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Gaskrise und soziale VerwerfungenEin Deckel für die Energiepreise

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die hohen Kosten für Heizung und Strom treffen die Mitte der Gesellschaft. Der Staat muss die Preise deckeln – sonst drohen arge soziale Verwerfungen.

Wer wenig Geld hat, fürchtet sich vor dem kommenden Winter Foto: Christian Ohde/imago

D ie Lage ist sehr ernst: Städte bereiten Wärmehallen vor für Menschen, die sich das Heizen im Winter nicht mehr leisten können. Das ist keineswegs übertrieben. Denn das Grundbedürfnis zu erfüllen, in der eigenen Wohnung nicht zu frieren, könnte in Deutschland in wenigen Monaten für viele nicht mehr finanzierbar sein. Wenn sich die Energiepreise verfünf-, versieben- oder gar verzehnfachen, wird Heizen zum Luxus. Schon jetzt ist die Lage für Menschen mit wenig Geld angesichts der bereits erhöhten Kosten prekär. Der Staat muss Energieversorgern das Abstellen von Heizung und Strom wegen nicht beglichener Rechnungen verbieten. Das ist überfällig, reicht aber nicht.

Die zu erwartenden explodierenden Preise treffen die Mitte der Gesellschaft. Der Staat kann sie mit Zuschüssen allein nicht auffangen, er muss an das Grundproblem: den Preis. Die Bundesregierung muss so schnell wie möglich einen Preisdeckel für Energie auf den Weg bringen. Dass der Staat viel Geld in die Hand nehmen muss, um die Folgen der Preisexplosion zu dämpfen, ist keine Frage. Er sollte es klug machen und nicht einfach nur versuchen, die Auswirkungen abzufedern. Es gibt genug überzeugende Vorschläge wie den der DGB-Vorsitzenden Yasmin ­Fahimi, wie ein Gas- und Strompreisdeckel funktionieren kann: zum Beispiel mit einem festgelegten, preisgedeckelten Grundbedarf. Wer mehr verbraucht, muss die exorbitanten Preise zahlen.

Ohne einen Deckel riskiert die Bundesregierung soziale Verwerfungen, wie es sie seit der Nachkriegszeit nicht mehr gegeben hat. Die einen müssen ihre Rücklagen aufbrauchen, andere gehen verschuldet aus der Krise. Hinzu kommt die Inflation, die durch hohe Energiekosten angefacht wird – und eben durch eine Preisgrenze in Schach gehalten werden kann. Wenn der Bäcker extrem hohe Energiekosten nicht weitergeben muss, wird auch das Brot nicht teurer.

Aber: Die Bundesregierung lehnt bislang einen Preisdeckel ab. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sagt, eine Deckelung wäre ein falsches Signal, weil die Menschen dann nicht sparsam wären. Das ist ein absurdes Argument von einem Minister, dessen Regierung gerade einen Tankrabatt fürs Autofahren zahlt. Vor allem ist es zynisch, denn auch mit einem Preisdeckel wird es für alle teurer. Die Botschaft, dass Energie ausgesprochen kostbar und deshalb sorgsam zu handhaben ist, ist mit der Anhebung der Abschlagszahlungen für Strom und Gas in den meisten Haushalten doch längst angekommen.

Wer wenig Geld hat, denkt mit großer Furcht an die Energieabrechnung im Herbst – und da geht es noch gar nicht um das, was zu astronomischen Preisen im Winter verbraucht wird.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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19 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Das war ein Vergleich. Ich schrieb: "(vgl. Wohngeld, das die Hauseigentümer zu dankbaren Transferleistungsempfänger*innen gemacht hat)."

    Also: zuerst die Klammern, die auf einen Seitenzweig schon hinweisen. Dann "vgl.", gängige Abkürzung von "vergleiche".

    Was beide Fälle miteinander verbindet? Konsumsubvention für nicht oder nur schwer entbehrliche Güter ist immer eine Preissubvention für die Verkäufer.

    Ich hätte gedacht, das sei Ihnen klar. Sie tun ja sonst immer so wirtschaftlich.

  • Ihr seid alle so gemein. so gemein zu der armen, armen Wirtschaft. Was soll die denn sonst noch alles machen.



    Teures Gas/Energie anbieten, meist minderbezahlte Jobs, .... da wird man wohl doch noch erwarten dürfen, dass der Staat zuerst an dieses kleine Pflänzchen denkt.

    Und neue Kredite vergibt, natürlich ohne Mitspracherecht (nicht dass das noch die anderen armen in der Wirtschaft, die armen, armen Investoren).

    wir müssen uns auch mal bissel für die Wirtschaft stark machen können. Die brauchen doch die Milliarden an Gewinnen um nur ansatzweise überleben zu können. Woher soll der, dritte im Bunde, arme, arme Manager denn sonst sein paar Milliönchen an Gehalt herbekommen.

    Ihr seid so gemein.

    Ich finde es fast schon gut, wenn der deutsche Staat in die Presche nun springt und Uniper helfen will. Das nachdem 1. der finnische Staat eine weitere Beteiligung schon abgelehnt hat und 2. vom armen, armen Mutterkonzern der erst letztes Jahr noch Gewinn im Milliardenbereich verkündete (insbesondere durch Uniper). Da muss nun der deutsche Staat helfen, ich sehe da auch keine andere Möglichkeit. Nicht das Fortum noch noch weniger Milliarden Gewinn verkünden muss. Das wäre ja schrecklich.

    *kanneinoderzweiSpurenvonSarkasmusenthalten*

    Gewinne privatisieren, Leichte Unkosten direkt sozialisieren....unfassbar

  • Wer bezahlt eigentlich diesen "Deckel"?



    Putin sicher nicht, alle anderen Gaslieferanten auch nicht. Also zahlt der Staat und somit wir diesen "Deckel".



    Der Deckel ist also kein Deckel sondern rechte Tasche, linke Tasche.

    • @Rudi Hamm:

      Nope. Wenn Europa das in einer konzertierten Aktion macht und ein preisliches Limit für abgenommenes Gas festlegt, kann das funktionieren. Man kann die Gasfelder in Russland nicht einfach zudrehen und auch die ganzen Mengen nicht so ohne weiteres Verbrennen, wenn die Abnehmer ausfallen.

  • Woher kommen eigentlich die Gelder für die immensen Investitionen in die notwendigen Energiewende?

    Werden all die WKAs und Stromleitungen aus der Portokasse bezahlt?

    Und was ist mit Förderungen für die Hausdämmung? Kein Hausbesitzer wird sein Erspartes für Lebensende darein stecken, wenn sich Hausdämmungen erst 30 Jahre nach dessen Ableben amortisieren.

  • "Der Staat kann sie mit Zuschüssen allein nicht auffangen, er muss an das Grundproblem: den Preis." Versteh ich nicht, da ist kein wirklicher Unterschied. Der Staat subventioniert und zahlt so oder so. Und: wenn man einen Grundbedarf verbilligt, verbilligt man auch den Verbrauch darüber hinaus. Grundsätzlich sind solche Überlegungen ja sinnvoll, zum Beispiel innerhalb einer Grundeinkommen- Konzeption. Jetzt aber ist einfach nur Energiesparen angesagt, auch beim Heizen. Da gibt es Spielraum. Den wirklich Einkommensschwachen ist mehr geholfen, wenn man Lebensmittel verbilligt, einfach durch Absenkung oder Verzicht auf Umsatzsteuer.

  • Wie lässt sich ein Grundwärmebedarf pro Person definieren ? Wenn wir dazu in der Lage sind, teilen wir jedem Haushalt diese Wärmemenge zu einem bezahlbaren Preis zu und alles, was darüber liegt, wird entsprechend teurer verkauft. So finanziert ein Haushalt, der Wert darauf legt, 200 m² pro Person zu beheizen, diejenigen, die mit 30 m² auskommen. Genauso läuft das mit den Fahrzeugen: Für den Weg zur Arbeit, der nicht mit dem ÖPNV bewältigt werden kann, gibt es einen Zuschuß beim Tanken und alles andere wird mit mindestens 3 € pro Liter abgewickelt. Gleichzeitig gibt es eine Restwertgarantie für diejenigen, die ihr Fahrzeug abschaffen wollen und sie bei Recyklinghöfen verwerten lassen, damit das Blech nicht auf öffentlichen Strassen und Plätzen rumgammelt.

  • Schwierige Sache.

    Hönere Energiepreise sind ja wünschenswert, da sich Einsparungen nicht anders lohnen.

    Direkte Unterstützung Betroffener fördert letztlich Preisspekulation (vgl. Wohngeld, das die Hauseigentümer zu dankbaren Transferleistungsempfänger*innen gemacht hat).

    Der Umstellungsschock ist dennoch für viele brutal: einerseits müssen wir wahrscheinlich alle ran, andererseits werden es viele von uns ohne Unterstützung nicht gut überstehen.

    Das ist der Vorgeschmack. Wir sollten uns echt überlegen, ob wir eine solidarische Gesellschaft wollen, oder eine à la Merz und Lindner.

    • @tomás zerolo:

      Wie profitieren Hauseigentümer von steigenden Energiepreisen? Sind die nun auch die Stromerzeuger und Gaslieferanten. Und was hat da allein Lindner oder gar die Opposition (CDU) zu verantworten für die Politik der jetzigen Regierung?



      Ist etwa schon wieder Wahlkampf und die CDU wieder in der Regierung? Sucht man den Schuldigen in der Opposition?

  • Habeck versagt hier völlig. Spanien, Portugal und Italien haben die Energiepreise schon längst gedeckelt. Russland führt mit der EU einen Wirtschaftskrieg, dem kann man nur mit einer Kriegswirtschaft begegnen, um die Schäden möglichst klein zu halten.



    Dazu kommen auch noch Mitnahmeeffekte gieriger Produzenten, die mit dem immer gleiche Argument steigender Nachfrage bei sinkendem Angebot ihre Margen ausweiten.



    Ich habe heute gesehen, dass selbst die Preise für Holzbriketts und Anmachholz sich gerade verdoppelt haben, mir kann auch niemand weismachen, dass die Produktion von Hackfleisch und Butter dermaßen energieintensiv ist, dass sich auch deren Preise mehr als verdoppelt haben.

  • Interessant an der ganzen Geschichte ist ja, dass niemand, egal wie die jeweilige Forderung aussieht, die entscheidende Frage stellt: wer zahlt das?



    Im Zweifel subventioniert sich nämlich der gedeckelte Heizpreis durch den Steuerzahler. Zuzüglich Verwaltungskosten. Na danke schön.

  • Auch die LINKE fordert einen Gaspreisdeckel.



    ""Wir brauchen, wie in anderen EU-Staaten, einen Gaspreisdeckel in Deutschland oder zeitnah einen angemessenen Ausgleich für kleine und mittlere Einkommen"



    www.n-tv.de/politi...ticle23439866.html

    Den Preisauftrieb (der z.T. auf Spekulation zurückzuführen ist) eindämmen könnte eine Finenatransaktionssteuer (was ebenfalls die LINKE fordert).

    Dafür plädieren auch Kemfert und Schäfer (DIW Berlin)www.diw.de/de/diw_...te__kommentar.html

  • Ist das Modell Markt + Preisdeckel/Subventionen tatsächlich die bestmögliche Variante oder nicht doch eher ein Konzept um die Nachteile von marktwirtschaftlich und staatlich organisierter Ressourcenallokation zu vereinen? Konkret also einer Maximierung der privatisierten Profite weil man mit Steuergeldern eine Nachfrage über den Markt hinaus schafft. Die folgerichtige Konsequenz aus der Einsicht, dass der Markt hier absehbar versagen wird, wäre die Sozialisierung der Branche um die Erfüllung von Grundbedürfnissen dauerhaft zu sichern und nicht den Konzernen - wieder einmal - Milliarden in den Rachen zu werfen.

  • Grün wollte höhere Energiepreise, um die Energiewende zu beschleunigen. Nun sind die Preise da und werden weiter steigen. Die Ökosteuern werden übrigens im Januar 2023 nochmal angehoben und dann?

  • Dieser Winter wird wohl die Hochsaison der wuchernden Schimmelkulturen in den kalten Wohnungen Einkommensschwacher incl. Gesundheitsprobleme durch Schimmelsporen.

    • @Andreas J:

      Zu Schimmelbildung führt vor allem die Luft- bzw. Oberflächenfeuchtigkeit und nicht die niedrige Temperatur. Schimmel fühlt sich auch bei 20 °C pudelwohl.



      Problematisch sind vor allem die "kalten Ecken" am Mauerwerk z.B. Rund um die Fester (oder Wärmebrücken in den Raumecken). Da das Mauerwerk hier kälter ist, kondensiert das Wasser aus der Luft an diesen Stellen und der Schimmel kann sich ausbreiten.



      Beste Schimmelabwehr ist Lüften, vor allem in feuchten Räumen wie dem Badezimmer. Wäsche nach Möglichkeit nicht in der Wohnung trocknen und wenn doch, dann mit offenem Fenster. Nicht zu unterschätzen sind auch kleine Schlafzimmer, da wir Menschen in der Nacht viel schwitzen und so auch die Luftfeuchtigkeit erhöhen.

      • @Teleshopper:

        Lüften = sofortiger Kälteeinbruch = erhöhtes Risiko von Erkältungen oder gar Lungenentzündungen.

        Dann gibt es noch Wohnungen, dessen Fenster alle nur auf einer Hauswandseite angebracht sind. Für eine effektive Lüftung benötigt es jedoch zwei gegenüberliegende, geöffnete Fenster.

      • @Teleshopper:

        -?-"Beste Schimmelabwehr ist Lüften"-?-



        Na klar doch.



        Im Winter mikricke Heizungstemparatur und dann auch noch Lüften.



        Der Spaß nimmt kein Ende.



        Wir werden Putin zeigen



        was ne Harke iss.

      • @Teleshopper:

        "Beste Schimmelabwehr ist Lüften..."



        Ja, klar. Leider entfleucht bei diesem Beginnen nicht nur Feuchtigkeit, sondern auch Wärme. Und entweder wird dann mehr geheizt, oder die "kalten Ecken" werden noch kälter...



        Physik für Anfänger und Solche, die es werden wollen.