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Erster Parteitag beim BSWWohlfühl-Oase für Altlinke

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ setzt programmatisch auf Nostalgie und ignoriert Probleme wie die Klimakrise. Trotzdem ist es gut, dass es die neue Partei gibt.

Endlich angekommen: Wagenknecht und Lafontaine auf ihrem Parteitag Foto: Kay Nietfeld/dpa

W eder „links“ noch „rechts“ will Wagenknechts neue Partei sein, und erst recht keine „Linke 2.0.“, sagt deren Namensgeberin und Spitzenfrau. Doch wie ihr erster Parteitag in Berlin jetzt gezeigt hat, ist das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht“ genau das: „eine Linke 2.0.“. Oder besser: Eine Nostalgie-Linke, die sich nicht mit neumodischem Gender-, Migrations- oder Klima-Kram beschäftigen will. Das zeigt sich an ihrem Kernpersonal, das bisher ganz überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der Linkspartei besteht. Das zeigte sich auch an den Themen, die auf dem straff organisierten Parteitag im Zentrum standen. Und es zeigte sich auch daran, wie diszipliniert strittige Fragen, Widersprüche und Differenzen ausgeklammert wurden. Es war eine Wohlfühl-Oase für ergraute Altlinke.

So sympathisch die Sehnsucht nach der sozialdemokratischen Friedens- und Sozialpolitik der 70er-Jahre ist, auf die sich Oskar Lafontaine ausdrücklich beruft – es ist fraglich, ob das reicht, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Und so verständlich der Wunsch nach einer Rückkehr zur Übersichtlichkeit des Nationalstaats ist – er hilft nicht, sich in einer globalen Welt zurechtzufinden. Wie soll Deutschland zwischen Russland und den USA eine eigenständige Rolle finden, wenn die EU zu Gunsten starker Einzelstaaten mit je eigenen nationalen Interessen geschwächt wird? Kann es Deutschland auch alleine? Unklar ist auch, wie man dem Arbeitskräftemangel begegnen und den Sozialstaat finanzieren will, wenn die Migration begrenzt werden soll. Die Erderwärmung mit ihren dramatischen Folgen wird schlicht verdrängt: Der Verbrennermotor läuft einfach weiter und die Gasheizung bleibt drin.

Im Kampf gegen Rechts folgt das Wagenknecht-Bündnis einer falschen Analyse. Es glaubt, die Wählerinnen und Wähler würden von den Rechtsextremisten lediglich verführt. Ihre Wut habe berechtigte ökonomische Gründe, weshalb man ihr mit „Brot-und-Butter-Themen“ begegnen will. Dahinter steht die marxistische Idee vom „falschen Bewusstsein“. Sie verkennt, dass Menschen auch bewusst gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen votieren, wenn sie sich von einer Idee angesprochen fühlen. Die rechte Idee, Alteingesessene gegenüber Einwanderern zu bevorzugen, ist für viele autochthone Deutsche attraktiv. Viele von ihnen wollen Migranten und anderen Minderheiten schlicht nicht auf Augenhöhe begegnen und gleiche Rechte einräumen. Für diese Ideologie der Ungleichheit steht die AfD. Aber für Rassismus-Theorien interessiert sich Wagenknecht nicht.

Es ist unwahrscheinlich, dass ihr Bündnis die AfD mit diesem Ansatz schwächen wird. Vielmehr wird es vor allem enttäuschte Linke- und SPD-Wähler anziehen. Dennoch ist es gut, dass es die neue Partei gibt. Sie stellt einige berechtigte Fragen – auch wenn sie wenig zeitgemäße Antworten hat.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Das zeigte sich auch an den Themen, die auf dem straff organisierten Parteitag im Zentrum standen. Und es zeigte sich auch daran, wie diszipliniert strittige Fragen, Widersprüche und Differenzen ausgeklammert wurden."



    Na ja, grundsätzlich ist es ja nachvollziehbar, wenn sie sich nicht schon beim ersten Treffen über strittige Themen öffentlich zerfleischen wollen.



    Nichtsdestotrotz wird die Partei Antworten auf diese Fragen finden und geben müssen, und das eher früher als später.



    Und da die namensgebende Patronin bereits entsprechend vorgelegt hat, bezweifle ich, dass mir diese Antworten gefallen werden.

  • Ich kann den Gedanken des Autors sehr gut folgen. Meiner Meinung nach haben Lafo/Wagenknecht auch ein Grundproblem: Dass es in Zentraleuropa seit 1945 Frieden und einen gewissen Wohlstand gibt, hat damit zu tun, dass die NATO unter Führung der USA europäische Machtdynamiken unterdrückt und eine Ordnung vorgibt, die sich an demokratischen Werten orientiert. Eine Ordnung mit Nationalstaaten in Europa ist m.M. illusorisch und sehr gefährlich, weil Europa unter normalen Bedingungen ein Kontinent der Kriege und Konflikte ist. Kein Arbeiter, kein Armer und kein Rentner hat etwas davon, wenn Nationalstaaten in Bündnissystemen sich in Konkurrenz und Konflikten reiben. Das schafft keinen Wohlstand, das produziert weniger Wohlstand und Verteilung als ein Europa der Konzerne, der abgehobenen arroganten Eliten. Deutschland kann auch mit Frankreich keinen Staat bilden, auch das ist eine Illusion. Natürlich müssen Dinge korrigiert, muss sich viel verändern, aber nicht mit solchen Ideen, die sind gefährlich, sonst wären Schweden und Finnland mit Sicherheit nicht in die NATO eingetreten. So wie die Wahlen bei diesem Bündnis abgelaufen sind, deutet einiges auf eine eher konservative Führungsstruktur hin, das würde bedeuten, dass es für ein paar Jahre gut läuft. Das wäre evtl. schon ein Zugewinn, aber die AfD profitiert von ganz anderen Strukturen und Entwicklungen, auch da muss diese 'Partei' tiefer schürfen und sich mehr reinhängen, so simpel wird das nicht funktionieren. Und das ist schon alles sehr links, klingt nach Old-Style-SPD.

  • Habe mich ausschließlich nur wegen den Kommentaren hier heute registriert.



    Warum?



    Weil ich die Hoffnung schon längst aufgegeben habe, jemals wieder DIE Linken zu sehen/lesen, die ich in den 90ern noch gekannt habe. Danke, dass es noch Einige von euch gibt, die nicht zum Arm des Systems geworden sind! Auch ICH werde spenden, für ein LINKS, das ich schon längst verloren geglaubt habe. Danke, dass ihr euch nicht habt verbiegen lassen!!!

  • Diese "Wohlfühloase" ist eher ein Biotop alter, "linker" Verirrungen. Dass das BSW sich aber nun nicht einmal mehr einem eindeutigen Antifaschismus verpflichtet fühlt, ist nur noch beschämend. Auch wenn man die Wähler:innen der AfD in Schutz nehmen will - große Teile der Partei sind offen rassistisch und faschistisch. In diesem Moment nicht völlig klar an der Seite der Demonstrationen gegen rechts zu stehen, nicht dazu aufzurufen und statt dessen die Ampelkoalition zum Hauptgegner zu erklären, muss diese Partei für jede:n disqualifizieren, der/dem an Demokratie und Menschenrechten gelegen ist.

  • Ich kann mich vor allem den letzten Zeilen des Artikels anschließen. Ja, die BSW kommt mir vor, als ob sie es allen recht machen will, geht ja aber nicht. Doch welche Alternativen hat Otto Normalbürger sonst?Die Faschistische AFD, die schon wieder von Deportation träumt? Die Salonrassisten namens CDU, die auch keinen Hehl draus macht, das Bürgergeld zu streichen bei Wahlsieg?Was will man denn mit solchen Gestalten?Von daher macht diese, wenn auch jetzt schon leicht angestaubte BSW Truppe irgendwie Sinn.

  • BSW: Beliebig-Schwarz-Weiss

  • Nostalgie ist - sinngemäß - ein Herbeisehnen von Vergangenem (Wikipedia). Und nach Wilhelm Reich sind die Menschen nicht vom Faschismus getäuscht worden, sondern sie haben ihn herbeigesehnt.



    In einigen Gegenden Deutschlands, in denen die Arbeiterbewegung einmal mächtig war, ist der Faschismus und nach ihm sein Halbbruder, der Stalinismus, besonders gründlich zu Werke gegangen. Dort haben aber deren Enkel, wie jetzt offenkundig wird, heute besonders leichtes Spiel, weil die falsche Nostalgie vielen den Blick trübt. Kein Wunder, denn der zeitliche Abstand zu dem, was im Namen der einen nach 1933 und der anderen nach 1945 geschah, ist einfach zu groß geworden.



    Die Deportation und die Massenvernichtung nach 1933 kenne ich selber nur aus zweiter Hand durch Aufsuchen von KZs. Die vergleichsweise milde Menschenverachtung derer nach 1945 kenne ich dagegen aus eigener Anschauung:



    In den 50er Jahren reisen wir jeden Sommer zu den Verwandten in einem kleinen Ort relativ grenznah in Thüringen - bei der rigorosen Gepäckkontrolle im Ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat die Fahnen und Bänder der großen Sprüche mit Marx, Lenin und Stalin (virtuell: Putin) und dröhnenden Lautsprechern...



    Jahre später die Auszeichnung eines weitläufigen Verwandten zum Verdienten Arzt des Volkes im Alexander-Puschkin-Kultursaal...



    Und am Ende in den 70ern die Szene beim letzten Familienfoto, als mein Cousin seiner kleinen Tochter die Tafel Schokolade verwehrt, die ihr mein Bruder zustecken will: "Gib das dem Klassenfeind zurück!"



    Wer sich immer noch nach diesem oder jenem Vergangenen zurücksehnt, dem empfehle ich die Lektüre der 'Ästhetik des Widerstands' von Peter Weiss. Oder als leichtere Kost zum Einstieg 'Sansibar oder der letzte Grund' von Alfred Andersch.

  • "Sie verkennt, dass Menschen auch bewusst gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen votieren, wenn sie sich von einer Idee angesprochen fühlen."



    Hier verweist Daniel Bax auf ein verbreitetes, wichtiges Phänomen, dass auf AFD-Wähler*innen aber mindestens auch auf CDU-, CSU- und Spaßpartei-Wähler*innen zutrifft. Würde mensch noch grundsätzlicher ansetzen, also bei den Interessen für den Erhalt der Lebensgrundlagen müsste mensch mindestens die SPD-Wähler*innen hinzu addieren.

  • Der Untertitel für dieses Bild wäre doch eher: 'Dirty Dancing'.

  • Was ist daran gut? Was ist daran links? Der rote Lack war schon zu sowjetischen Zeiten sehr dünn auf dem russischen Imperialismus und jetzt ist er schon seit Jahrzehnten abgeplatzt. Dazu noch ein bißchen Brexiteer- Irrsinn. Was rettet diese Partei? Ihr Antiamerikanismus?

  • Um mit Zygmunt Bauman zu sprechen "Retrotopia"



    Die Parteigründung wird die weitere Zerspitterung des Parteiensystems befördern - wofür soll das gut sein?

  • Die BSW gibt es vor allem deswegen, weil die derzeitige Regierung ein Totalausfall ist. Zur Erinnerung, diese derzeitige Regierung wird von der SPD, den Grünen und der FDP gestellt. Die BSW begrüße ich ausdrücklich und reihe mich in der Spenderliste ein.

    • @Frankenjunge:

      Totalausfall? Eine heftigere Bezeichnung dürfte es doch kaum geben. Über den grünen Klee würde ich die Regierung nicht loben. Allerdings mensch sollte schon festhalten, dass sie ein paar okaye-gute Dinge umgesetzt hat. Genügend bezahlbare Energie und Strom für die meisten, 9 € bzw. 49€ Ticket ... "Totalausfall" halte ich für übertrieben. Es sei denn, Sie zielen auf deren unzureichende Politik ab, mit der sie auf die ökologischen Krisen reagiert haben und überlebenswichtige Ziele verfehlt haben ...

    • @Frankenjunge:

      "... reihe mich in der Spenderliste ein."



      Ja, habe ich auch schon gemacht.



      (Ich bin ja auch so ein nostalgischer Linker, für den Links noch das Streben nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit wesentlich beinhaltet - weit vor den Punkten "Klima retten" und mich solidarisch zwangsimpfen lassen, was die Punkte sind, die ich vor allem mit den Altparteien assoziiere).

      • @XXX:

        Die aktive propagandistische Unterstützung eines Angriffskrieges ("Nato ist Schuld am Krieg, Putin will Frieden, EU hat einen Wirtschaftskrieg vom Zaun gebrochen [ also völlig grundlos begonnen ] usw.usw....") als Streben nach Frieden zu deklarieren ist schon sehr naiv oder dummdreist !

  • Gerne gelesen und vielen Dank! Ergänzend:...die Vita eines Lafontaine scheint das Doping seines unbändigen Engagements für Gesellschaftspolitik zu sein...dazu noch an der Seite einer intellektuellen, jungen Frau. Als "Altlinker" wähle ich nach wie vor das Orginal!

  • Ihr Resümee, dass es diese Partei braucht, erschließt sich mir nicht. Sie zählen richtigerweisse die Punkte im Parteiprogramm auf, die das meiste ausklammern, was jetzt dringlich anzugehen wäre (Klimakrise, Migration und Rassismus), und das sind doch genau die Gründe, weshalb diese Partei nicht benötigt wird. Ganz abgesehen von der Person Wagenknecht.

  • Passt...

  • Nach den letzten Umfragen kann diese neue KultWagenknecht Partei den Untergang der Linken bedeuten. In Sachsen wahrscheinlich und auf Bundesebene. Auch wenn ich niemals die Linke wählen würde, gibt es gute Programmpunkte bei ihnen: GEnder, LGBTQ Rechte, Klimawandel, Migration, die alle bei der BSW fehlen. Nein, wir brauchen diese neue Partei genauso wenig wie eine Werteunion (wobei letztere immerhin die AFD schwächen kann).

    • @Jens Berlin 1965:

      Du brauchst sie vielleicht nicht, aber viele sind dankbar das es sie gibt und sind da anderer Meinung. Diese Meinung ist Teil des demokratie, und es wäre schön wenn der Meinungskorridor wieder etwas geweitet würde, demokratischer gehandelt würde, und wir nicht nach innen eine intolleranz leben, während nach außen Tolleranz gepredigt wird.

      Einfach immer schön menschlich bleiben.

      • @Thomas O´Connolly:

        JENS BERLIN 1965 ist der Meinung, dass wir diese Partei nicht brauchen. Ist seine Meinung auch Gegenstand der von Ihnen geforderten Toleranz, oder gilt die nur für Ihre eigene Meinung?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Weder die Bundesrepublik noch die EU benötigen nationale Populisten links gestrikt die sich noch nicht einmal Mühe geben ihre eingeschränkte Sicht auf real existierende Probleme zu verschleieren.

    Über den Umgang mit Tatsachen lässt sich streiten - über Sichtweisen die Realität verleugnen wie Klimawandel und agressiver Menschenrechts-verachtender Imperialismus Russlands nicht. Das ist unnötig wie ein Kropf.

  • "Dennoch ist es gut, dass es die neue Partei gibt. Sie stellt einige berechtigte Fragen – auch wenn sie wenig zeitgemäße Antworten hat."

    Der Autor meint hier wohl eher "zeitgeistgmäße Antworten". 2 + 2 war gestern vier, ist heute vier und wird auch morgen noch vier sein. Unabhängig vom Zeitgeist. Antworten müssen nicht falsch sein, auch wenn sie dem vorherrschenden Zeitgeist widersprechen. Von daher gesehen hat das BSW eine gute Chance sich zu etablieren da sowohl Linke als auch Grüne und Teile der SPD eben meinen dass der Zeitgeist immer richtig liegt und man die Realität ignorieren kann oder sogar muss (selbst wenn man plötzlich von ihr umzingelt ist..)