Haushaltsstreit in der Ampel: Ein bisschen Führung wäre jetzt gut
Die Ampelkoalition kann sich nicht einigen, wofür sie ihr knapper werdendes Budget verwenden will. Es wäre an der Zeit, dass der Kanzler eine Ansage macht.
D iesen Mittwoch wollte die Bundesregierung den finanziellen Rahmen für den Haushalt 2024 abgesteckt haben. Doch Finanzminister Christian Lindner hat den Beschluss auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund sind nicht etwa Terminprobleme. Nein, die Ampelregierung kann sich einfach nicht einigen, wofür sie ihr knapper werdendes Budget verwenden will. Der Finanzminister soll es jetzt richten. Aber wo ist eigentlich der Regierungschef?
Vor einer Woche hat Olaf Scholz in Meseberg noch betont, man wolle sich jetzt unterhaken und Dinge zügig zum Abschluss bringen. Doch derzeit sieht es eher nach einem Konkurrenzkampf aus unter dem Motto „jeder gegen jede“. Die Familienministerin will Milliarden für eine armutsfeste Kindergrundsicherung, die Bildungsministerin möchte Schulen in prekärer Lage mit Geld aus dem Bundeshaushalt unterstützen, die Entwicklungsministerin fordert mehr Hilfe für Länder im Globalen Süden, die man als Partner gewinnen will, und der Verteidigungsminister hat zusätzliche Milliarden angemeldet, um die Munitionsdepots aufzufüllen. Und alle haben recht. Denn diese Projekte sind entweder im Koalitionsvertrag verankert oder mit dem russischen Angriff auf die Ukraine als wichtig eingestuft worden.
Blöd nur: Alle Wünsche zusammen übersteigen den Bundeshaushalt um mehr als 70 Milliarden Euro. Entscheidet jetzt wirklich das Verhandlungsgeschick einzelner Minister:innen darüber, ob die Kindergrundsicherung kommt oder ob es zusätzliche Granaten werden?
Dabei gibt der Koalitionsvertrag durchaus Hinweise für Auswege aus diesem Engpass. So hat sich die Ampel darauf geeinigt, umwelt- und klimaschädliche Subventionen abzubauen, wie die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen oder die ermäßigte Energiesteuer auf Diesel. Würde der Staat solche Privilegien einkassieren, dann gewänne er doppelt: Zusätzliche Milliarden kämen rein und Deutschland käme seinen Klimazielen näher. Gerade im Verkehrssektor ist der Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 kaum zurückgegangen.
Warum also gibt es nicht längst eine Liste von Subventionen, die wegkönnen? Man könnte leicht auf den FDP-Finanzminister und seine Partei zeigen: Die blockieren alles! Doch für das Erscheinungsbild der Regierung ist in erster Linie der Regierungschef verantwortlich. Es wäre an der Zeit, dass Scholz mal eine Ansage macht: wo konsolidiert und wo geklotzt werden soll. Etwas inhaltliche Führung täte der Ampel jetzt gut. Und Lindner kann ja dann immer noch auf den Kanzler verweisen: OWD – Olaf wollte das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind