Geschichte der Republikaner: Die Grand Old Party ist tot
Trump-Wähler wollen das System brechen. Um das Phänomen zu verstehen, muss man den Weg der Republikanischen Partei in den USA verstehen.
I n der Republikanischen Partei der Nachkriegszeit gab es lange Zeit radikale reaktionäre Strömungen. Die Exil-Soziologen der Frankfurter Schule stellten die autoritären Eigenschaften überraschend breiter Teile der US-Wählerschaft und ihre Anfälligkeit für Demagogie fest. Das amerikanische Zweiparteiensystem zwang sie, sich einer von zwei Parteien zuzuordnen, und die Republikaner waren die naheliegendere Option. Warum?
In seinem 1964 erschienenen Essay „The Paranoid Style in American Politics“ erörterte der Historiker Richard Hofstadter den Hang der Rechten zu Verschwörungstheorien, ihren Verfolgungswahn und Nativismus und die Frage, warum sie einen Kampf zwischen den verhassten globalen Eliten und dem einfachen Volk in fast kosmischen Begriffen beschrieben.
Im selben Jahr kandidierte der republikanische Senator von Arizona, Barry Goldwater, für das Amt des Präsidenten: ein überzeugter Steuerkonservativer und militanter Antikommunist, der die gemäßigten Kräfte seiner eigenen Partei anprangerte, weil sie den Einsatz von Atomwaffen in Vietnam nicht unterstützten.
Goldwater verlor gegen den Demokraten Lyndon B. Johnson, erhielt aber 38 Prozent der Wählerstimmen. Er gewann die Staaten, in denen Trump heute am stärksten ist: Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi und South Carolina – und auch seinen Heimatstaat Arizona. Die Entwicklung der Grand Old Party zu dem Zombie, der sie heute ist, wurde von den aufeinanderfolgenden republikanischen Führungen und von unten immer weiter nach rechts getrieben.
Der oberste Republikaner der 1980er Jahre, Ronald Reagan, strahlte ein Charisma aus, das die giftige Schlagader verbarg: Reagan erhöhte die Militärausgaben, senkte die Steuern für die Wohlhabenden, reduzierte die nichtmilitärischen Ausgaben, etwa für Sozialprogramme, und schränkte die Bundesvorschriften ein – alles Maßnahmen, die die soziale Ungleichheit verschärften.
Die von Reagan und den Republikanern im Kongress durchgesetzten Ausgabenkürzungen führten zu Kürzungen der Hilfen für Familien, bei Medicaid, Lebensmittelmarken, Schulspeisungsprogrammen und Berufsausbildungsprogrammen – alles Programme, von denen unverhältnismäßig viele afroamerikanische Haushalte profitierten.
In den 1990er Jahren beschleunigte sich der Rechtsruck der Republikaner, es setzte sich eine Logik durch, die es den Rechten in der Partei ermöglichte, sich gegenseitig in ihrer Radikalität zu übertreffen.
Gemäßigte Kollegen mussten sich gegen den Vorwurf wehren, liberale Kompromissler zu sein; die Treue zu einer immer extremeren Ideologie wurde zur Nagelprobe des Republikanismus. Von Reagan bis zur Tea-Party-Bewegung der späten 2000er Jahre schlug ein „aufrührerischer Konservatismus“ Wurzeln.
Laut Kritiker Fintan O'Toole wurde der „gewalttätige Hass auf die Regierung zu einer Regierungsagenda“. Der heimtückische Rassismus, der die Partei der Oberschicht lange Zeit begleitet hatte, spiegelte sich in der Verunglimpfung jeglicher Sozialpolitik, der Affirmative Action, der fortschrittlichen Wohnungs- und Bildungspolitik und den Kompromissen mit den Demokraten durch die radikale Basis wider. Die Illusion der Republikaner, so O’Toole, war, dass sie diesen Aufstand an der Basis kontrollieren könnten.
Der endgültige Auslöser für die Implosion der Partei war George W. Bush, der sein Kabinett mit Neokonservativen besetzte, die heute zum Mainstream der Republikaner gehören. Resultat waren die US-Kriege im Irak und in Afghanistan, die die USA 7.000 Menschenleben und 4 bis 6 Billionen Dollar kosteten, den Nahen Osten ins Wanken brachten und es dabei nicht mal schafften, al-Qaida auszulöschen.
Die Kulmination: Trump
Diese katastrophale Entwicklung brachte den wandlungsfähigen Entertainer Donald Trump an die Spitze. Er passte sich den Anforderungen an: ein Nichtrepublikaner, der versprach, den von der Republikanischen Partei selbst geschaffenen Sumpf trockenzulegen. Die Partei selbst wurde zum Objekt von Trumps Verachtung und damit auch das Festhalten der Partei an den Verfassungswerten der Republik. Die verbliebenen Mainstream-Mitglieder der Partei besiegelten ihr Schicksal, indem sie entweder die Partei verließen oder sich dem Aufstand gegen Trump anschlossen, in der Hoffnung, ihn zu überleben.
Republikaner wie Jeb Bush, Scott Walker und Ted Cruz wurden beschuldigt, Verräter oder RINOs (Republicans in Name Only) zu sein. Der Unterschied zwischen Trump und der Bush-Familie, Nikki Haley, Mitch McConnell oder Liz Cheney besteht darin, dass Trump und seine Anhänger im Namen von MAGA offen schwören, das System niederzureißen, das bürgerliche Freiheiten, rechtliche Gleichstellung, demokratische Prinzipien garantiert.
Das Verständnis der MAGAs davon, Amerika wieder groß zu machen, besteht darin, den Staat zu plündern und in etwas völlig anderes zu verwandeln: vermutlich eine isolationistische, weiß-männliche Autokratie, in der die Gerechtigkeit von bewaffneten Zivilisten und den Ultrareichen ausgeübt wird, um ihren Reichtum zu vermehren. Für die weniger gebildeten, einkommensschwachen Amerikaner, die Trump dafür verherrlichen, dass er sich gegen das System auflehnt, das sie im Stich gelassen hat, wird sich das Los noch weiter verschlechtern.
Am 6. Januar 2021 konnte man die Wut des Mobs vor dem US-Kapitolgebäude in Washington, D. C., deutlich erkennen. Es waren nicht nur Demokraten, die dort gelyncht werden sollten, sondern auch der Vizepräsident der Vereinigten Staaten: der Republikaner Mike Pence.
Sowohl Trump als auch Biden werden in diesem November weniger Stimmen erhalten als vor vier Jahren. Ob Trump selbst gewinnt oder verliert, die Grand Old Party selbst ist tot – durch ihre eigene Hand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr