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Erster Veteranentag in DeutschlandMachbar, aber fragwürdig

Gastkommentar von Paul Behrens

Am 15. Juni begeht Deutschland seinen ersten Veteranentag. Die Idee mag berechtigt sein, ist aber weder unstrittig noch alternativlos.

Ein Zeichen der Wertschätzung: der Veteranentag Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

W er sich noch an die Bonner Republik erinnert, mit Friedensbewegung und Böll und Heinemann und ihrer doch recht pazifistischen Grundhaltung, dem muss die neue deutsche Einstellung zum Militär wunderlich vorkommen. Gewiss: zum Teil ist es richtig, dass sich hier etwas geändert hat. Man kann Aggressoren wie Wladimir Putin nicht mit Ostermärschen beikommen, dem Himmel sei's geklagt. Und zu glauben, dass er, nach der Ukraine, „keine territorialen Ansprüche in Europa“ mehr hat, ist geradezu gefährlich naiv.

Paul Behrens

unterrichtet Völkerrecht an der Edinburgh Law School der Universität Edinburgh in Schottland. Seine besonderen Forschungsgebiete sind Völkerstrafrecht, Diplomatenrecht und LGBTIQ-Rechte.

Mit dieser Einsicht gehen andere Dinge einher: wenn uns unsere Verteidigung wichtig ist, müssen wir auch Respekt im Umgang mit den Streitkräften zeigen. Und vor allen Dingen müssen Soldatinnen und Soldaten, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen, mit seelischen und körperlichen Wunden aus Konfliktzonen zurückkehren, umfassende und unbürokratische Versorgung erhalten. Es ist richtig, dass der Bundestag das kürzlich gefordert hat.

Ein weiterer Beschluss aber ist von ganz anderer Natur. Es ist der „Veteranentag“, der in der Zukunft an jedem 15. Juni gefeiert werden soll. Er zeigt, wie kaum eine andere Entscheidung, den Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzogen hat. Und kaum eine Stunde hat dies klarer gemacht als die Bundestagsdebatte, die diesem Entschluss vorausging.

Beginnend mit dem Eröffnungsredner Johannes Arlt (SPD), der, wie eine Bundeswehrbroschüre, von einer „Zeit von Kameradschaft und sinnstiftender Tätigkeit“ sprach, die man mit Auslandseinsätzen verbinden darf. Und dann den Kameraden auf der Besuchertribüne (erschienen in militärischem Grau, mit Ehrenzeichen) „semper talis“ zurief („stets gleich“, altes preußisches Motto). Nils Gründer von der FDP kann auch Latein und rief „Virtuti pro patria – der Tapferkeit für das Vaterland“, das Motto seiner „Heimatbrigade“.

Weitgehend unreflektiert aufgenommen

Es hätte eine Folge von „Navy CIS“ sein können. Nur nicht ganz so spannend. Zum Schluss bat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPA) um Unterstützung des Antrags und zwar als „Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“. Sowas hätte es unterm Willy nicht gegeben. Nicht einmal unter Helmut Schmidt. In der Tat hat bislang noch keine Bundesregierung einen solchen Tag für nötig gehalten. Seine Annahme durch fast alle Parteien ist bemerkenswert – und bedenklich.

Auch in den Medien wurde der Veteranentag, mit einigen Ausnahmen, weitgehend unreflektiert aufgenommen. Bei manchen Schlagzeilen gehen einem die Augenbrauen hoch. Ein „nationales Bekenntnis zur Truppe“? So der Wortlaut in einer regionale Zeitung. Wenn aber ein Veteranentag auf so breite Zustimmung stößt, gibt es dann am Ende vielleicht gar keinen Grund zur Besorgnis? Die Entwicklung in einigen anderen Staaten, einschließlich Großbritanniens, weist in eine andere Richtung.

Hier war die Einstellung der Gesellschaft zum Militär seit langem positiv. Das ist auch verständlich: ohne seine Streitkräfte wäre die Insel, wie so viele europäische Staaten, unter den Stiefel der Naziherrschaft geraten. Nur: Diese positive Einstellung ist, über Jahre hinweg, zu einer wahrlichen Bewunderungshaltung ausgebaut worden, angefeuert von Politikern, die eine Chance witterten, die eigene Popularität zu stärken.

Tony Blair schließlich führte einen „Veterans Day“ ein, später „Armed Forces Day“ genannt. Dieser Tage Kritik an „unseren Jungs“ in der Armee zu üben, das ist fast eine Sünde wider den Heiligen Geist. Eine solche Entwicklung lässt sich auch in Deutschland befürchten; die ersten Schritte sind getan. Dabei ist es doch, wenn man sich die Sache recht überlegt, bizarr.

Kritik muss machbar sein

Wir fühlen uns ganz unbefangen dabei, gegen jede Sektion der Gesellschaft Kritik zu üben, selbst gegen diejenigen, deren Beruf es ist, Leben zu retten – von Krankenpflegern bis zu Feuerwehrleuten. Nur Veteranen sollen ohne jede Einschränkung gefeiert werden. Dabei ist es gerade hier wichtig, das eigene Denken nicht vor der Tür zu lassen. Es gibt sie, die Soldaten, denen die Gesellschaft viel schuldet, in einigen Fällen ihr eigenes Überleben.

Es gibt die Sanitäter, die, ohne Waffen und unter Einsatz des eigenen Lebens, verwundete Soldaten retten. Aber jeder militärische Konflikt birgt auch Potenzial für Missbrauch und Menschenrechtsverletzungen. Und es gibt daher auch Angehörige der Streitkräfte, die selber in Kriegsverbrechen verstrickt sind.

Der Folterskandal im Gefängnis Abu Ghraib im Irak, in dem US-Personal involviert war, und die Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofes zu britischen Kriegsverbrechen im selben Land zeigen, dass selbst Streitkräfte einer Demokratie an solchen Taten beteiligt sein können.

Kritikfähigkeit ist ein Gut, das nicht leichtfertig um eines Feiertags Willen geopfert werden darf. Militäreinsätze können notwendig sein – selbst die Charta der Vereinten Nationen akzeptiert das und erlaubt solche Einsätze in engen Grenzen (im Fall der Selbstverteidigung und wenn ein Staat mit Autorisierung des UN-Sicherheitsrates handelt). Die Schöpfer der UN waren keine unrealistischen Träumer: Sie sahen militärische Gewalt als einen Schritt, der manchmal unausweichlich ist. Ein Grund zum Feiern ist er nicht.

Und es gäbe Alternativen zu einem Veteranentag. Ein befreundeter Arzt, der Afghanistan Veteranen behandelte, schlug einen Tag vor, um „Ärzte ohne Grenzen“ zu ehren, die Organisation, die schon seit Jahrzehnten medizinische Hilfe in Kriegsgebieten leistet und mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Für Völkerrechtler klingt das nach einer großartigen Idee: Sie stellt Personen in den Vordergrund, die sich dem Schutz der menschlichen Unversehrtheit widmen; sie schließt weder eine kritische Bewertung der Militäreinsätze aus noch derer, die an ihnen teilnehmen.

Sie hat natürlich keine Aussicht, von der Politik aufgegriffen zu werden. Dafür ist sie zu vernünftig. Und wenn wir darüber reden, Militäreinsätze und Feiern zu verbinden, dann hat die Vernunft schon lange Abschied genommen.

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25 Kommentare

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  • "Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe."

    So lautet der Soldateneid der Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland. Und da es heute nicht mehr allgemein verstanden wird: "taper" bedeutet tatsächlich "unter Einsatz des eigenen Lebens". Unsere Soldaten haben Anerkennung verdient, auch und gerade offiziell und öffentlich!

  • Soll ich lachen oder weinen? Who know’s!?! But.

    Hübsch. Grünschnäbel finden Lovando nicht staatstragend genug, weil sie geschichtlich unterbelichtet sind und greifen mit eilfertigem pistoriusvorseilendem Gehorsam zur Netti⛓️🪚! - 🙀😇🥹 -

    Na Mahlzeit - Modderatistas - lernt Geschichte! Dank im Voraus.

    unterm——-



    Gehörte ich doch einst neben General Guderian (der Sohn vom Alten) einer Reformkommission Formalausbildung an und weise auf folgendes hin:



    “Obwohl der Begriff offiziell in der Bundeswehr keine Anwendung findet, wird das Wachbataillon aufgrund seiner in den deutschen Streitkräften einzigartigen Aufgabenbereiche und der entsprechend besonders intensiven Formalausbildung in den Medien und von Angehörigen regelmäßig als „(deutsche) Garde“ bezeichnet.“ Get it? Fein



    “Am 13. Mai 1961 übernahm das Wachbataillon die Tradition des Ersten Garde-Regiments zu Fuß und des Infanterie-Regiments 9. Im Januar 1963 wurde das Ärmelband „Wachbataillon“ verliehen.…



    Im Mai 1965 verlieh Bundespräsident Heinrich Lübke dem Bataillon die erste Truppenfahne der Bundeswehr.“



    Der bekannte KZ-Bauer



    “Von 1943 bis 1945 hatte er die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen.“

    Na Mahlzeit

  • Ich denke bei diesem "Veteranentag" eigentlich eher an die Menschen, die dahinterstehen, die Soldatinnen und Soldaten, die bereit waren ihr Leben und ihre Gesundheit für die neudeutsche Großmannssucht zu opfern. Dabei hätten wir aus unserer Geschichte die Lehre ziehen müssen: Nie wieder deutsche Soldaten/innen außerhalb der Grenzen unseres Landes!"

    • @justus*:

      Das würde bedeuten



      keine Manöver im Ausland



      keine Hilfe für andere Staaten auch im Falle von Artikel 5 der NATO



      kein verhindern von einem weiteren Ruanda oder Srebrenica...



      So skeptisch ich unseren Politikern gegenüber bin es ist nicht so als würden unsere Regierungen es sich einfach machen damit wo sie die Bundeswehr hinschicken.



      Ihre vermeintliche deutsche Großmannssucht die die Bundeswehr auf jede "Hurrah wir sind wieder wer!" Mission schickt kann ich nun wirklich nicht sehen.



      Warum war die Bundeswehr dann nicht im Irak?

    • @justus*:

      …und uns damit schön von jedweder internationalen Verantwortung drücken, oder wie? Unsere Geschichte kann jedenfalls nicht auf ewig eine bequeme Ausrede sein…und wo, bitteschön, sehen Sie „neudeutsche Großmannssucht“?! Etwa bei Scholz und seiner äußerst zaghaften Unterstützung der Ukraine?

    • @justus*:

      Wenn Deutschland eingeladen wird eine andere Demokratie mitzuverteidigen ist daran nichts falsch.

      • @Machiavelli:

        Welche Demokratie wurde denn in Afghanistan verteidigt? Oder in Mali?

        Natürlich wird so etwas fast immer mit schönen Worten getarnt.

      • @Machiavelli:

        Schauen Sie mal in unser Grundgesetz, was dort zu solchen "Einladungen" steht.

  • Dieser Veteranentag passt gut zur Militarisiserung der Gesellschaft und mag schlichten Gemütern besonders gefallen.

    • @Rolf B.:

      Angesichts Putins Abenteuerfeldzug wünsche ich mir etwas mehr Militarisierung.

    • @Rolf B.:

      Und in welcher Parallelrealität findet diese Militarisierung der Gesellschaft statt?

      • @metalhead86:

        Wenn es Parallelrealitäten geben sollte, dann müsste es auch eine geben, wo Ahnungslosigkeit vorherrscht.

  • Wer möchte, dass im Ernstfall Frauen und Männer Gesundheit und Leben zur Abwehr von Angriffen auf unsere Freiheit in die Waagschale werfen, kommt nicht umhin ihnen Respekt zu zollen.



    Ein Veteranentag kann ein guter Anfang sein.

    • 9G
      94799 (Profil gelöscht)
      @Enno Strömer:

      Ich halte es mit dem alten Spruch



      "lieber rot als tot!"



      Die Masse arrangiert sich über kurz oder lang mit jedem System - "den Kopf hinhalten" für die Machteliten, deren Speichelleckern und der tumben Mitläufermasse die sich aktuell von zB.



      "Sommermärchen" einlullen lassen - "Nein, danke!"

    • @Enno Strömer:

      Aus gutem Grund ging es im Kalten Krieg ohne.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Im Kalten Krieg gab es keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Da hat man befreundet Länder gehen lassen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Der gute Grund heißt allgemeine Wehrpflicht. Die Hälfte der Bevölkerung musste sich zwangsläufig irgendwann mal mit der Thematik befassen.

  • In der Tat, hätte evtl ein Tag, der alle öffentlichen Angestellten und Beamte, einschließlich der Soldaten ehrt, ein Weg sein können eine größere Einbindung sichtbar zu machen.

    • @Grauton:

      Alle ÖFFENTLICHE Angestellte + Beamte ehren??? Für was? Finanzbeamte, Müllabfuhr, Angestellte im Job-Center, Rathausangestellte, Beschäftigte in Grünflächenämter, Tiefbauunternehmen, Gerichtsvollzieher, Richter + Staatsanwälte etc. sollen geehrt werden?? Für was denn bitteschön? Und die Bäcker, Metzger usw. sollen nicht geehrt werden?

      • @Ernie:

        Tiefbauämter soll es heißen ....

  • "Und es gäbe Alternativen zu einem Veteranentag. Ein befreundeter Arzt, der Afghanistan Veteranen behandelte, schlug einen Tag vor, um „Ärzte ohne Grenzen“ zu ehren, die Organisation, die schon seit Jahrzehnten medizinische Hilfe in Kriegsgebieten leistet und mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde."



    Großartig, dieses humanitäre Engagement zu ehren.



    In der aktuellen Debatte um eine Aufrüstung durch neue Ausrüstung und den Diskurs zum angedachten Paradigmenwechsel bezüglich einer atomaren Bewaffnung europäischer Streitkräfte sollten wir noch als Ergänzung einfließen lassen, welche weitere engagierte Organisation auch einen Friedensnobelpreisträgerstatus hat:



    www.aerztezeitung....rhielt-341586.html

  • In welchem Krieg waren die? Da am Hindukusch, "unsere Freiheit" verteidigen?

    Erschreckend, wie militärisch heute alles wird - unter rot-oliv-grün ...

    • @DiDier:

      Auch schon le feldwebél hamse gedient Schmidt Schnauze und Hans brech mir die Finger im Hosenstall ab Apel waren bemüht / den Ruch der vaterlandslosen Gesellen loszuwerden! But.



      Mr 🪖 Breitbeinmann ist scheint’s ein zackig vorauseilender politischer Plattkopf!* Woll

      unterm—-*



      Alfred Andersch treffend über Günter WaffenGraSS beim Schälen der 🧅 - 🙀🥳 -



      Normal

    • @DiDier:

      "Unsere Freiheit" gibt es weil im Zweiten Weltkrieg Menschen "ihre Freiheit" und die Freiheit anderer Menschen nicht in den Grenzen ihres kleinen Hinterhofgartens gesehen haben.



      Von daher "niet" zum putinfreundlichen braunen Pazifismus.

  • Deutsche Kommissköppe.