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Hamas und IsraelKrieg der Bilder

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Die Hamas hat ihren Krieg penibel vorbereitet, um den Image-Schaden für Israel möglichst groß ausfallen zu lassen. Aber nicht nur deshalb bröckelt die internationale Solidarität mit Israel.

Zeichen der Kontrolle: Eine israelische Flagge im Gazastreifen am 15. November Foto: Leo Correa/ap

W as sich in Nahost abspielt, ist auch ein Krieg der Bilder, ein Kampf um Narrative, um Verständnis und Solidarität. Als diese Woche Babys in einem Krankenhaus in Gaza in Lebensgefahr schwebten, stellte sich in Israel eine Frau, weiß gekleidet wie eine Krankenpflegerin, vor einige Brutkästen und sagte in die Kamera: „Israel ist bereit zu helfen.“ Die Armee werde die Brutkästen nach Gaza liefern. „Unser Krieg ist gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen in Gaza.“

Eine klare Nachricht an alle, die nicht wahrhaben wollen, dass Israel von einer Terrororganisation in diesen Krieg gezwungen wurde und offenbar – trotz der enorm hohen Zahl getöteter Zi­vi­lis­t*in­nen – bemüht ist, das Allerschlimmste zu verhindern. Armeesprecher Daniel Hagari fuhr selbst ins Kriegsgebiet nach Gaza-Stadt, um in fließendem Englisch durch Waffenlager und Geiselverstecke der Hamas zu führen, die Israels Truppen dort eigenen Angaben zufolge unter Krankenhäusern entdeckt hatten.

Die Aufnahmen erreichten die Wohnzimmer weltweit. Auch die „Tagesschau“ brachte die Bilder. Im Netz bekommen die Posts der israelischen Armee regelmäßig hunderttausende Klicks. Die Liste der öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Medienarbeit ist lang und nicht auf das Netz beschränkt. In Berlin, Paris und Washington haben die Par­la­men­ta­rie­r*in­nen einen grauenhaften 40-minütigen Film zu sehen bekommen, ein Zusammenschnitt von Aufnahmen des Hamas-Massakers.

Auch die taz und andere Medien wurden in der israelischen Botschaft empfangen, um sich das „Rohmaterial“ anzuschauen. Professionelle Öffentlichkeitsarbeit, so scheint es, die der Terrorpropaganda der Hamas und ihrer antiisraelischen Sympathisanten ein anderes Bild entgegensetzt: das eines Staates, der sich berechtigterweise gegen Terroristen verteidigt, dabei aber Humanität bewahrt und palästinensische Zi­vi­lis­t*in­nen verschont.

Strategisch katastrophal

Man muss sich allerdings verwundert die Augen reiben, wenn man hört, wie ein israelischer Minister tatsächlich von einer „Gaza-Nakba“ spricht; ein anderer empfiehlt „freiwillige Migration“ der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen als „humanitäre Lösung“. Und aus Regierungskreisen in Jerusalem wird ein Dokument geleakt, in dem die Vertreibung der gesamten Bevölkerung aus dem Gazastreifen empfohlen wird. Hieß es nicht, dieser Krieg gelte allein der Hamas, nicht der Bevölkerung?

Regierungschef Benjamin Netanjahu pfiff letzte Woche seine Mi­nis­te­r*in­nen zurück. Wer sich öffentlich äußere, müsse mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Kontraproduktiv in ihrer Außenwirkung ist auch die Armee unterwegs: Wozu das Foto schwer bewaffneter Soldaten, die diese Woche mit Israelflagge im frisch eingenommenen Parlamentsgebäude von Gaza-Stadt vor der Kamera posierten? Natürlich: Das existenziell bedrohte Land muss nach dem Schock vom 7. Oktober seine Abschreckungskraft wiederherstellen.

Und klar: Anzunehmen, dass die Israelis im Gazastreifen selbst als Befreier statt als Eroberer empfangen werden, wäre ohnehin weltfremd. Aber den militärischen Erfolg derart als Eroberung in Szene zu setzen und die Öffentlichkeit im Westen und auch in den arabischen Ländern mit entsprechenden Bildern zu versorgen, ist strategisch katastrophal – und untergräbt Israels aufwendige Öffentlichkeitsarbeit.

Wirklich tragisch ist, dass jede Eroberungsgeste und jede Nakba-Äußerung der Hamas direkt in die Hände spielt. Der Terrorgruppe geht es nicht darum, die weit überlegene israelische Armee militärisch zu besiegen, sondern darum, den jüdischen Staat zu delegitimieren. Sie hat diesen Krieg lange und penibel vorbereitet, um den Image-Schaden für Israel möglichst groß ausfallen zu lassen. Dazu dienen ihr die Krankenhäuser, unter denen sich die Terroristen mutmaßlich verstecken.

Dazu dient ihr das weite Tunnelnetzwerk unter ziviler Infrastruktur, in dem die Kriegsführung für Israel enorm schwierig ist, vorausgesetzt, man will sich so weit wie nur möglich an völkerrechtliche Standards halten. Die Zerstörung des gesamten Netzwerks würde mit einem „zivilen Kollateralschaden“ einhergehen, der international kaum akzeptiert werden würde. Israel kann es also nur falsch machen.

Vor diesem Hintergrund bieten Israels Armee und die derzeitige in Teilen rechtsextreme Regierung eine enorme Angriffsfläche. Wer zweifelt, ob sich Israel wirklich nur gegen die Terroristen der Hamas selbst verteidigt, findet reichlich Stoff für Gegenargumente. Je mehr sich Israel als Eroberer in Szene setzt und je öfter Mi­nis­te­r*in­nen von Nakba, Vertreibung, ja sogar von einem Atomwaffeneinsatz im Gazastreifen faseln, desto weiter rückt das Ziel in die Ferne, Verständnis für und Solidarität mit Israel zu erzeugen in diesem berechtigten Krieg gegen die Hamas.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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17 Kommentare

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  • Guter Artikel

  • "Eine Verteibung von 2 Millionen Arabern aus dem Gebiet würde dazu führen, ..."

    Eine der Fragen, die ich mir stelle, ist, ob diese Menschen nicht gerne freiwillig irgendwo anders auf der Welt leben möchten. Wenn man sie mit richtig viel Geld unterstützt, halte ich das für möglich. Es wäre nur die Frage, wo. Die arabischen Ländern möchten diese Menschen aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Hoheitsgebieten ansiedeln, somit denke ich, am ehesten, an Europa. Zwei Millionen ist keine Anzahl, die Europa überfordern würde. Besonders die jungen Leute, vermute ich, würden vielleicht gerne in Europa leben, die Eltern/Großeltern würden dann, so hoffe ich, mitkommen.

    Es müsste selbstverständlich gewährleistet sein/werden, dass sie Israels Existenzrecht anerkennen.

  • Hamas existiert nur, um alle Juden zu vernichten. Hamas niederzuringen ist daher absolut unumgänglich. Was ein paar Minister der Regierung Netanjahu, die inzwischen bei 14%in den Umfragen liegt, in ihrem Wahn fabulieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, wer hier welches Ziel verfolgt.

    Israel wird Gaza nicht dauerhaft erobern. Das ist jedem klar. Eine Verteibung von 2 Millionen Arabern aus dem Gebiet würde dazu führen, dass die USA sich abwenden und dass Ägypten und Jordanien ihre Friedenspolitik überdenken. Ganz zu schweigen von der Annäherung der Saudis etc.

    Gerade interessiert sich die arabische Straße in großen und ganzen nicht für das Thema. Das würde sich ändern.

    Dann wäre gegen israel auf die Straße zu gehen nicht nur ein Thema was hauptsächlich Antisemiten im Westen vorantreiben, sondern es könnte zu einem existenziellen Problem für Israel werden, da auch die arabische Welt massenhaft mobilisieren könnte.

  • "niemand regt sich sonderlich auf."

    Vielleicht Sie nicht. Ich schon, und ich kenne auch viele, die das tun.

    Ich rege mich aber auch darüber auf, dass Ben Gvir Gewehre unter den Siedlern im Westjordanland verteilen will.

  • Menschen aus Palästina interpretieren die menschenverachtenden Äußerungen als wahre Absicht der israelischen Regierung, geäußert von den Israelis, die auch den demokratischen Staat kapern wollen, um ihn in eine Religionsdiktatur zu verwandeln. Gegen den Willen der eigenen Bevölkerung. Wir dagegen interpretieren die Politik Israels eher als besonnen , rücksichtsvoll u alternativlos . Hat aber die USA darum - vergeblich - gebeten, zumindest kleinere Bomben zu verwenden, um weniger Zerstörung unter Zivilisten anzurichten ? Werden jetzt nicht auch die in den Süden Gazastreifen Geflohenen bedroht.? Misstrauen ist wohl nicht unberechtigt. Bzgl. Krieg der Bilder: die Bilder von zerbombten Städten werden von den Bombern produziert. Herausgefordert von dem unerträglichen Gemetzel / Progrom an friedlichen Menschen.

  • Im Gegensatz zur Hamas, die nach ihrer gewonnenen Wahl 2006 in Gaza komplett auf weitere Wahlen und überhaupt jegliche demokratische Ambitionen verzichtet und diese auch der eigenen Bevölkerung abgewöhnt hat, habe ich bei Israel die - ich hoffe sehr berechtigte - Hoffnung, dass sich dieses Land in seiner demokratischen Verfasstheit der unsäglichen Regierung Netanjahu entledigen wird.



    Hoffentlich bald, und hoffentlich wird dann auch in Israel der Weg frei zu einer Zwei-Staaten-Lösung in und mit der beide Völker, Palästinänser und Israelis, endlich in Frieden leben können.

    Der aktuelle Konflikt mit dem unsäglich brutalen Terrorangriff der Hamas am 7.10. und dem massiven und in humanitärer Hinsicht maximal prekären Gegenschlag des israelischen Militärs sollte nun wirklich jedem, absolut jedem endgültig klar gemacht haben, dass es so wie bisher nicht weitergeht.



    In der Sackgasse, in der sich derzeit alle vor Ort befinden, können alle Beteiligten nur noch ungebremst gegen eine bluttriefende Wand laufen. Und nur noch mehr Blut fließen lassen.

    Es wird Zeit, dass die ernsthaft an Frieden interessierten Kräfte, die ich auf beiden Seiten als vorhanden betrachte, endlich die Oberhand gewinnen und das Heft des Handelns in die Hand nehmen.

    • @jlMG:

      Vielleicht haben Sie ja Recht, aber die israelischen Wähler interessieren sich nicht für die Zweistaatenlösung.

      Dazu müßten sie schon von außen motiviert werden, und eine solche Motivation wäre ein sanfter aber wenn man ihm nicht nachgibt schmerzhafter Druck gegen die Siedlungspolitik.

      Da sich im Westen eigentlich alle einig sind, daß die Siedlungspolitik ein wesentliches Hindernis zu einer Zweistaatenlösung ist, könnte er den israelischen Wählern dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu fällen.

      Nein, das wäre keine Einmischung in innere Angelegenheiten, es sei denn, die besetzten Gebiete werden als innere Angelegenheit Israels betrachtet.

  • Danke für Ihre breitere Betrachtung des Geschehens und der Berichte daruber.

    Besonnenheit scheint für Bibi Netanjahu keine Option zu sein. Bereits durch die Justizreform geschwächt ist mit dem schrecklichen Angriff aus dem Gaza auf Menschen in Israel Vertrauen in die aktuelle Regierung beeinflusst.



    Überraschend, aus einem Vakuum, schwer vorstellbar.

  • Netanjahu trägt auch selbst zu diesem Zerrbild bei, zum Beispiel hat er den Krieg mit dem biblischen Kampf gegen die Amalekiter verglichen.



    taz.de/Benjamin-Ne...rhetorik/!5964144/

  • Das Vorgehen Israels in Gaza ist nicht nur "strategisch katastrophal", es ist vor allem Ausdruck einer völlig verfehlten Verteidigungspolitik gegen Terrorismus, basierend auf dem Rachegedanken. Anstatt sich entgegen Joe Bidens Rat, sich nicht wie die USA nach 9/11 von Rache leiten zu lasen, war die Eskalation mit Flächenbombardierungen des Gaza eine Sache von Stunden. Anstatt der eigenen Trauer erstmal Platz zu lassen und von voreiligen Schritten abzusehen, glitt Israel in den Augen der Welt von der Rolle des Opfers in die Rolle des Täters. Dazu gefährdete die rechtextreme israelische Regierung aufs Sträflichste das Leben der Geiseln. Wer jetzt keine Waffenruhe will und weiter auf Kollektivbestrafung mit einer humanitären Katastrophe im Ghetto Gaza setzt, will keine politische Lösung, sondern Rache biblischen Ausmaßes. Das kann nicht deutsche Staatsräson sein. Die Sicherheit Israels ist nur mit einer 2 Staatenlösung möglich, wofür Israel die Regierung absetzen, die Besetzung beenden und die illegalen Siedlungen in der Westbank räumen müsste. Dazu muss die israelische Bevölkerung aber aus dem Zustand des kollektiven Traumwandelns aufwachen und die Realität anerkennen, in der Palästinenser gleiche Rechte wie sie haben.

    • @Rinaldo:

      Es wäre m. E. besser gewesen, nicht Israel, sondern eine neutrale Armee ohne israelisches Militär, UN-Truppen z. B., hätten auf das furchtbare Massaker reagiert. So wie es im zivilen Leben auch ist, dass möglichst die Polizei dies regelt und nicht die gewalttätigen Streitparteien.

    • @Rinaldo:

      "Flächenbombardierungen"? "Kollektivbestrafung"? "Rache biblischen Ausmaßes"? Käuen Sie hier doch bitte nicht unreflektiert Hamas-Propaganda wieder!



      Die IDF versuchen, die militärische Infrastruktur Hamas zu zerstören (was sonst wäre jetzt die Alternative?), dabei sterben trotz größter Bemühungen um Zielgenauigkeit auch unschuldige Zivilisten. Das ist die grauenhafte Logik des Krieges - und exakt das Kalkül der Hamas, für die Palästinensers keine Menschen, sondern nur menschliche Schutzschilde sind.

  • Auf der anderen wird die Vernichtung Israels von in weit entfernt sitzenden Hamas Islamofaschisten gepredigt und niemand regt sich sonderlich auf.

    Am Ende ist das was wir erleben der seit Jahrhunderten immer präsente Antisemitismus, egal was Israel macht und wie es sich verhält, der Großteil der Welt mag anscheinend die Juden nicht und selbst der grenzenlose Hamas Terror ist schnell wieder vergessen, wenn Israel sich wehrt.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Genau so ist es! "Der Jude" als mindestens 2000 Jahre alter Sündenbock wird weiter gebraucht- weltweit. Die Gegenaufklärung marschiert mal wieder!

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wo regt sich niemand über die Hams auf? Antisemitismus spielt in vielen Ländern überhaupt keine Rolle. Warum sollte der z.B. in einem afrikanischen Land eine Rolle spielen? Die haben den Juden noch nie was getan. Die bewerten den Konflikt jenseits von Antisemitismus bekommen ihn aber von uns unterstellt wenn sie eine andere Meinung haben oder das Thema mit Kolonialismus in Verbindung bringen. Mal Augenmaß bewahren bevor man den Rest der Welt als Antisemiten bezeichnet. Diese Haltung schadet Israel und den Juden.

      • @Andreas J:

        Warum mag es so sein, dass Antisemitismus in vielen Ländern keine Rolle spielt? Vielleicht daran, dass auf dem afrikanischen Kontinent so gut wie keine Juden Leben?



        In dieser Tabelle findet sich eine Liste (ganz nach unten scrollen), wo als Anzahl der Juden in der Bevölkerung bei fast allen Staaten "keine" steht: de.wikipedia.org/w...Judentum_in_Afrika

        Fragt sich nur: Gibt es dort keinen Antisemitismus, weil es keine Juden gibt, oder gibt es dort keine Juden, weil es Antisemitismus gibt, möglicherweise auch noch einen der übleren Art, inklusive Vertreibung?



        Bitte selber recherchieren. Tipp: Vertreibung geht oft in die richtige Richtung.