöser: Raketenfeuer der Hisbollah aus dem Libanon, der gerade einmal zwei Kilometer entfernt liegt.
Dutzende Geschosse feuerte die iranisch-unterstützte Miliz am Wochenende auf Israel. Durch die Trockenheit im Land – in vielen Regionen kletterten die Temperaturen jüngst auf weit über 30 Grad – lösten sie Brände aus. Insgesamt sollen etwa 10.000 Dunnam, knapp 10 Quadratkilometer, betroffen sein.
Erst am Dienstagmorgen konnten die Feuer größtenteils unter Kontrolle gebracht werden – bis prompt ein weiterer Raketenangriff aus dem Libanon wieder Feuer auslöste. Elf Menschen wurden leicht verletzt. Dass es nicht mehr waren, liegt auch daran, dass die gesamte Region bereits seit vergangenem Oktober evakuiert ist – wegen der Angriffe der Hisbollah.
Mögliche Invasion in den Libanon?
Man sei zu einer „extrem mächtigen“ Reaktion auf die Attacken der Hisbollah bereit, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Besuch der Region am Mittwoch. Zuvor hatte Armeechef Herzi Halevi erklärt, man sei nahe daran, eine Entscheidung zu treffen, wie man mit der Hisbollah umgehen wolle.
Ob es eine Invasion in den Libanon geben wird, ist schon seit Oktober eine wiederkehrende Frage – die nun, da die Angriffe der Hisbollah immer weiter zunehmen – drängender wird. Das Militär sei bereit, so Halevi.
Wer denke, dass man Israel Schaden zufügen könne und damit davonkomme, liege falsch, erklärte Netanjahu bei seinem Besuch. Schadi Challul, ein arabischsprachiger Christ aus der nördlichen Region Galiläa, der lange im Militär diente und sich für eine Integration der christlichen Minderheit in die israelische Gesellschaft einsetzt, betont hingegen: Die Hisbollah komme eben doch davon.
Die Regierung fordert er auf: „Rettet, was von der Region noch übrig ist.“ Jeden Tag eskaliere die Situation weiter – „ein Krieg ist unausweichlich“. Oppositionsführer Jair Lapid schrieb auf X: „Die Regierung hat keinen Plan für den Tag danach in Gaza, keinen Plan für die Rückkehr der Bewohner in den Norden, kein Management, keine Strategie“.
Internationaler diplomatischer Druck auf Israel steigt
Nach acht Monaten Krieg in Gaza – angetreten unter der Prämisse, die Hamas zu zerstören und die über 200 israelischen Geiseln zu befreien – sind die Erfolge dünn: Nur drei Geiseln konnten vom Militär im Laufe der Zeit befreit werden. Und die Truppen kämpfen immer wieder an denselben Orten gegen die Hamas – Orten, die zuvor bereits als geräumt galten, etwa in Chan Junis in Zentralgaza.
Für die palästinensischen Zivilisten in Gaza hat die Kriegsführung Israels außerdem katastrophale Folgen: Hilfsorganisationen warnen vor Krankheiten und Hunger, vor mangelnder medizinischer Versorgung in den wenigen verbliebenen Krankenhäusern. Das lässt auch den internationalen diplomatischen Druck auf Israel steigen.
Wie genau sie die Hamas denn nun besiegen will – und wie ein Post-Hamas-Gaza aussehen könnte –, vermag Netanjahu bis heute nicht zu beantworten. Vor etwa zwei Wochen hatte Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, ihm ein Ultimatum gestellt: Sechs wichtige strategische Punkte solle Netanjahu klären, darunter, wie eine Rückkehr in den Norden aussehen solle. Das Ultimatum läuft am 8. Juni aus.
Sollte Netanjahu es verstreichen lassen, stiege Gantz aus dem Kriegskabinett aus. Zurück blieben rechte Hardliner wie der Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir. Laut der Times of Israel betonte er am Dienstag, es sei Zeit, dass der ganze Libanon brenne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt