Frankreich nach der Wahl: Linkes Bündnis droht zu zerbrechen
In Frankreich können die linken Wahlsieger sich nicht auf einen Personalvorschlag einigen. Präsident Macron will vorerst eh keinen neuen Premier.
![Laurence Tubina 2020 auf dem Weg zu einem Treffem im Elysée-Palast. Laurence Tubina 2020 auf dem Weg zu einem Treffem im Elysée-Palast.](https://taz.de/picture/7124160/14/35819004-1.jpeg)
Bereits am Freitag fragte Le Figaro, ob diese Linke, die sich trotz ihrer Differenzen für die Parlamentswahlen vereint hatte, überhaupt regieren wolle. Bei den Wählern und Wählerinnen des Nouveau Front Populaire (NFP), der bei ihnen große Hoffnungen geweckt hatte, wächst angesichts des Spektakels der Eitelkeiten und Empfindlichkeiten der beteiligten Parteien der Frust.
Wie alle in Frankreich waren auch die Linksparteien von ihrem (relativen) Sieg überrascht. Sie hatten ihr Bündnis in aller Eile und auch mit einer gewissen Improvisation mit dem einzigen gemeinsamen Ziel geschlossen, die Machtergreifung durch die extreme Rechte zu verhindern, was dann auch gelang. Was jedoch zunächst den Zusammenhalt ermöglicht hat, fällt damit weitgehend weg.
Und ein Mechanismus, sich in demokratischer Weise auf einen eventuellen Premierminister oder -ministerin oder gar ein Kabinett zu einigen, war nicht vorgesehen. Auch eine gemeinsame Kandidatur für den Vorsitz der Nationalversammlung und für andere parlamentarische Ämter ist problematisch geworden.
Macron gewinnt Zeit
Die Linksparteien stellen zwar aufgrund der Wahlergebnisse vom 7. Juli zusammen den größten Block von Abgeordneten in der Nationalversammlung, aber sie verfügen nicht über eine regierungsfähige Mehrheit. Die Perspektive, eventuell mit den gegnerischen Macronisten kooperieren zu müssen, spaltet die linke Allianz. Für die LFI von Jean-Luc Mélenchon steht so etwas nicht zur Debatte. Sozialisten und Grüne dagegen hätten offenbar weniger Bedenken. Da sich die NFP nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag für den Namen eines Premierministers oder Premierministerin einigt, kann Macron wie gewollt Zeit für eine andere Lösung gewinnen.
Nach einer letzten Ministerratssitzung hat Staatspräsident Emmanuel Macron den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal und seiner Regierung akzeptiert. Ein neues Kabinett und einen neuen Regierungschef bekommt Frankreich aber nicht sofort. Attal und seine Regierung müssen bis auf Weiteres die „laufenden Geschäfte“ weiterführen und wären auch im Krisen- oder Katastrophenfall zum Handeln berechtigt. Die Verfassung der Fünften Republik sieht dies für einen solchen außergewöhnlichen Fall vor.
Ein Machtvakuum soll es nach dem Regierungsrücktritt nicht geben. Es handelt sich um eine sonderbare Übergangszeit, da zum Beispiel Attal gleichzeitig Noch-Premier, aber zugleich auch Abgeordneter der Nationalversammlung sein wird, was grundsätzlich einen Verstoß gegen das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung darstellt.
Wie lange dieses Provisorium dauern soll, ist unklar. Macron hat aber angedeutet, dass es ihm nicht unlieb wäre, wenn diese Interimsperiode bis nach den Olympischen Spielen in Paris, das heißt bis Mitte September, dauern könnte. Wenige Stunden vor ihrem offiziellen Rücktritt hat die Regierung Attal noch diverse Dekrete im Amtsblatt publiziert, namentlich Ausführungsbestimmungen zum Immigrationsgesetz, das nach einer hitzigen Debatte im Januar verabschiedet wurde, anschließend aber vom Verfassungsgericht für teilweise ungültig erklärt worden war.
Kommt eine formelle Allianz
Macron hofft weiter, dass seine Parteien der Mitte bei ihren Diskussionen hinter den Kulissen mit diversen Gesprächspartnern von links und rechts (etwa mit Sozialisten und Grünen sowie mit Konservativen und Zentristen) eine breite Koalition samt regierungsfähiger Mehrheit zustande bringen.
Der bisherige Innenminister Gérald Darmanin äußerte sich dagegen sehr interessiert an einer formellen Allianz der Macronisten mit den Konservativen der Partei Les Républicains (LR), selbst auf der Grundlage der politischen Bedingungen, die LR-Chef Laurent Wauquiez für einen Pakt genannt hat. Für den Moment scheint in Frankreich so ziemlich die ganze Politik in der Schwebe zu sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen