„Fridays for Future“ in Hamburg: Tausende streiken mit Greta
Der erste Besuch der schwedischen Aktivistin in Deutschland: Bis zu 10.000 Menschen beteiligten sich am Schulstreik für mehr Klimaschutz.
Die Menge füllt den Hamburger Marktplatz, blockiert Straßen und Nebengassen rundherum. Vor allem Schüler*innen sind da, aber auch Eltern, Großeltern, Lehrer*innen mit ihren Klassen, Studierende, Auszubildende. Ein Grund für den Andrang: Die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg, die im August 2018 allein mit dem Schulstreik begonnen hat, geht voran. Hinter einem Transparent an der Spitze des Demozugs. Es ist Thunbergs erster Besuch einer deutschen Fridays-for-Future-Demo.
Während Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) unlängst über „Fridays for Future“ sagte, sie finde es klasse, dass sich junge Menschen für ihre Zukunft einsetzten, vertritt man in Hamburg eine andere Politik. Hier werden streikende Schüler*innen disziplinarisch behandelt, als würden sie schwänzen. Die Schulbehörde hat sogar angekündigt, dem nachzugehen, wenn Schulen Schüler*innen für die Demos entschuldigen.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) twitterte am Freitag, auf Dauer wirke es „wenig überzeugend“, ausgerechnet in der Schulzeit zu demonstrieren. Den harten Kurs unterstützt auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Sie bezeichnete in der FAZ den Protest als „Schuleschwänzen“.
„Wir schwänzen nicht, wir sind aktiv“
Die Schüler*innen haben eine andere Sicht auf die Dinge. Als die Demo den Rathausplatz füllt, trauen sich einige auf die Bühne. „Ich weiß, dass nicht alle Eltern und Lehrer begeistert sind“, sagt die Schülerin Charlotte. „Meine Fehlstunden heute werden auch nicht entschuldigt. Aber wir schwänzen nicht. Wir sind aktiv, wo die Politik nichts tut.“
Wie warm es im Februar gewesen sei, das sei doch nicht normal. „Wenn um uns herum die Zerstörung der Natur fortschreitet und die ganze Welt nur zuzuschauen scheint, anstatt konkrete Schritte einzuleiten, dann hält uns nichts mehr in der Schule. Es ist an uns, alle an ihre Verantwortung zu erinnern. Dafür sind wir hier.“
Für die taz war am Samstag Anett Selle bei der Demo in Köln unterwegs. Ihren Stream finden Sie hier.
Alle Redner*innen werden gefeiert. Als Thunberg die Bühne betritt, wird der Jubel noch lauter, Schüler*innen rufen: „Greta, Greta, Greta!“ Aus ihrem einsamen Protest ist eine globale Bewegung geworden. Allein in Deutschland gibt es inzwischen 222 Ortsgruppen von „Fridays for Future“, in vielen Ländern Europas, in den USA, in Australien, Indien und Chile wird gestreikt. Im Hamburg fasst sich die 16-Jährige kurz: „Ihr macht Geschichte und könnt stolz auf euch sein“, sagt sie auf Englisch. „Viel zu lange sind Politiker*innen damit durchgekommen, nichts zu tun, um die Klimakrise zu bekämpfen. Aber wir werden das ändern. Wir streiken, bis sie etwas tun.“
Auch Jan Ole aus Pinneberg traut sich auf die Bühne. „Wenn ihr Politiker denkt, wir lassen uns mit Repressionen oder netten Worten stumm stellen: Ihr habt euch geirrt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus