Haushaltsstreit und Klimapolitik: Hat Lindner etwa recht?

Was FDP-Finanzminister Christian Lindner sagt, stimmt: Er muss wirklich einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen – daran zweifelt niemand mehr.

Christian Lindner

Na, steigt ihr Blutdruck schon? Foto: Michael Sohn/ap

Achtung, Triggerwarnung: Die folgende Aussage kann Ihren Blutdruck hochtreiben und Sie ideologisch verunsichern. Wer noch grün hinter oder vor den Ohren ist, könnte traumatisiert werden. Meine Aussage lautet:

Christian Lindner hat recht.

Denn vor ein paar Tagen hat Lindner sich geweigert, einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 vorzulegen. Arbeitsverweigerung? Nein, Pflichtgefühl: Weil er mit „einzelnen Ressorts nicht einig“ sei, könne er keine Planung vorlegen. Man müsse über die „finanziellen Realitäten“ sprechen. Die „Vorstellungen der Ressorts müssen insgesamt noch einmal gründlich nach unten korrigiert werden“, er werde „auf jeden Fall die Schuldenbremse einhalten“ und einen „verfassungskonformen Haushalt vorlegen“. Schließlich gebe es eine „klar definierte Obergrenze“ und man müsse jetzt eben endlich mal „mit den vorhandenen Mitteln auskommen“.

Lindner hat recht: Wie soll diese Bundesregierung die Zukunft planen, wenn die einzelnen Ressorts sich über zentrale Fragen nicht einig sind? Wenn nicht klar ist, ob der Verkehrsminister das (Klimaschutz-)Gesetz erfüllt oder ob die Ampelkoalition ihr „zentrales Anliegen“, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, umsetzen will?

Lindner hat recht: Ihn bindet die Schuldenbremse. Unsere Kreditaufnahme bei der Natur und unseren Kindern ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Hypotheken, die wir täglich durch aussterbende Arten, zu hohen CO2-Ausstoß, zu viel Plastikmüll, der Versiegelung wichtiger Naturgebiete und zu viel Gülle im Grundwasser aufnehmen, bedrohen uns und unsere Zukunft.

Lindner hat recht: Wir müssen „die finanziellen Realitäten anerkennen“: Jedes weitere Zögern bei Arten- und Klimaschutz kostet uns bares Geld: Entweder durch teure CO2-Lizenzen auf EU-Ebene im „Effort Sharing“ oder schlicht durch Klimaschäden: 280 bis 900 Milliarden Euro bis 2050 in Deutschland. Da kann ein Finanzminister schon mal weiche Knie bekommen.

Linder hat recht: Alle Ressorts müssen ihre Vorstellungen beim CO2-Ausstoß noch einmal gründlich nach unten korrigieren. Vor allem Verkehr, Wirtschaft, Bauen, Agrar.

Lindner hat recht: Er muss einen verfassungsmäßigen Haushalt vorlegen. Nämlich einen, der das Klimaschutzgesetz achtet und den Koalitionsvertrag umsetzt. Eine Planung, die sich an dem grundlegenden Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts orientiert, das JETZT viel mehr Anstrengung für viel weniger CO2 fordert.

Linder hat recht: Es gibt eine „klar definierte Obergrenze“: Das deutsche CO2-Budget, das in ein paar Jahren erschöpft ist.

Und er hat schon wieder recht, wenn er einfordert, dass wir jetzt alle mal „mit den vorhandenen Mitteln auskommen“ müssen. Sparsamkeit, Genügsamkeit und Selbstbeschränkung als Tugenden der Liberalen: Mit den planetaren Grenzen auszukommen, mit dem nationalen CO2-Budget, mit dem erreichten Wohlstand, eine Absage ans „Immer mehr und immer größer“.

Lindner weiß gar nicht, WIE recht er hat. Völlig unverständlich, dass seine FDP derzeit in Umfragen so schlecht dasteht. Wenn er so weitermacht, treibt er mich zum Äußersten: Meine Stimme für die FDP!

Ich hatte Sie gewarnt.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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