piwik no script img

Energieversorgung in DeutschlandDanke, Ampel!

Deutschland ist nach dem Überfall auf die Ukraine gut durch die Energiekrise gekommen. Selbstverständlich ist das keineswegs.

Es war nicht alles gut, aber es hätte viel schlimmer werden können: Danke Ampel Foto: Kay Nietfeld/dpa

H aben Sie heute schon Ihre Heizung benutzt? Wird warm. Irre gut, oder?

Egal, ob Sie diese Zeitung heute aus dem Briefkasten gefischt, sie am Bahnhof gekauft haben oder auf einem Bildschirm lesen, in jedem Fall hat es eine Menge Energie gekostet, bis diese Worte in Ihre beheizte Wohnung kamen. Trotzdem hat heute Morgen vermutlich niemand laut gejubelt, dass die Heizung funktioniert. Niemand hat Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz in einem Stoßgebet gedankt, als er unter der Dusche stand und warmes Wasser aus der Leitung kam. Also, außer vielleicht Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz selbst.

Dass Deutschland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gut durch die Energiekrise gekommen ist, dass nirgendwo dauerhaft der Strom oder die Heizung ausfiel, wird heute als selbstverständlich angesehen. Dabei war es das keineswegs. Dass das gelungen ist, ist gerade auch der klugen Politik der Ampelkoalition, insbesondere ihres Wirtschaftsministers zu verdanken.

Gas in Windeseile

Die Ampel hat nicht nur in Windeseile Gas aus anderen Quellen besorgt, sie hat es mit ihren Preisbremsen geschafft, den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, der ansonsten ernsthaft gefährdet gewesen wäre. Dass das Verhetzungspotenzial der Energiepolitik heute wieder überschaubar ist, ist der Ampel zu verdanken. Und apropos Verhetzung: Ein Blackout bei der Stromversorgung war nie sehr wahrscheinlich, sondern ein von interessierten Kreisen verbreitetes Szenario, um Angst zu schüren und das Abschalten der Atomkraftwerke entgegen aller Fakten als grüne Ideologie zu diskreditieren.

Das sogenannte Präventionsparadox gehörte während der Coronakrise zum alltäglichen Vokabular. Es bezeichnet das Phänomen, dass erfolgreiche Prävention unsichtbar bleibt, weil das krisenhafte Ereignis, das verhindert werden sollte, nicht eingetreten ist. So ist im Nachhinein kaum feststellbar, ob die Prävention denn nun erfolgreich war und überhaupt nötig gewesen wäre.

Vielleicht sollte man auch bei der Bilanz der Ampel an das Präventionsparadox denken. Es war nicht alles gut, aber es hätte viel schlimmer werden können. Man stelle sich vor, ein Wirtschaftsminister der CDU hätte Ersatz besorgen müssen für das russische Gas. Möglich, dass es dann längst düster geworden wäre, nicht in Deutschland, sondern in der Ukraine. Aber selbst in ihren größten Krisen strahlte die Ampel warm in Rot, Gelb und Grün.

Bevor es Ende Februar politisch zappenduster wird und Olaf Scholz im Kanzleramt das Licht ausmacht, kann man also zum Abschied ruhig einmal sagen: danke, Ampel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • In der Tat. Wenn die Ampel sich etwas zugutehalten will, dann ist es, dass wir nicht erfroren sind. Gefroren haben wir aber schon, die Büros mussten runtergeregelt werden.

    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir Glück gehabt haben. Wir hatten einen sehr milden Winter. Ohne diesen wäre es doch deutlich knapper geworden. Scholz sein breites Grinsen, mit dem er in den Talkshows verkündete, dass sie (also er) Deutschland gerettet haben, ohne diesen Umstand zu erwähnen, war mir übel aufzustossen.

    Das das Abschalten der Atomkraftwerke zu diesem Zeitpunkt reine Ideologie war und auch hier Graichen der Hauptäter, ist m.E. nach heute ähnlich schwer zu bestreiten wie damals, als "Ergebnisoffen" geprüft worden ist.^^ Ein Beibehalten der Kraftwerke hätte uns viel Geld gespart und vermutlich auch so manchen Arbeitsplatz erhalten. Das will unser Wirtschaftsminister natürlich nicht sehen. Ebenso wie viele TAZ Leser. Bei letzteren ist es in Ordnung. Habeck hätte es sehen müssen und sich durchsetzen müssen. Das war die Pflicht aus dem Amt.

    • @Dr. Idiotas:

      www.oeko.de/blog/a...zeitverlaengerung/

      Immer so tun, als würden Atomkraftwerke problemlos immer weiterlaufen, mal eben angeschaltet werden können und supergünstig ist das sowieso.

  • Sicherlich war nicht alles gut in der Politik der Ampel. Aber: Es war das Beste, das wir in diesen Zeiten bekommen konnten. Vielleicht ein bisschen abgesehen von der FDP, ohne die einiges noch besser gelaufen wäre.



    Daran werden sich wohl noch viele erinnern müssen, die die Ampel für alles verteufelt haben und die nun sehenden Auges in den Abgrund rennen.

  • Spontan ist das für mich auch eines der Felder, wo die Ampel gemeinsam etwas für die Geschichtsbücher erreicht hat: Externe Krise abgewandt, Gasabhängigkeit von Russland rasch reduziert, Erneuerbare wieder entfesselt. Märkte für Speicher etc. ermöglicht.



    Ein paar Sachen hätte ich vielleicht anders probiert, wir sind dabei in den Feinheiten und Koalitionsbefindlichkeiten auch nicht drin. Doch Energie ist auch im Vergleich ein Paradefeld. Danke, Robert Habeck, auch Patrick Graichen, aber auch denen, die zumindest da nicht den dicken Knüppel dazwischen warfen!

  • Vielen Dank für die warmen Wort auf die Ampel.



    Ich habe schon vielen Leuten erzählt, das es eine unglaubliche Leistung war, die Energieversorgung einer TOP 5 Industrienation binnen 6 Monaten umzulenken und für einen warmen Winter zu sorgen.

    Auch das GEG ist ein sehr starkes Gesetz geworden. Der politische Gegner hatte es nicht umsonst sehr laut beschrien. Die 65% Regel sowie die kommunalen Wärmekonzepte beginnen ihre Wirkung zu zeigen. Wenn Wärmeversorger, wie die Mannheimer MVV Energie AG, ankündigen, die Gasnetze in den 30er Jahren abzuschalten. Dann gibt es für die zukünftige Regierung nicht viel zurück zu drehen. Eine größere politische Unsicherheit an den Standort Deutschland könnte kaum geschaffen werden.

    Meine Befürchtung ist allerdings auch, das die Zuschüsse die Preise treiben.

    Wir werden uns noch im Guten an die Ampel erinnern. Die politischen Ankündigungen im BT Wahlkampf sind nicht erbauend.

  • Danke für den Artikel!

    Ich wünschte, viele andere Medien würden ähnlich klar sprechen.

    Zum GEG gibt es einen langen Beitrag von Piratensender Powerplay: podcasts.apple.com...03?i=1000685344845

  • Die Ampel hat was geleistet. Das tut sie jetzt als Rot-Grün sogar noch, nur, der Bürger will meist davon nichts wissen, was schade ist.



    Wenn ich mir anschaue, dass Friedrich Merz jetzt bereits Abstimmungen mit der AfD zulässt, um Maßnahmen zu ergreifen, die zwielichtig und wahrscheinlich weder nachhaltig, noch effektiv sein werden, dann hilft eine Dosis Realismus. Natürlich ist Olaf Scholz manchmal sehr trocken und Habeck ein wenig Für- und Wieder, aber diese Regierung hat uns schon durch schwieriges Wasser gelotst. Bei Friedrich Merz geht es dann meist so zu, als ob diese Bedingungen (Trump, Ukraine, Palästina, Armut, Wohnungsmangel, Fachkräftemangel) gar nicht vorhanden sind.



    Und die kalten Wohnungen und der Gas-Herd, der nicht mehr benutzbar ist, all das hat nicht stattgefunden.

    • @Andreas_2020:

      Vieles davon ist korrekt. Leider hat die Ampel / Reste-Ampel aber auch extrem wichtige Themen nicht addressiert.

      Das fehlende Wirtschaftswachstum ist eben nicht nur eine Zahl, sondern kostet massiv Arbeitsplätze. Ich hätte mir gewünscht, dass der Kanzler Scholz sich mehr um dieses Thema gekümmert hätte, dass er Herrn Habeck stärker gefordert hätte, und dass er Frau Baerbock erklärt hätte, dass neben der Dauerrolle der Mahnerin auch Wirtschaftsbeziehungen und -förderung zur Aufgabe der Aussenministerin gehört.

      Er hätte viel aktiver den regierungsinternen Streit schlichten müssen, und ist zu oft als Beobachter erschienen.



      Vollständigerweise muss man natürlich auch die FDP und SPD Politiker kritisieren, die ihren Job nur unzureichend gemacht haben. 3 Jahre verschenkt in der Familienpolitik. Sehr viele Versprechungen und wenig gehalten bei explodierenden Kosten in der Gesundheitspolitik. Vom Verkehrs- und Bauministerium ganz zu schweigen. Man kann nicht viele Menschen aufnehmen und den Wohnungsbau kaum voranbringen.

      Bei Merz sehe ich das Haupt-Problem in der zweiten Reihe, die einflüstert. Z.B. Jens Spahn und Dorothee Bär, die beide schon bewiesen haben, dass sie es nicht können.

  • Völlig richtig - das Krisenmanagement war beeindruckend erfolgreich. Von der ganzen Regierung, besonders von Habeck.



    Ich hatte nicht nur bei der amtierenden, sondern hätte bei jeder tatsächlichen oder denkbaren Regierungsbesetzung große Zweifel gehabt, ob sie das überhaupt nur halbwegs hinbekommen.

    Übrigens spricht vieles dafür, dass aus der Perspektive von 2022 geplante Blackouts (zeitweise Abschaltungen) durchaus wahrscheinlich waren. (Dafür sprechen neben den einschränkenden Annahmen in den Stresstests auch Äußerungen der zuständigen Behörden.) Das spricht dann zwar gegen die damalige Kommunikationsstrategie, macht jedoch die erzielte Leistung dafür noch größer.

    Schade eigentlich, dass sie nach der akuten Bedrohung und ihrer Bewältigung so nachgelassen haben. Die Energieversorgung ist zwar aktuell kein Wackelkandidat mehr, doch mittelfristig das schwerwiegendste wirtschaftliche Problem in Deutschland.



    2022 war noch Gelegenheit umzusteuern.

  • Herr Graichen sollte der Dank gehören. Aber diesen Mann haben wir zum Teufel gejagt weil er Trauzeuge war. Ansonsten alles richtig gemacht. Ein Herr Dobridt der alles falsch gemacht hat tritt nicht etwa zurück. Nein er tritt schon wieder an. Man erinnert sich bitte an die Autobahnmaut und den Dieselskandal.

  • Top Beitrag! Dass jemand Rot/Grün gegenüber dankbar ist, las man in den letzten Jahren in der CDU-Presse und dem Zwangsgebühren-Rundfunk selten, oder eher nie.

    • @BierzeltLeitkultur:

      In der Presse mögen sie recht haben. Aber im ÖRR ist die Ampel fast immer zu gut weggekommen.

  • Ja, gut gemacht. Ich erinnere mich noch, wie Habeck in Katar auf Betteltour war. Es hat ihm offensichtlich keinen Spaß gemacht. War aber richtig so.



    Auch das viel verdammte "Heizungsgesetz" ist eigentlich recht gut gemacht. Beispielsweise macht die 65%-Regel sehr viel Sinn, wenn man die technisch/physikalischen Bedingungen betrachtet. Eine zu kleine Wärmepumpe, die an 20 Tagen im Jahr nicht ausreicht, ist halt deutlich günstiger als eine, die auch bei hartem Frost genügend Wärme bringt. Allerdings sind die Fördermittel für meinen Geschmack zu großzügig. Das treibt nur die Preise.

    • @Jörg Schubert:

      Wegen mir hätte keiner auf Betteltour gehen müssen.



      Wenn man jeden Preis bezahlt bekommt man alles.



      Und dann auch noch Verschwendung subventioniert durch die Energiepreisbremse.



      Vor allem wenn die Wärmepumpe mit Kohlestrom betrieben wird.