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Einreise von GeflüchtetenWer hat Angst vorm „Afghanen-Flieger“?

Kommentar von Emran Feroz

Gefährdete Afghanen kommen nach Deutschland – und Medien und Politik kübeln ihren Hass aus. Dabei sollten noch mehr Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Afghanische Geflüchtete werden im August 2021 aus Kabul evakuiert Foto: Hassan Majeed/imago

D ie Noch-Bundesregierung evakuiert in ihren letzten Tagen gefährdete Afghaninnen und Afghanen aus Pakistan – und die Angst- und Panikmache könnten wieder einmal nicht größer sein. Mehrere Medien, allen voran die Bild, bemühen Begriffe wie „Flüchtlings-Jets“, „Baerbock-Flieger“ oder „Afghanen-Flieger“, während führende Politiker sich echauffieren.

„Ich finde das grundfalsch und anmaßend“, meinte etwa CDU-Fraktionsvize Jens Spahn. Er will in Zukunft keine Menschen mehr aus Afghanistan aufnehmen, sondern „Straftäter und Gefährder“ dorthin abschieben. Natürlich würde dies einen Deal mit den militant-islamistischen Taliban, die derzeit das Land regieren, erfordern, doch darüber will niemand sprechen. Stattdessen geht es in erster Linie um Stimmungsmache und Entmenschlichung.

Dies wird allein schon daran deutlich, wie über Menschen, die vor Krieg, Terror und Unterdrückung flüchten müssen, gesprochen wird. Man könnte meinen, dass es sich bei den Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Lehrerinnen, Universitätsdozenten oder ehemaligen Ortskräften, die seit Monaten, teils sogar Jahren auf ihre Weiterreise warten, um Pest, Cholera und eine barbarische Horde von Terroristen und Messerstechern handeln würde.

Es sind Afghanen und Afghaninnen, die vor Katastrophen fliehen, doch im „politischen Berlin“ und anderswo wird suggeriert, dass die Katastrophe nun per Direktflug über Deutschland hereinfällt, was natürlich die Rechten und Rechtsextremen stärker machen würde.

Westliche Länder in der Verantwortung

Dieser Diskurs, der seit Monaten geführt wird, könnte gar nicht menschenfeindlicher und ignoranter sein. Dabei war es der absolut gescheiterte „War on Terror“, der die Taliban nicht besiegte, sondern zurück an die Macht brachte.

Jeder Mensch aus Afghanistan, der für dieses vermeintliche Demokratieprojekt sein Leben riskierte, hat das Recht, nach Deutschland zu kommen. Und ja, das betrifft nicht nur die Dolmetscher der Bundeswehr, sondern auch jeden Koch und Taxifahrer, der für westliche Truppen, NGOs oder Journalisten tätig war. Jeglicher Klassismus ist fehl am Platz.

Jene Menschen, die dieser Tage in Deutschland landen, sind bei Weitem nicht alle, denen dieses Recht zusteht. Ein großer Teil der Gefährdeten harrt weiterhin in Pakistan aus, das derzeit afghanische Geflüchtete in Massen abschiebt. Im deutschen Wahlkampf machten rechte Medien Stimmung gegen sie, weshalb die Bundesregierung ihre Sicherheitsprotokolle verschärfte und weniger Menschen aufnahm.

Und dann gibt es natürlich all jene, die sich immer noch im Taliban-Emirat in Afghanistan befinden. Sie verstecken sich, zensieren sich, haben Angst und versuchen einfach nur verzweifelt, durch den Tag zu kommen.

Meine Kollegen fürchten sich vor ihren neuen Taliban-Nachbarn, während hierzulande über Belanglosigkeiten diskutiert wird

Ich habe Kollegen, die nicht mehr ihrer journalistischen Tätigkeit nachgehen können oder sich vor ihren neuen Taliban-Nachbarn fürchten, während hierzulande über Bürokratie und andere Belanglosigkeiten diskutiert wird. Auch deshalb habe ich mich von vielen dieser Scheindebatten, die vor Unwissenheit, Scheinexpertentum und Rassismus triefen, verabschiedet. Sie haben weder mit meiner Realität noch mit jener der Menschen in Afghanistan zu tun.

Der Trumpismus in Berlin

Währenddessen wird der Alltag für Geflüchtete aus Afghanistan global immer düsterer. US-Präsident Donald Trump, der einst die größte nichtnuklea­re Bombe des US-Militärs über Afghanistan abwarf und später mit den Taliban jenen Deal machte, der für die heutige Misere mitverantwortlich ist, verkündete vor Kurzem, den Schutzstatus für rund 15.000 Afghanen aufheben zu wollen. Sie sollen das Land verlassen, ansonsten drohten „Zwangsmaßnahmen“. Evakuierungen aus Afghanistan haben die USA bereits vollkommen eingestellt.

Auch die kommende Bundesregierung will das Afghanistan-Aufnahmeprogramm einstampfen. Denn der Trumpismus ist schon längst in Berlin angekommen.

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10 Kommentare

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  • Im Sudan sterben täglich Menschen und sie sprechen hier von Belanglosigkeiten, ob jemand seinem Beruf nachgehen kann.



    Das ist doch eine reine Scheindebatte.

  • Nur noch ohne Verantwortung, was sich unsere verantwortlichen Abgeordneten sich in Bezug auf die bei Abzug aus Afghanistan getroffenen Abmachungen, mit damals helfenden Bürgern aus Afghanistan, hier meinen erlauben zu dürfen. Das gegebene Wort zählt nicht mehr - es ist ein Skandal für unser Land ! Diese Menschen haben in unserer Regierung nichts zu suchen.

  • Das wird ziemlich krass, wenn sich jetzt Spahn und die AfD gegenseitig überbieten. Irgendwann einmal gab es in der CDU auch noch Leute, denen es um die Sache ging. In der Merz-Mafia erlebe ich niemanden, alles nur Schaum und Seife.

  • Niemand hatte die GroKo gezwungen, Aufnahmezusagen auszusprechen. * Jetzt ist es aber dummerweise Staatsraison, gegebene Versprechen im Rahmen des faktisch möglichen einzulösen. Gerade konservative Kreise sollten sich bewusst sein: Wer einmal lügt dem glaubt man nicht… Deutschland ist vor allem aufgrund seiner Rechtssicherheit ein attraktives Fluchtziel. Aber diese in Frage zu stellen, ist sicherlich keine gute Maßnahme die Aufnahmeproblematik zu lösen. Auf dieser Basis lässt sich keine geregelte Zuwanderung organisieren…

  • Afghanen, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, z.B. Dolmetscher - sollen also nicht nach Deutschland dürfen. Sie haben ihr Leben für Deutschland riskiert.

  • Ich bin ja ein klarer Fluggegner.



    Diese Flüge sind allerdings die Besten, die ich mir vorstellen kann.



    Pistorius sagte ja bereits während der Koalitionsverhandlungen, dass da inhumane Menschen am Tisch sitzen.



    Danke an Alle, die zu unseren Verpflichtungen stehen.



    Danke an Alle AfghanInnen und Afghanen, die uns unterstützt haben.



    Pacta sunt servanda.



    Dass Jens Spahn, der schon in seiner Ministerzeit seine Inkompetenz unter Beweis stellte, hat natürlich keine Ahnung von Absprachen und Verträgen.



    Es wäre gut, wenn dieser Mann, der die "afd" legalisieren möchte, keine Zukunft in Deutschland hätte.

  • "Spahn (...) will in Zukunft keine Menschen mehr aus Afghanistan aufnehmen, sondern „Straftäter und Gefährder“ dorthin abschieben. Natürlich würde dies einen Deal mit den militant-islamistischen Taliban, die derzeit das Land regieren, erfordern, doch darüber will niemand sprechen."



    Wie hat das dann die Ampel geschafft Straftäter nach Afghanistan abzuschieben? Die müssen ja auch schon mit den militant-islamistischen Taliban einen Deal ausgehandelt haben, oder?🤷‍♂️



    Davon ab, unabhängig ob man es richtig oder falsch findet weitere Menschen aus Afghanistan einzufliegen, ist es ein Fakt, dass die (haushoch) abgewählte ex-Regierung durch die Flieger auf ihre allerletzten Tage nochmal Tatsachen schafft.



    Wäre es andersrum und die Union hätte so kurz vor ihrem Abgang nochmal unumkehrbare Fakten geschaffen, wäre das Gejammer im linken Lager sicher nicht weniger groß.

  • Wie weit will sich Herr Spahn eigentlich noch nach rechts bewegen? Anmaßend finde ich seine Arroganz, besonders nach seiner äußerst mäßigen Vorstellung als Minister, noch mehr, seitdem er die AfD behandeln will wie eine "ganz normale" Oppositionspartei, wogegen sich auch die CSU auflehnt.

    • @Aurego:

      Ja. Spahn versucht anscheinend bereits, die vereinbarte Regierungskoalition mit der SPD zu untergraben, alsbald zum Scheitern zu bringen und sich mit seiner Rhetorik für eine Koalition mit der AfD zu qualifizieren.



      Konsequenterweise sollten er und seine mitstreitenden Parteifunktionäre mindestens das C ("C"D/SU) für Christliche Werte (Nächstenliebe, Menschenrechte, Verlässlichkeit, ...) aus ihrer Parteidefinition streichen!



      Der Karfreitag bietet dazu eine gute Bühne.

      • @Lichtenhofer:

        Ein Ministerpöstchen kann sich der Jens jetzt wohl abschminken.