piwik no script img

Gutachten zum WestjordanlandIGH sieht Besatzung als illegal

Israels Siedlungen im Westjordanland sowie das damit verbundene Regime verstoßen gegen internationales Recht, erklärt der Internationale Gerichtshof.

Blick auf die Sperranlage, die das seit 1967 besetzte Westjordanland von Israel trennt Foto: dpa

Freiburg taz | Die israelische Besatzung im Westjordanland und in Ost-Jerusalem ist heute illegal und muss so schnell wie möglich beendet werden. Dies erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das Gericht der Vereinten Nationen, in einem Gutachten, das die UN-Generalversammlung in Auftrag gegeben hatte.

Der IGH sollte untersuchen, welche rechtlichen Konsequenzen die seit 57 Jahren andauernde israelische Besetzung von palästinensischen Gebieten hat. Diesen Auftrag erteilte die UN-Generalversammlung im Dezember 2022 auf Antrag der palästinensischen Autonomiebehörde.

Das Gutachten, das Gerichtspräsident Nawaf Salam auszugsweise verlas, dürfte von der palästinensischen Seite als großer Erfolg gewertet werden. Zunächst stellte der IGH zahlreiche Rechtsverletzungen durch Israel fest. Dann zog er daraus weitgehende rechtliche Schlüsse, bis hin zum sofortigen Abzug der israelischen Siedler aus dem Westjordanland und Ostjerusalem. *

Israel hatte das Westjordanland, Ost-Jerusalem und den Gazastreifen 1967 im Zuge des Sechstagekriegs besetzt, als man einem Angriff arabischer Staaten zuvorkam. Aus dem Gaza-Streifen hatte sich Israel 2005 zurückgezogen. Zwar gilt er immer noch als israelisch besetzt, so der EuGH, weil Israel zum Beispiel die Grenzen kontrolliert. Faktisch spielte Gaza (und auch der aktuelle Gaza-Krieg) im Gutachten keine Rolle.

IGH wertete Vorgehen Israels als unzulässige Annexion

Maßstab für den IGH war vor allem die 4. Genfer Konvention von 1949, die die Rechte und Pflichten eines Besatzungsstaats regelt. Dabei sei davon auszugehen, so der IGH, dass eine Besatzung nur vorübergehend und nicht dauerhaft ist. Israel aber hat schon durch die Legalisierung und Unterstützung der Siedlungen gegen Völkerrecht verstoßen. Zahl und Umfang der Siedlungen hätten auch immer mehr zugenommen. Durch Infrastruktur wie Straßen, habe Israel die Siedlungen möglichst gut ins Staatsgebiet integriert.

Israel habe die Ressourcen der palästinensichen Gebiete auch mehr ausgebeutet als es für militärische Zwecke notwendig war, so der IGH. Dagegen sei zum Beispiel der Zugang zu Wasser für die palästinensische Bevölkerung nicht ausreichend, sagte Richter Salam. Unzulässig sei auch, dass in den israelischen Siedlungen israelisches Recht gilt, obwohl im besetzten Gebiet grundsätzlich das bisherige Recht weitergelten müsse.

Auch die Verdrängung von Palästinensern verstoße gegen die 4. Genfer Konvention. Dabei gehe es nicht nur um gewaltsame Vertreibungen. Illegal sei es auch, eine Situation zu schaffen, in der Menschen keine andere Wahl haben, als ihre Heimatorte zu verlassen. Zudem habe Israel völlig versagt, die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser zu verhindern und zu ahnden.

Der IGH wertete das gesamte Vorgehen Israels als unzulässige Annexion von zumindest Teilen der besetzten Gebiete. Eine Besatzung dürfe nicht zur Integration der besetzten Gebiete in den Besatzerstaat genutzt werden. Israel wolle die Kontrolle über die besetzten Gebiete offensichtlich unumkehrbar machen, so Richter Salam. Damit habe Israel mit Gewalt sein Staatsgebiet ausgeweitet. Dies verstoße gegen das Völkerrecht.

Glaubwürdiges Verhalten wird schwieriger

Einige Staaten hatten Israel in der mündlichen Verhandlung auch vorgeworfen, eine Situation der Apartheit errichtet zu haben, weil für israelische Siedler und Palästinenser unterschiedliches Recht gilt und die Bevölkerungsgruppen streng getrennt werden. Der IGH stellte fest, dass Israel damit gegen das Internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung (CERD) verstoßen hat, ließ aber offen, ob damit das Verbot der „Apartheit“ oder der „rassischen Segregation“ verletzt wurde.

Aus dieser Feststellung umfassender Illegalität zog der IGH nun mehrere weitreichende rechtliche Schlussfolgerungen. Mit 14:1 Richterstimmen entschied der IGH, dass Israel sofort alle neuen Siedlungsaktivitäten beenden und alle Siedler evakuieren muss. Mit 11:4 Richterstimmen wurde Israel aufgefordert, so schnell wie möglich die besetzten Gebiete zu verlassen. Mit 14:1 Richterstimmen wird Israel angehalten, den Palästinensern Schadensersatz für alle Rechtsbrüche zu zahlen. Hier dürfte es um gewaltige Summen gehen. Der IGH hält alle Staaten für verpflichtet, Israel nicht bei der Aufrechterhaltung der Besatzung zu helfen und zu unterstützen.

Das weitere Vorgehen müssten nun UN-Generalversammlung und UN-Sicherheitsrat klären, sagte Richter Salam zum Abschluss. Das Gutachten des IGH hat keine rechtliche Verbindlichkeit, ist aber als Gutachten zur Feststellung der Rechtslage von hohem Gewicht, insbesondere auch wegen der klaren Mehrheiten. Der deutsche IGH-Richter Georg Nolte stimmte immer mit der Mehrheit.

Israel wird das Gutachten vermutlich ignorieren. In der UN-Generalversammlung wird es dann wieder radikale, aber folgenlose Resolutionen geben. Im UN-Sicherheitsrat wird die USA zwingende Maßnahmen gegen Israel mit ihrem Veto verhindern, insbesondere falls Donald Trump als Präsident gewählt werden sollte. Für Staaten wie Deutschland, die Israell grundsätzlich unterstüzten, aber auch das Völkerrecht stärken wollen, wird es immer schwieriger, sich glaubwürdig zu verhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

45 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich möchte dem geneigten Publikum gerne diese Einordnung mit vielen weiteren Hintergrund Informationen ans Herz legen:



    steadyhq.com/de/u-...-ab92-577017ad071d

  • "Wenn Raketen der Punkt wäre, soll Israel da gerade den Jemen erobert?"

    Ich gehe davon aus, wenn Jemen Israel in Ruhe lässt, lässt Israel auch Jemen in Ruhe. Wenn Jemen Israel angreift, sehe ich keine Alternative als die der Verteidigung, aber klügere als ich sehen vielleicht andere Wege.

    "Sogar zwischen Frankreich und Deutschland ist Frieden, warum schafft Israel das nicht?"

    In dieser, vermutlich rhetorischen Frage, schimmert bereits die Antwort durch. Israel schafft es nicht, weil es nicht alleine von Israel abhängt.

  • "Der IGH stellte fest, dass Israel damit gegen das Internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung (CERD) verstoßen hat, ..."

    Es fehlt das entscheidende Detail: Der IGH geht von der Verletzung von Art. 3 des Internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung aus. Art. 3 verbietet Segregation und Apartheid. Somit hat sich der IGH klar zur Sache Apartheid, Segregation geäussert.

    • @ecox lucius:

      Um mal auf den Gorilla im Raum hinzuweisen die Frage: Ist das IGH nun wegen Bezugnahme auf diesen Paragrafen antisemitisch?

      • @Rudolf Fissner:

        Das müssten Sie als Experte für Antisemitismus doch eigentlich selbst beantworten können.

      • @Rudolf Fissner:

        Wer zu rasch das Etikett Apartheid auf alles pappt, ist undifferenziert, aber nicht zwingend antisemitisch oder anti-nochwas. Und tut der IGH das?

        Wer mit zu nettem wie zu harschem Maß mäße, nur weil das ja "die Juden" sind, wäre auf seine Art antisemitisch, in beiden Fällen.

        Das wäre jetzt ein weites und durchdiskutiertes Feld, aber in Kürze gibt es Elemente der Ungleichheit und durchs Militär erzwungenen Vertreibung und Trennung, gibt es im besetzten Gebiet etwas wie Bantustans für die ursprüngliche Bevölkerung, dabei ist es recht sicher _nicht gleichzusetzen. Die Gefahr ist dabei schon, dass ein Konzept eines religiös-ethnisch definierten Staats mit der Niederhaltung der anderen Bevölkerungshälfte mal in einer Art Apartheid enden könnte. Auch daher wäre ein zeitnaher kompletter Rückzuga auch für die Seele des Staates Israels sehr heilsam.

  • Der Verzicht auf das Westjordanland bzw. die Golanhöhen hätte meiner Meinung und Einschätzung nach die zeitnahe vollständige Vernichtung Israels und jeglichen jüdischen Lebens in der dortigen Region zur Folge. Aus meiner Sicht kann das kein Gericht der Welt von einem Staat oder Bürgern verlangen. Kein Staat würde sich einem solchen Gerichtsurteil unterwerfen, was ich persönlich richtig finde.

    Wenn Hamas und Fatah sich tatsächlich zusammenschließen, wird das Hoheitsgebiet der Hamas (stellvertretend des Iran), u.a. zu Lasten (wenn vielleicht auch entsprechend dem Wunsch, das kann ich nicht einschätzen) der palästinensischen Menschen, meiner Meinung nach, auf das Westjordanland ausgeweitet.



    Eine aus meiner Sicht sehr unschöne Entwicklung für alle Menschen, die in der dortigen Region leben. Wobei das manche Bürger vor Ort vielleicht anders einschätzen.

    • @*Sabine*:

      Es geht um schnöden israelischen Nationalismus.



      Der Likud spricht schon seit Jahrzehnten von der Unteilbarkeit des Eretz Israel sprach und erklärte, dass es „zwischen dem Meer und dem Jordan“ nur israelische Souveränität geben werde. www.zeit.de/kultur...ung-nahostkonflikt

    • @*Sabine*:

      "Wer am 7.Oktober schwieg und nun laut protestiert, wer am 7. Oktober laut aufschrie und nun stumm bleibt, wer das Hungern von Kindern in Gaza rechtfertigt oder sexualisierte Gewalt gegen israelische Frauen verleugnet, wer Antisemitismus verharmlost oder antimuslimischen Rassismus hinnimmt übt Verrat an den universalistischen Anspruch der Menschenrechte - und trägt nichts dazu bei, den Krieg und das Leid auf beiden Seiten zu beenden."



      Ofer Waldmann, israelischer Aktivist



      Quelle: www.amnesty.de/isr...aza-nahostkonflikt

    • @*Sabine*:

      Es ist kein Verzicht, wenn man sich aus dem Land, dass man illegal belagert, zurückzieht. Man kann auch von Palästinensern nicht verlangen, dass sie die Situation hinnehmen.



      Wenn Israel sich Sorgen um die eigene Sicherheit macht, dann kann es ja um Blauhelme bitten. Aber Netanyahu hat ja auf X klargemacht, dass er die besetzten Gebiete als israelisches Gebiet betrachtet. Von Sicherheit hat er kein Wort gesagt.

      • @Iguana:

        "Man kann auch von Palästinensern nicht verlangen, dass sie die Situation hinnehmen."

        Tun sie ja nicht, wie u.a. der 07.10.23 gezeigt hat.

        "Wenn Israel sich Sorgen um die eigene Sicherheit macht, dann kann es ja um Blauhelme bitten."

        Die Blauhelme sind seit 1978 im Libanon, trotzdem wird Israel vom Libanon aus angegriffen. Das ist kein Vorwurf an die UN, Blauhelme oder andere. Sie tun im Libanon sicherlich alles und das Beste, was ihnen möglich erscheint. Für Israels Sicherheit ist es aber leider nicht ausreichend.

        Ich gehe davon aus, dass es gute Gründe hat, dass auch Länder wie u.a. Jordanien und Ägypten in Gaza oder im Westjordanland nicht aktiv werden bzw. diese Regionen (zurück?) haben wollen.

        "Aber Netanyahu hat ja auf X klargemacht, dass er die besetzten Gebiete als israelisches Gebiet betrachtet."

        Da nach bisherigen Einschätzungen Herr Netanyahu nicht der nächsten Regierung angehören, sondern vermutlich eher im Gefängnis sitzen wird, würde ich das, was er sagt, nicht allzu ernst nehmen.



        Die Herren Sinwar und Haniyya halte ich aus verschiedenen Gründen für mächtiger und sie können nicht abgewählt werden.

    • @*Sabine*:

      "Interessant", bzw. Ihre vielleicht auch recht eigene 'Meinung und Einschätzung'.



      Wie hat Israel eigentlich 1967 den Krieg dermaßen überlegen gewonnen?



      Gibt es da auch nicht noch Atomwaffen und eine extrem aufgerüstete Armee Israels?



      Und auch generell: geht es nicht auch eine Schuhgröße kleiner im Ausdruck?

      Umgekehrt ist es im langfristigen Interesse Israels, durch Recht und Gerechtigkeit aus dem Dauerkrieg hinauszufinden. Wer durch eine UN-Resolution überhaupt erst gegründet wurde, sollte sie sich mal wieder durchlesen, und die aktuellen Rechtsquellen auch.

      • @Janix:

        Ich würde mal sagen, Israel hat 1967 aus denselben Gründen gewonnen, wie es jeden Krieg gewonnen hat.

        Israel kann es sich um den Preis seiner Vernichtung, seines Untergangs, schlicht nicht erlauben, einen Krieg zu verlieren.

        Seine Gegner machen ja kein Hehl daraus, worum es ihnen geht. Um die Vernichtung des jüdischen Staates, um die Vernichtung allen jüdischen Lebens.

        Der feuchte Traum jedes Antisemiten.

      • @Janix:

        " Wie hat Israel eigentlich 1967 den Krieg dermaßen überlegen gewonnen?"

        Im Detail weiß ich das nicht, gehe jedoch davon aus, dass die damalige Unterstützung und Ausrüstung aus anderen Ländern und die waffentechnische Unterlegenheit der gegnerischen Kriegsparteien eine Rolle spielte.



        Des Weiteren konnte Israel "damals" evtl. einen "gewöhnlichen" Krieg führen, was heutzutage, wie wir an Gaza sehen, nicht mehr möglich ist.



        Ebenso denke ich, dass der Präventivschlag 1967 heutzutage nicht mehr möglich wäre.

        "Gibt es da auch nicht noch Atomwaffen und eine extrem aufgerüstete Armee Israels?"

        Ich gehe davon aus, dass der Einsatz von Atomwaffen keine Option ist, da auch Israel (und dessen Freunde (?)) direkt davon betroffen wären. Interessant wird es werden, wenn der Iran über Atomwaffen verfügen wird. Diesbezüglich habe ich keine verbindlichen Informationen.

        Ob die IDF extrem aufgerüstet ist, kann ich nicht einschätzen, finde sie bisher in Gaza allerdings nicht besonders erfolgreich ... die gegnerische Kriegspartei würde, wie ich annehme, die Taktik auch in einem zukünftigen Krieg nicht unbedingt ändern.

        Ihrem vorletzten Satz stimme ich uneingeschränkt zu.

        Keine Zeichen mehr

        • @*Sabine*:

          1967 hat die IDF ohne jede "strategische Tiefe" gegen die bereits sowjetisch aufgerüsteten Ägypten, Syrien und ein bisschen Jordanien in sechs Tagen den Sieg geholt.



          1973 in den neuen Grenzen erst mal nicht.



          Israel ist ab da der Gorilla der Region, der recht ungestraft auf den Territorien der Nachbarn agiert.

          Wenn Raketen der Punkt wäre, soll Israel da gerade den Jemen erobert?



          Wenn ein Imperium die Grenze nach außen schiebt, werden eben die Ränder angreifbar, das wissen wir aus der Geschichte, das hält nicht.

          Was besser hält, ist eine faire Regelung und Verlässlichkeit (und für alle Fälle Militär in der Hinterhand, das aber defensiv wäre).



          Sogar zwischen Frankreich und Deutschland ist Frieden, warum schafft Israel das nicht? Statt die Hamas auszubauen und Arafat bewusst zu demontieren, hätte man ein annehmbares Angebot (d.h. alle Territorien zurück incl. Jerusalem-Ost, symbolische Entschädigung für Vertriebene) machen sollen, dann wären wir heute woanders.

  • Was müsste die deutsche Regierung tun, um für ein Ende des Kriegs zu sorgen?

    Israel zu unterstützen bedeutet nicht Beistand für die israelische Regierung, sondern für die Menschen, die Demokratie und die Zivilgesellschaft. Die Errichtung eines palästinensischen Staates ist eine Vorbedingung für die Zukunft Israels als jüdisch-demokratischer Staat und gehört damit zur berühmten deutschen Staatsräson. Deutschland hat viele Kontakte in die Region und ist in der Lage, die hiesigen gemäßigten Kräfte zu stärken. Dazu muss Deutschland auf die Einhaltung internationaler Beschlüsse bestehen, die die Kriegsausweitung in den Norden und damit einen regionalen Flächenbrand verhindern könnten. Israel, die Hamas und die Hisbollah, ohne sie miteinander zu vergleichen, sind keine Weltmächte. Keine der Parteien könnte noch einen Tag weiterkämpfen ohne den Rückhalt internationaler Kräfte. Diese müssen alles tun, um den Krieg zu beenden, die Geiseln zu befreien, das Massensterben zu stoppen. Die politischen Führungen der Region sind dazu nicht willens oder nicht fähig.



    Ofer Waldmann, jüdisch-israelischer Aktivist

    • @Des247:

      Ich kann Ihnen in allem zustimmen, nur sehe ich die Chance als gering an, gemeinsam mit Hamas zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.



      Eigentlich wäre es ja vernünftig, die gemäßigteren Kräfte auf der palästinensischen Seite zu stärken - ich meine damit in erster Linie eine politische Aufwertung der äußerst geschwächten PA in den Westbanks -, so wie auch die israelische Oppositionsbewegung zu unterstützen ist.



      Jedoch deutet die jüngste Erklärung von Hamas und Fatah zur Zusammenarbeit entweder auf eine Radikalisierung der gemäßigteren palästinensischen Gruppen im Westjordanland hin (was nur verständlich ist mit Blick auf die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik ist) oder auf eine Unterwerfung unter die Ziele der Hamas - BEIDES ist schlecht für einen etwaigen Friedensprozess.



      Da hilft es auch wenig, wenn es in Israel den zivilgesellschaftlichen Kräften gelingen würde, Netanyahus Kriegskurs auszubremsen. Huthi-Drohnen übet Tel Aviv sprechen eine andere Sprache.

  • Noch immer gibt es keine Stellungnahme der Bundesregierung zum IGH Urteil. Ziemlich blamabel.

    • @Karlo L:

      Es gab mal ungeschickte Äußerungen von bedingungsloser Unterstützung, was man gerade bei Netanyahu besser nicht gemacht hätte. Eine gemeinsame EU-Stellungnahme wäre das Beste, die nüchtern Israels Versäumnisse benennt.

      Dass die Siedlung völkerrechtswidrig sind, weiß und vertritt die Bundesregierung allerdings seit 1967.

  • Das wusste man auch als Laie schon vorher.



    Nun, was sind die Konsequenzen hierzulande?



    Wird man Netanyahu mit Klartext statt mit dem Blankoscheck kommen?



    Völkerrecht endlich auch mit Respekt durchsetzen, denn bei Israel hätten wir Hebel.

  • Was sagt es über Israel aus, wenn das Gutachten ignoriert wird, und was sagt es über das Gutachten aus, wenn man es folgenlos ignorieren kann?

    • @Ertugrul Gazi:

      Gutachten sind grundsätzlich keine Urteile und auch Urteile sind international nur schwer durchzusetzen. Putin ist trotz Haftbefehl auch immer noch frei!

      • @GMS:

        Liege ich falsch wenn ich annehme, dass ein solches Gutachten für jeden demokratischen Staat eine Bedeutung haben müsste?

  • Das Gutachten war ja in dieser Form zu erwarten, auch, dass die Richter in dieser Eindeutigkeit Israels Besatzungspolitik mit so großer Mehrheit verurteilen.



    Es lohnt jedoch, auch einmal auf die Nuancen im Abstimmungsverhalten zu den Einzelaspekten zu schauen: in der Forderung, die Besatzung der Palästinensergebiete „sp schnell wie möglich“ zu beenden, mag dem einen oder anderen der IGH-Richter doch geschwant haben, dass DAS nun gerade nicht so einfach durchzusetzen ist - auch wegen der Sicherheitsinteressen Israels und der politischen Kräfteverhältnisse im palästinsischen Lager.

    • @Abdurchdiemitte:

      Schonn. Zum Abs. 2 sag ich bei aller Entscheidungsfreudigkeit begeisterter Anhänger von Kollegialgerichten:



      Gut so! Das macht die Klasse & Souveränität der beteiligten Richter aus!

      unterm—— aus dem Skat—



      Utzte ich mal einen Kollegen Vors. BVerwG (vormals OVG MS;) a ☎️ an!



      “Sie wissen doch wie das ist. Da sitzen wir in der (vor)Beratung - mit unseren “Alpmann-Schmidt Schaltkreisen“ 🙀🥳



      Weicht einer ab - wird’s diskutiert!! Können wir uns nicht einigen - wird abgestimmt & weiter im Text!“

      So geht das



      & Reminiszenz



      Als ein gewisser Gerhard Jahn (Mbg/L - “knapp größer als ein Schweineeimer“ wies in Hesse haast - aber Dunhill die Pfeife!;) den JuMi gab & “der politische Richter“ Rauschen im Blätterwald - FAZ vorweg hervorrief!;))



      Ja damals - wurde ernsthaft über dissenting votes auch bei den Obergerichten (OLG VGH OVG etc) nachgedacht!



      Naja die Wassermannschen Gestalten verschwanden nach Beförderung (bis auf Theo Rasehorn = Xaver Berra “Paragraphenturm“ & Helmut Kramer!;))



      de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wassermann



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Theo_Rasehorn



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Kramer - mit Gruß wherever you are!;))

      • @Lowandorder:

        Danke für die Links … SOLCHE Juristen gefallen mir natürlich. Bin ja selbst kein Jurist, vielmehr politisch reichlich - ich sag’s mal so - vorurteilsbehaftet gegenüber dieser Zunft.



        Insofern: alles was zum Abbau derselben beitragen kann, ist herzlich willkommen.

    • @Abdurchdiemitte:

      Zumindest würde man der Hamas eines ihrer wichtigsten Rekrutierungsargumente nehmen...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aber so langsam müsste doch angekommen sein, dass das vorrangige politische Ziel von Hamas die Zerstörung Israels ist, weniger ein unabhängiger Palästinenserstaat.



        Das bedeutet ja nicht, die völkerrechtliche Anerkennung Palästinas nicht voranzutreiben … insofern begrüße ich auch die Initiative Spaniens, Irlands und Norwegens. Ein wichtiger symbolischer Schritt. Nur: so lange Hamas ihr Unwesen treibt, wird es FAKTISCH keine Zweistaaten-Lösung, also keinen unabhängigen Palästinenserstaat (in welchen Grenzen auch immer) geben.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Aber so langsam müsste doch angekommen sein, dass das vorrangige politische Ziel von Hamas die Zerstörung Israels ist, weniger ein unabhängiger Palästinenserstaat."

          Natürlich will die Hamas nicht nur Israel zerstören, sondern auch einen Staat nach ihrer Vorstellung haben.

          Aber das nur nebenbei. Die Hamas nutzt die israelische Siedlungspolitik für ihre Propaganda und rekrutiert damit Kämpfer. Darauf kam es mir an.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            „Die Hamas nutzt die israelische Siedlungspolitik für ihre Propaganda und rekrutiert damit Kämpfer.“



            Da würde ich Ihnen ja auch nicht widersprechen. Und natürlich lag Gutteres mit seiner historischen und politischen Kontextualisierung der schrecklichen Hamas-Bluttaten vom 7. Oktober seinerzeit absolut richtig.



            Das alles kann nur nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hamas derzeit auf palästinensischer Seite das unüberwindbare Haupthindernis auf dem Weg zur Lösung des Nahost-Komfliktes ist.

        • @Abdurchdiemitte:

          Die Hamas will einen sehr religiös geprägten Staat, das Nationale nehme ich da kaum wahr.



          Wer hinsieht, sieht die Anzeichen, dass auch die Israel in den UN-Grenzen oder sogar mehr anerkennen würden, sich aber das Druckmittel nicht jetzt schon nehmen lassen wollen. Israel hat Palästina ja auch noch nicht richtig anerkannt.

          • @Janix:

            Der Druck auf beide Seiten muss von außen kommen, sonst bewegt sich da nichts in punkto Anerkennung. Die Druckmittel, die dem Westen gegenüber Israel zur Verfügung stehen (und die ja nicht mal ansatzweise ausgereizt sind), sind aus meiner Sicht viel gewichtiger als die Möglichkeiten, Hamas unter Druck zu setzen. Denn wer sollte das tun, etwa der Iran? Wären die westlich-iranischen Beziehungen bessere, wäre das freilich möglich, aber so?



            Nein, ich sehe keine Chance, mit Hamas zu einer Lösung des Konflikts zu kommen - über kurz oder lang sehe ich sogar das Szenario, dass Hamas die Kontrolle auch über die Westbanks erringt. Abbas PA und die Fatah können dann nur noch mit den (radikalislamistischen) Wölfen heulen. Sie tun das jetzt schon. Die jüngste Erklärung von Fatah und Hamas zur Zusammenarbeit kann ja nur eine Radikalisierung der Gemäßigteren bedeuten - oder deren Unterordnung unter die Ziele der Hamas.

  • "all States are under an obligation not to recognize as legal the situation arising from the unlawful presence of the State of Israel in the Occupied Palestinian Territory and not to render aid or assistance in maintaining the situation created by the continued presence of the State of Israel in the Occupied Palestinian Territory;



     international organizations, including the United Nations, are under an obligation not to recognize as legal the situation arising from the unlawful presence of the State of Israel in the Occupied Palestinian Territory" (ICJ, LEGAL CONSEQUENCES ARISING FROM THE POLICIES AND PRACTICES OF ISRAEL IN THE OCCUPIED PALESTINIAN TERRITORY, INCLUDING EAST JERUSALEM, 24-7-19, pp. 1-2 www.icj-cij.org/case/186). Diese Feststellung muss Auswirkungen auf Deutsche Politiken haben, will man nicht das Völkerrecht brechen.

    • @hamann:

      Es ist weder ein Urteil, noch eine fundierte Einschätzung. Es ist nach den Texten des Gerichts (auf der Website nachlesbar) eine "characterization".

      Klar ist, dass daraufhin Leute eine Rechtsfolge ableiten wollen. Dies verneint das Gericht jedoch klar.

      "Diese Feststellung muss Auswirkungen auf Deutsche Politiken haben, will man nicht das Völkerrecht brechen."

      Ist ein moralischer Wunsch, nichts was rechtlich verknüpft wurde.

      Die gegenläufigen Meinungen der Rechtseinschätzung sind relevant, ebenso, dass nicht einmal 80 Länder eine Unterwerfungserklärung bzgl. des IGH abgegeben haben und auch Deutschland diese für beispielhaft deutsche Bundeswehrtruppen im Ausland verneint.

      • @ToSten23:

        Die Unterwerfungserklärung gilt für Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten. Im vorliegenden Fall geht es um ein Rechtsgutachten. Da ergibt sich die Zuständigkeit des IGH aus der UN-Charta.

      • @ToSten23:

        Die vorliegende Advisory Opinion (also sehr wohl eine richterliche Einschätzung) des höchsten internationalen Gerichts richtet sich an die UN-Vollversammlung. Da ein Veto der Vereinigten Staaten im Sicherheitsrat zu erwarten ist, wird es keinen unmittelbaren Zwang gegenüber Israel geben. Allerdings verliert das Land dadurch zunehmend seinen moralischen Anspruch, was den bereits bestehenden Legitimationsverlust weiter verstärkt. Es sei zudem angemerkt, dass die 80 Länder, welche eine Unterwerfungserklärung abgegeben haben, eine beträchtliche Zahl darstellen. Auch Deutschland gehört hierzu. Der Einwand bezüglich der Bundeswehr im Ausland spielt in diesem Kontext keine Rolle. Sollte es je zu einer Begehung von Kriegsverbrechen durch deutsche Soldaten kommen, was natürlich nicht zu hoffen ist, wird dies selbstverständlich ebenfalls vor den Internationalen Gerichtshof gebracht werden.

        • @Karlo L:

          Lies dir die Primärtexte und die "Dissenting Views" durch, dann stellst du fest, dass selbst diese schreiben, dass sie nicht mit den üblichen Burden of Evidence gearbeitet haben.

          Die Dissenting Views, allen voran von Sebutinde machen klar warum die mehrheitliche Meinung der Richter*innen falsch liegt. Die Reaktionen von Presse und dir zeigen, dass die Opinion sehr wohl von Leuten als "genau so ist Recht" gelesen wird "Legitimationsverlust". Dies streitet die Mehrheitsmeinung übrigens ab.

          Die Dissenting Views, sind wesentlich zielführender. Rechtstheoretisch ist die Advisory Opinion keine Glanzleistung. Einem IGH ist sie nicht würdig. Es ist leider, auch im Vergleich zu z.B. dem Urteil vom IGH zum Kongo, ein mit heißer Nadel aus politischen Gründen gestricktes Werk was das BVerwG und BVerfG nicht hingenommen hätten.

          • @ToSten23:

            Eine_s IGHs wäre es nicht würdig, Nebenpunkt.

            Dass Israel wie jeder andere Dauerbesatzerstaat, nicht mehr, nicht weniger, da nichts zu suchen hat und vor allem Siedlungen im besetzten Gebiet blatant Unrecht sind, ist doch für Sie auch keine Überraschung gewesen.

            • @Janix:

              "Dass Israel wie jeder andere Dauerbesatzerstaat, nicht mehr, nicht weniger, da nichts zu suchen hat"

              Richter*innen: TOMKA , ABRAHAM und AURESCU schreiben:

              "1. We had to vote against...points in the final conclusions



              We are indeed not convinced that “Israel’s continued presence in the Occupied Palestinian Territory is unlawful”

              nor that, “Israel is under an obligation to bring to an end its unlawful presence in the Occupied Palestinian Territory as rapidly as possible”"

              Also mit anderen Worten, sind nicht weniger der Richter*innen der Advisory Opinion (was aber in der PR des IGHs nicht aufgegriffen wird) nicht der Meinung die du gerade ausgedrückt hast.

              Auch Richter Iwasawa schreibt:



              "Given its legitimate security concerns, Israel is not under an obligation to withdraw all its armed forces" (auch wegen des genozidalen Angriffkrieges vom 7. Oktober.

              Die VP schreibt gar: "the Court should



              have refrained from rendering the advisory opinion requested.", es hätte gar nicht erst diese Meinung fabriziert werden sollen.

              Auch Richter Yusufs Test schlägt fehl.

              • @ToSten23:

                Sie nehmen Einzelmeinungen, ich bezog mich u.a. auf auch Ihnen bekannte UN-Resolutionen und Völkerrecht wie Siedlungsverbot in besetzten Gebieten. Nur damit Sie nicht noch selbst glauben, Sie hätten da etwas "widerlegt".

  • Sehr guter Bericht, ich habe das ganze live verfolgt und es fehlt tatsächlich kein wichtiger Punkt. Ehrlicher und korrekter Journalismus wie ich ihn mir wünsche. Danke.

  • Mich würde interessieren, wie die vom Beschluss abweichenden Voten begründet wurden.

  • Danke an die 11 Richter 🫶🏼 danke für den Artikel und die Schlussfolgerung!

  • “Gutachten zum Westjordanland



    : IGH sieht Besatzung als illegal



    Israels Siedlungen im Westjordanland sowie das damit verbundene Regime verstoßen gegen internationales Recht, erklärt der Internationale Gerichtshof.“

    Ach was! ©️ Loriot 💯💯💯

  • Natürlich ist das illegal. Die Siedler samt derjenigen, die das billigen, müssen vor Gericht!