Gedenken an erschossenen Jugendlichen: Einer, der alles verloren hat

In Dortmund nehmen hunderte Menschen Abschied von Mouhamed D. Am Montag war der 16-Jährige von einem Polizisten getötet worden.

Viele Personen tragen einen Sarg

Trauer um Mouhamed D. vor einer Moschee in Dortmund am 12. August Foto: Roberto Pfeil/dpa

DORTMUND taz | Rund 400 Menschen haben am Freitagnachmittag an einer Trauerfeier für den 16-jährigen Mouhamed D. in einer Dortmunder Moschee teilgenommen. Der Jugendliche war am Montag von einem Polizisten erschossen worden. Unter den Anwesenden der Gedenkfeier war auch der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD).

Nach dem Trauergebet äußerte Westphal im Hof der Moschee „tiefe Trauer“ und Verständnis „für alle, die nach dem Polizeieinsatz aufgewühlt sind.“ Gleichzeitig appellierte er, das Vertrauen in die Polizei nicht zu verlieren. „Wir wissen noch nicht, was genau passiert ist“, sagte Westphal. Ver­tre­te­r:in­nen muslimischer und afrikanischer Vereine aus Dortmund forderten eine schnelle Aufarbeitung des Einsatzes, zu dem noch immer viele Fragen ungeklärt sind.

„Wir bitten den Staat darum, alles daranzusetzen, dass die Wahrheit ans Licht kommt“, sagte Abduramane Djaló, Imam der afrikanischen Kulturgemeinde in Dortmund. Gleichzeitig bemühten sich die Spre­che­r:in­nen verschiedener religiöser Gemeinden, die seit dem Polizeieinsatz bedrückte und dennoch aufgeladene Stimmung in der Dortmunder Nordstadt nicht weiter aufzuheizen. Ahmad Aweimer, Sprecher des Rates der muslimischen Gemeinden in Dortmund, sagte, es sei „Teil unserer Aufgabe, zu deeskalieren.“ In der aktuellen Situation verbiete er sich jeglicher Schuldzuweisungen: „Die Justiz muss jetzt ermitteln.“

Mouhamed D. war nach Angaben der Stadt Dortmund im April allein nach Deutschland gekommen und sechs Tage vor seinem Tod von Mainz nach Dortmund gezogen. Er stammt aus dem Senegal und hatte sich von Mali aus auf den Weg nach Deutschland gemacht. Auf der Flucht ertrank sein jüngerer Bruder im Mittelmeer. Seine Eltern sind bereits vor einigen Jahren gestorben. Mouhamed D. kämpfte seit seiner Ankunft mit psychischen Problemen und äußerte wohl mehrfach Suizidgedanken.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an

Ein Betreuer seiner Wohngruppe in der Dortmunder Nordstadt hatte am Montag die Polizei verständigt, weil Mouhamed D. in dem eingezäunten Hof der Einrichtung mit einem Messer hantierte. Schon während des Notrufs soll der Betreuer eine Suizidgefahr geäußert haben, da der 16-Jährige noch am Wochenende zuvor auf eigenen Wunsch in einer psychiatrischen Klinik war. Daraufhin rückte die Polizei mit elf Be­am­t:in­nen und einem Krankenwagen aus.

Mit dem Einsatz von Reizgas und Tasern versuchten sie, Mouhamed D. zu beruhigen. Nach Darstellung von Polizei und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) griff der Jugendliche die Po­li­zis­t:in­nen mit dem Messer an, woraufhin ein Beamter den 16-Jährigen mit fünf Schüssen in den Oberkörper aus einer Maschinenpistole tötete. Zum genauen Ablauf und der Frage, welche Gefahr von Mouhamed D. kurz vor seinem Tod für die Be­am­t:in­nen ausging, ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Mit Drohnen und Kameras vermaßen Be­am­t:in­nen der Kriminalpolizei am Freitagvormittag für mehrere Stunden den Tatort und rekonstruierten den Verlauf des Einsatzes. Erste Ermittlungsergebnisse will die Staatsanwaltschaft in „drei bis vier Wochen“ verkünden. Nachdem am Dienstag und Mittwoch bereits Demonstrationen vor der Polizeiwache Nord in Dortmund stattgefunden hatten, versammelten sich im Anschluss an die Trauerfeier am Freitagnachmittag mehrere hundert Menschen auf dem Friedensplatz vor dem Dortmunder Rathaus.

Initiativen fordern schnelle Aufklärung

Mit „Justice for Mouhamed“-Sprechchören und Redebeiträgen forderten sie eine schnelle Aufarbeitung des tödlichen Einsatzes und warfen der Polizei vor, dass der Tod des Jugendlichen hätte vermieden werden können. Am Montag soll Mouhamed D. beerdigt werden. Am selben Tag soll erstmals außerhalb von Dortmund eine Demonstration anlässlich des Falls stattfinden: In Leipzig hat die Initiative „CopWatch“ für Montag zu einer Kundgebung gegen Polizeigewalt aufgerufen.

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