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Geldstrafen für Letzte GenerationDer Zweck legalisiert keine Mittel

Ein Hamburger Gericht hat zwei Mitglieder der „Letzten Generation“ verurteilt. Sie hatten an einer Blockade auf den Elbbrücken teilgenommen.

Am 4. Februar 2022 hatte die „Letzte Generation“ die Elbbrücken blockiert Foto: Letzte Generation

Hamburg taz | Melanie Guttmann hat Fragen. An die Menschheit und an den deutschen Rechtsstaat. Stellvertretend fragt sie Richter Felix Lautenschlager am Amtsgericht Hamburg-Harburg am vergangenen Mittwoch: „Wie gegenwärtig muss die Klimakrise noch werden, damit Handeln dagegen legal ist?“

Der antwortet ihr zwar nicht direkt, verurteilt die Aktivistin und Mitbegründerin der Gruppe „Letzte Generation“ aber zusammen mit ihrem Mitangeklagten Noah B. wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 35 Euro für B. und 15 Euro für Guttmann.

Hintergrund ist eine Aktion vom 4. Februar 2022, eine der ersten Blockaden der Klimaschutzgruppe in Hamburg. Mit sechs weiteren Personen sollen die beiden Ak­ti­vis­t*in­nen die fünfspurige Straße auf den Elbbrücken blockiert haben und so kurz vor 8 Uhr morgens einen Stau im Berufsverkehr verursacht haben. Das räumen beide gleich zu Beginn des Prozesses bereitwillig ein.

Und sie erklären auch, was sie dazu bewogen hat. Melanie Guttmann erwähnt den aktuellen Bericht des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC), wonach das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen ist und globale Klima-Kipppunkte bald überschritten werden könnten. „Das heißt, wir haben nur noch wenige Jahre Zeit um den globalen Kollaps zu verhindern“, betont die Aktivistin. Legale Protestformen seien nicht geeignet, um dieser Dringlichkeit zu begegnen, findet Noah B. „Unser Protest muss unignorierbar sein“, sagt er. Das gelinge besonders gut, wenn man den Alltag der Menschen störe.

Ein Polizist und zwei Autofahrer als Zeugen

Wie lange diese Störung gedauert hat, wollte die Staatsanwaltschaft genauer wissen, deswegen hat sie einen Polizeibeamten und zwei betroffene Autofahrer als Zeugen geladen. Die Autofahrer berichten, dass sie ungefähr eine halbe Stunde aufgehalten worden seien. Beide seien deshalb zu spät zur Arbeit gekommen, erzählen sie.

In der Verhandlung geht es dann vor allem darum, wie die Teilnahme an der Blockade juristisch zu bewerten ist. Sven Boldt, Verteidiger des Angeklagten Noah B., beantragt Freispruch. Der Rechtsanwalt argumentiert, dass die Blockade vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt gewesen sei. Eine Nötigung sehe er nicht als gegeben an, weil der Protest friedlich und ohne physische Gewalt vonstattengegangen ist. Außerdem sei der Protest aus Sicht des Anwalts nur im Hinblick auf das Ziel, in diesem Fall die versuchte Verhinderung der Klimakatastrophe, zu beurteilen und dieses sei „nicht verwerflich“.

Das sieht der Vorsitzende Richter anders. Er findet zwar, dass „Klimaschutz ein Ziel von herausragender Bedeutung“ ist, hält die Blockade von „Hunderten von unbeteiligten Autofahrern“ aber nicht für angemessen. Er ermahnt die Aktivist*innen, dass es ihnen nicht zustehe, in die Bewegungsfreiheit Unbeteiligter einzugreifen. Maßnahmen für den Klimaschutz müssten immer noch im Rahmen demokratischer Prozesse entschieden werden, so der Richter.

Zum Schluss gibt er den Ak­ti­vis­t*in­nen noch strategische Tipps. Er erkenne an, dass es bei den Aktionen der Letzten Generation darum gehe, Aufmerksamkeit zu generieren, findet aber, es gebe andere Protestformen, die „nicht so viele Leute verärgern, die eigentlich hinter ihnen stehen“.

Melanie Guttmann überrascht die Verurteilung nicht, doch die Begründung ärgere sie, sagt sie nach Prozess­ende. Sie erwähnt eine Umfrage des NDR, wonach die meisten Befragten die Protestform der Letzten Generation zwar ablehnen, sich aber mehr Klimaschutz wünschen. Das zeige, dass die Gruppe alles richtig mache, denn „wir müssen Proteste machen, die aufregen“, so Guttmann.

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18 Kommentare

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  • Man nennt so etwas Rechtsstaat, und dich finde ihn gut.



    Auch die LG darf sich nicht über Gesetze stellen. Und wer glaubt unser Staat halte sich nicht an aktuelle Gesetze, soll vor das Gericht ziehen und schauen, wer Recht hat.

    • @Rudi Hamm:

      Lol! Und wo hält sich bitte die Regierung an das Recht? Völkerrecht? Grundgesetz? Klimaschutzgesetz? Ziviler ungehorsamen ist die Essenz der Demokratie!

      • @Florian Henig:

        Eine unabhängige Justiz ist die Essenz einer Demokratie.



        Und wer immer meint die Regierung hält sich nicht an gültiges Recht, kann dieses Recht einklagen.

  • Wenn ich jeden Montag das dumme Gebrüll der Rest-Querdenker in Wesseling bei Köln hören muß (eigenartigerweise vom Ordnungsamt genehmigt) dann bin ich auch unbeteiligt und werde maximal gestört in meiner inneren Ruhe.



    Und das ist dann legal?



    Und wenn man im Stau steht weil ein Tiefflieger einen Kleinpimmel im Berufsverkehr gerammt hat, dann bekommen die auch 40 Tagessätze?



    Und wenn ich eine halbe Stunde zu spät komme weil die DB mal wieder Störungen hatte, muss Wissing dann 40....



    Fragen über Fragen

    • @Tz-B:

      In zweiter Spur parken kann durchaus härter bestraft werden als bisher. Ebenso könnte grobe Fahrlässigkeit beim Herbeiführen eines Unfalls besser als solche ermittelt und härter bestraft werden.



      Aber das alles ist ganz anders als die bewusste, absichtliche Blockade des Verkehrsweges.

  • Sieht man, wer sich über die Blockaden ärgert, sieht man, dass die LG richtig liegt. Und sieht man, dass sich in diesem Falle manche Autofahrer*nnen so ärgern, dass sie mit teils gewalttätigen Übergriffen reagieren, dann muss man im Prinzip sogar fragen, ob es eine so gute Idee ist, Leute Auto fahren zu lassen, die ihre Impulskontrolle schlecht regulieren können.



    Trotzdem hab ich den zunehmend den Eindruck, dass die LG ihre Kampagnen anders gestalten sollte, denn mitunter kommt das schon sehr überheblich und auch schwachsinnig rüber. Gerade das Beplörren von Gebäuden mit Farbe, die nur mit viel Wasser und chemischem Extragedöns abgeht, scheint irgendwie nicht so richtig zum Thema Klimaschutz zu passen.

  • Guter Richter!

    Will die Letzte Generation stören oder Veränderung herbeiführen? Vermutlich beides, aber sie erreichen leider nur das erste, da sie für das zweite die Menschen bräuchten, die sie verärgern.

    Es wäre gut, wenn wir alle an einem Strang ziehen würden.

    • @Tiefling-Hexer:

      Guter Kommentar!

  • Ja, besser ein paar Autofahrer kommen pünktlich ur Arbeit, als das die Enkelkinder noch eine lebenswerte Welt vorfinden. So wurde mir auch das Leben erklärt.

    Diese Justitzbeamten haben für mich gar keinen Argument,selber überhaupt ernst genommen zu werden.

    • @Thing T. Thing:

      Sie tun so, als ob es eine entweder-oder Entscheidung ist. Ist aber eher weder-noch. Jetzt sind weder die Autofahrer pünktlich zur Arbeit gekommen noch ist die lebenswerte Welt für die Enkel einen Millimeter näher gerückt. Stattdessen wurden im Stau und durch Umwege mehr CO2 ausgestoßen als ohne den Protest. Der Protest in dieser Form ist nun mal offensichtlich total sinnlos.

  • 4G
    42798 (Profil gelöscht)

    „Don’t shoot the messenger“

    Protest muss stören, um gehört zu werden.

    • @42798 (Profil gelöscht):

      Die Frage ist aber, wen und wie.

  • Manchmal muss man Richtern großen Respekt zollen. Es ist eben ein Problem, dass die Straftäter viele Bürger so verärgern, dass für sie das Problem des Klimaschutzes gegenüber dem EIngriff in ihre persönliche Freiheit nicht mehr an erster Stelle steht. Zusätzlich produzieren die Staus nochmal zusätzliche Abgase.

    Im Allgemeinen darf man noch hinzufügen, dass die Polizei und die Gerichte bedingt durch die Vorgaben des Gesetzgebers mit den Blockierern übermäßig sanft umgehen. Übergriffige Autofahrer werden dagegen streng bestraft.

  • „Hunderten von unbeteiligten Autofahrern“



    Die sind ja nicht unbeteiligt, ganz im Gegenteil. Wie schlecht ist Hamburgs ÖPNV denn, dass man dort unbedingt mit dem Auto fahren muss?

    • @Tetra Mint:

      In Berlin wird auch der ÖPNV blockiert.

      Da stehen dann auch die Busse im Stau.

      Zudem können es sich die Lkws auch nicht aussuchen.

      Die Warenlieferung für einen Supermarkt lässt nun mal schlecht mit der U-Bahn transportieren.

      Insofern hat der Richter schon recht.

  • Guter Richter.

    • @DiMa:

      schlechter Richter da er offenbar StGB240 nicht versteht.



      "Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel" muss vorliegen damit etwas Nötigung sein kann. Ein Stau ist dadurch nicht erfasst. Der Möglichkeit Stau setzt sich jeder Fahrer selbst jeden Tag aus in dem Moment in dem er sein Auto betritt aus. Die Fahrer nötigen sich hier höchstens selbst.

      • @Jasmin Reeh:

        Da verkennen Sie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu 240 StGB, eine Rechtsprechung, die älter ist als das Phänomen der Klimakleber.