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Geburtenrate ist gesunkenZu viele Krisen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Gegen den Geburtenrückgang ließe sich viel tun. Die Politik hat mit Elterngeld und Kitaausbau zwar viel angestoßen, muss jetzt aber nachlegen.

Die Geburtenrate ist auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen Foto: Felix Kästle/dpa

M anche Boomer würden sicher gern Großeltern werden. Aber ihre Kinder, die heutigen jungen Menschen, verweigern sich. Im Herbst 2023 bekamen Frauen in Deutschland dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zufolge durchschnittlich 1,36 Kinder. So wenig wie seit 14 Jahren nicht mehr.

Seitdem fragen sich Ex­per­t:in­nen (und auch manche Boomer), was mit den jungen Frauen und Männern los ist? Haben die keinen Bock auf Verantwortung? Wollen lieber ewig Party machen? Oder treibt sie eine Angst um, die sich aus den vergangenen Krisenjahren mit Erderhitzung, Corona, Wirtschaftskrise und Kriegen speist? Das sind Gefahren und Einschnitte ins Leben und in den Alltag, die Boomer in dieser Intensität nicht kennen. Dabei sind die Älteren nicht krisenunerfahren. Nicht wenige von ihnen wollten vor 30 und 40 Jahren selbst keine Kinder „in diese Welt setzen“. Die Gründe damals waren ähnliche, Umweltzerstörung, Kriege, eine unsichere Zukunft.

Die aktuellen Ängste der Jungen sind also nicht so weit weg von den früheren Ängsten der Alten. Mit dem Unterschied, dass soziale und berufliche Instabilität, Klimakrise, Wohnungsmangel, kurz: Unsicherheiten, wohin man schaut, heute stärker ausgeprägt scheinen als in den Boomer-Jugendjahren.

All das versuchen De­mo­gra­f:in­nen und So­zio­lo­g:in­nen zu verstehen. Ob der aktuelle „Babyknick“ die geeigneten Antworten liefert, ist fraglich. Denn der untersuchte Zeitraum ist viel zu kurz, um daraus eine haltbare These und sogar einen Trend abzuleiten. Selbst manche Boomer, die der Zukunft damals abgeschworen hatten, bekamen früher oder später doch Kinder.

Die richtigen Weichen sind gestellt

Das muss zwar jetzt nicht so sein, jüngere Menschen erlebten in den vergangenen Jahren eine zu dichte Krisenabfolge. Aber wer weiß schon heute, ob sie sich davon nicht erholen – und ihre Lebensplanung ändern? In Umfragen geben junge Menschen jedenfalls an, sehr gern Kinder haben zu wollen, manche sind sich sicher, sogar mehr als ein Kind bekommen zu wollen.

Dabei kann ihnen geholfen werden. Die Familienpolitik in Deutschland hat mit dem Elterngeld, den Vätermonaten und dem Kita-Ausbau vor Jahren die richtigen Weichen gestellt. Wer in der intensiven Familienphase finanziell abgesichert ist, sich die Betreuungsarbeit gerecht aufteilen und mit einem Kita-Platz rechnen kann, ist eher geneigt, Ja zum Kind zu sagen.

Kämen jetzt noch die Familienstartzeit und mehr Teilzeit für Väter hinzu, mehr Aufstiegsmöglichkeiten und Führungspositionen für Mütter, eine bessere Bezahlung in den prekären „Frauenberufen“ und ein Wohnungsbauprogramm, das den Namen verdient, wäre das ein wichtiges Signal an junge Menschen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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16 Kommentare

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  • Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Menschen auf Grund besserer Bildungschancen mittlerweile der enormen Verantwortung bewusst sind, die es bedeutet, ein oder mehrere Kinder zu bekommen.



    Ein Kind auf das Leben vorzubereiten und es auf dem Weg zu begleiten, ein glücklicher, zufriedener, angstfreier, wohlwollender Mensch zu werden, die Herausforderungen des Lebens zu meistern, die Ansprüche an ein menschliches Leben, ist eine so ungeheuer anspruchsvolle Aufgabe, die ich selbst mir zugegebenermaßen nie zugetraut habe.

    Ebenso finde ich die Entscheidung angesichts der, meiner Meinung nach, Überbevölkerung der Erde grundsätzlich gut. Ich wünsche mir eine Erde auf der weniger Menschen leben und Platz für Tiere und Pflanzen, Natur, bleibt. (Beispiele aus Deutschland: Ahrtal, schade, dass dort noch/wieder Menschen leben müssen und wir es nicht "der Natur" zurückgeben können. Wölfe, bedauerlich, dass wir sie in Teilen töten wollen/müssen. U.v.m.)

  • So groß hier manchmal der Ressourcenverbrauch ist (ich braaauuuche aber Autos, Flüge, Steaks und groooßes Haus), müssen wir aus Gesamtsicht doch froh sein, wenn nicht noch Bevölkerungswachstum hierzulande draufkäme.



    Woran wir arbeiten könnten, ist Bildung statt teurer Zuschüsse an BMW-Klatten & Co. und nur Aus-bildung.

    • @Janix:

      Bildung funktioniert am besten mit Bildungswilligen. Ich kenne viele trotz unseres Bildungssystems hochgebildete Menschen.

      • @Erfahrungssammler:

        Ich verkürze auf: sind doch selbst schuld??



        Was wie bei Vermögen etc. nur leider offensichtlich nicht von den Zahlen getragen ist.



        Wir erlauben uns soziale Selektion, dulden schlechte Deutschkenntnisse, stecken das Geld nicht mal in saubere Schultoiletten und gedämmte Gebäude, sondern in Lindner-Zuschüsse für die absterbende wie umweltschädliche Autoindustrie?!?



        Wir bezahlen Bul**hitmanagers höher als Kindererziehers. Was ist wichtiger?



        Natürlich kann man sich Bildung auch aneignen, und das sollten alle, Eltern wie Kinder. Wir sollten aber auch endlich den Nichtakademikerkindern genau dieselben Chancen zu echter Bildung geben (also mehr als Ausbildung).

  • Konfuzuis sagt:

    Wer nicht langfristig denkt, wird kurzfristig Schwierigkeiten kriegen -- mit Sicherheit.

    • @Kommen Tier:

      Die Quelle hierfür wäre ...?



      Xìei-Xìei!

  • Die Geburtenrückgänge sind unbestritten, nur habe ich an den aufgeführten Gründen erhebliche Zweifel. Krisen sind schön und gut.

    Ich unterstelle nachfolgenden Generationen jedoch eher ganz erhebliche Bindungsprobleme. Die Bereitschaft, die für eine Bindung notwendigen Kompromisse einzugehen sinkt zunehmend, Selbstoptimierung und Selbstbezogenheit steigen, Tinder und Pornos sorgen für das Übrige. Jeder ist auf der Suche und keiner findet mehr den passenden Partner. Heiraten ist eh out und die Angst, verlassen zu werden ist hoch.

    Die im Artikel genannten Forderungen sind daher aus meiner Sicht möglicherweise alle schön und gut, nur halt vollkommen ungeeignet die Geburtenrate massgeblich zu erhöhen.

  • Kinder haben und gut betreuen ist in unserer Gesellschaft ganz schön anspruchsvoll. Ich kenne eigentlich keine junge Familie die nicht dicht am Limit ist. Sobald dann irgendwas Fundamentales wackelt, wird es richtig chaotisch und geht direkt ans Eingemachte. Seien es Wohnungsverlust oder auch einfach nur gesteigerter Platzbedarf, berufliche Umorientierung, kriselnde Partnerschaft, gesundheitliche Herausforderungen oder sonstwas.

    Mit herzlos ökonomischem Blick sind Kids das Paradebeispiel der systemischen Schiefe und Ungerechtigkeit. Jahrelange individuelle Mühen, Hingabe, Verantwortung und Investition der Eltern. Hingegen vom Ertrag des erwirtschafteten Humankapitals ungleich weniger exklusiv an die Eltern zurückfließt.

    Unsere Rentenabsicherung geknüpft an die Lohnarbeitsleistung ist eines der maßgeblichen gesellschaftlichen Instrumente der Umverteilung hinzu kinderarm/kinderlos. Mir fällt kaum ein Bereich ein wo Familien nicht benachteiligt sind

  • kinderkriegen ist für viele frauen immer noch der sichere weg in die altersarmut.



    partnerschaften gehen auseinander, noch mehr alleinerziehende; der ausbau der krippen, kitas, aufstockung sowie bessere ausbildu g des personals dort; gleiche chancen für alle kinder in den schulen kommen+kommen nicht voran; die mieten weiter exorbitant hoch.



    klima wird+wird nicht besser, rüstung boomt.



    nee, wenn ich nochmal jung wäre, würde ich mich wieder wie schon damals gegen kinder entscheiden, auch wenn's innerlich wehtut.

  • Vielleicht verzichten ja auch einige Menschen auf (eigene) Kinder, weil sie nicht dazu beitragen wollen, dass die Weltbevölkerung immer weiter wächst.

  • Ich glaube, die Grundannahme stimmt nicht.



    Bisher hat sich in vergangenen Kriegen und Unglücken gezeigt, dass diese meistens sogar mehr Geburten nach sich zogen.

    Der größte Unterschied wird sein, dass Frauen sich heutzutage aussuchen können, ob sie Kinder bekommen, was gut und richtig ist.







    Da die Gesellschaft allerdings noch individualistischer geworden ist, haben viele auch kein größeres Netz aus Leuten, die spontan auf das Kind aufpassen können und unser Staat garantiert keine kostenlosen Kita-Plätze.

    Auch müssen sich Frauen ständig anhören, dass ihre Karriere und Zukunftschancen mit jedem Kind stark in Mitleidenschaft gezogen werden, während sie von jeder Seite kritisiert werden à la "Du bleibst lange zuhause? Wie unemanzipiert von dir!" / "Du gehst schon wieder arbeiten? Wie frech von dir, die Kinder allein zu lassen!"

    Das Hauptproblem ist meines Erachtens finanzieller Natur. Wenn Frauen Pech haben, gehören sie schnell zu den Alleinerziehenden und rutschen in die potenzielle Armut ab. Früher mussten Frauen einfach damit leben, heute entscheiden sie sich vielleicht lieber, das gar nicht erst zu riskieren.

  • "sogar mehr als ein Kind bekommen zu wollen." muss Frau sich leisten können.

    Elterngeld, Vätermonate, Kita-Ausbau hilft ein wenig. Genügend bezahlbarer Wohnraum, vielleicht gar die Erfüllung des Traums von Wohneigentum für Familien auch.

    Drohende Altersarmut durch die aus der Erziehung von ein oder "sogar" mehreren Kindern folgende Aufgabe eienr Vollzeiterwerbstätigkeit über 1 bis 2 Jahrzehnte: Das ist ein Faktor, der von der Politik in den letzten 60 Jahren nicht berücksichtigt wurde.

    Erziehungsarbeit genau im gleichen Maß wie Erwerbstätigkeit rententechnisch zu berücksichtigen: Das wäre mal ein großer Wurf in der Familienpolitik. Aber sowas geht ja gar nicht.

  • Wie machen das eigentlich die Amerikaner, so fast ohne jede Unterstützung für Eltern?

    Ist es nicht vielleicht doch auch ein wenig Einstellungssache? Wenn man erwartet, dass Staat und Gesellschaft einem den Großteil abnehmen und man nur unter dieser Voraussetzung die Mühe, Kinder zu bekommen, auf sich nehmen will…

  • "...heute stärker ausgeprägt scheinen .."



    Das Zauberwort ist scheinen.



    Es scheint auch so zu sein, dass heute alle Krisen durch das Sozialmediadings und überhaupt Mediadings wesentlich präsenter sind und dementsprechend mehr wahrgenommen werden.

    "Kämen jetzt noch die Familienstartzeit und...."



    Stimmt irgendswie. Aber wenn man mal in einem Gedankenexperiment die Verbesserungen der letzten 40 Jahren wegstreicht, dann kann man heute überhaupt nicht mehr verstehen, warum damals Kinder geboren wurden. Eigentlich müsste das Aussterben kurz bevor stehen.

    Weitere gesellschaftliche Änderungen müssen kommen, bzw. sich durchsetzen. Aber es gibt so ein Gefühl, es scheint so zu sein, dass es in 30 Jahren wieder einen Text geben wird, in dem Fortschritte gefordert werden, ohne die das Problem unlösbar bleibt. Es gibt immer was, das noch fehlt. Aber dann wird alles gut. Bestimmt.

    • @fly:

      Alle Verbesserungen der letzten 40 Jahre können nicht die negativen Veränderungen ausgleichen.

      Wie viele Einkommen waren zu der Zeit, in den Meisten Haushalten ausreichend, um eine Familie zu ernähren?

      Natürlich ist es gut wenn Frauen häufiger erwerbstätig/unabhängig sind. Nur hat diese Entwicklungeben nicht Schritt gehalten, mit der Anzahl an vefügbaren Kitaplätzen.

      Wie haben sich die Reallöhne seit dem entwickelt?

      Vor allem im Verhältniss zu den Lebenserhaltungskosten in den Ballungsgebieten?

      Wer konnte sich alles ein eigenes Haus leisten damals?

  • So als Boomer im weitesten Sinne Jg.1965 kann ich die jungen Leute sehr gut verstehen, alles was gesichert ist sind die kommenden Zumutungen, weil sich vor allem die Politik der Lösung der echten Probleme (Demographie, Steuer- und Abgabengerechtigkeit, Klimawandel etc.) konsequent verweigert.



    Ich möchte auch kein Kind sein heutzutage, da fängt der Druck ja schon im Kindergarten an.



    Als ich gestern in ÖR TV gesehen habe, dass es in Berlin wegen Politikversagen zu wenige Plätze an weiterführenden Schulen gibt und 12 jährige für eigentlich überflüssige Aufnahmetests büffeln müssen, konnte ich das kaum fassen. Wo sind wir hingekommen, streicht den politisch Verantwortlichen wegen Arbeitsverweigerung alle Leistungen und steckt das Geld in die Schulen.



    Wer kann potentiellen Eltern angesichts einer solchen durch Ignoranz und Unfähigkeit und nicht etwa unabwendbare äußere Einflüsse wie Krieg u.ä. verursachten Lage, verübeln auf Kinder zu verzichten?