EU zum Gazakrieg: Brüssels lautes Schweigen
Teile der belgischen Regierung liebäugeln damit, sich Südafrikas Klage gegen Israel anzuschließen. Das offenbart den tiefen Graben innerhalb der EU.

In der Ukraine ist dies gelungen: Die EU unterstützt das Land bei seiner Klage gegen Russland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Die EU-Justizbehörde Eurojust sammelt sogar Beweise zur Verfolgung der russischer Aggression. Völlig anders ist die Lage im Streit zwischen Südafrika und Israel: Die EU ist tief gespalten und vermeidet es, sich auf eine Seite zu schlagen.
Besonders deutlich ist der Kontrast zwischen Belgien und Deutschland. Das kleine Königreich, das seit Jahresbeginn die EU-Ratspräsidentschaft innehat, und das größte EU-Land liegen bei der Beurteilung des Krieges in Gaza komplett über Kreuz. Israel habe das Recht zur Selbstverteidigung; von einer Vernichtungsabsicht könne keine Rede sein, heißt es in Berlin. Doch aus Brüssel kommen ganz andere Töne.
„Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel, die Bombardierung von Gaza ist unmenschlich“, erklärte Vizepremierministerin Petra De Sutter schon im November. Kurz vor dem Prozess in Den Haag äußerte sich die Grünen-Politikerin noch deutlicher. „Wir müssen gegen die Drohung eines Völkermords vorgehen“, erklärte sie auf der Plattform X. Belgien solle sich Südafrikas Klage vor dem IGH anschließen.
Auf der falschen Seite der Geschichte?
Mit dieser Forderung steht De Sutter in der belgischen Regierung zwar ziemlich allein, wie sie selbst einräumt. Doch ihre Kritik an der israelischen Kriegsführung wird sogar von Premierminister Alexander De Croo geteilt. Bei einem Besuch in Israel, den er im Dezember gemeinsam mit dem damaligen EU-Ratsvorsitzenden, dem Spanier Pedro Sánchez, absolvierte, forderte De Croo mehr Zurückhaltung.
„Keine Tötung von Zivilisten mehr“, mahnte der liberale belgische Politiker bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog. Israel müsse das humanitäre Völkerrecht achten und zivile Opfer vermeiden. Das israelische Außenministerium bestellte daraufhin den belgischen Botschafter ein. Dennoch gingen die Proteste gegen Israel in Belgien weiter – sogar auf Regierungsebene.
Neuerdings teilen belgische Politiker sogar gegen Deutschland aus. „Es ist schwer zu begreifen, dass sich Deutschland von dieser israelischen Regierung, die eine schamlose Kolonisierungspolitik betreibt, so vor den Karren spannen lässt“, sagte Entwicklungsministerin Caroline Gennez, die der sozialdemokratischen Partei Vooruit angehört.
Es stelle sich die Frage, ob Deutschland wirklich zwei Mal auf der falschen Seite der Geschichte stehen werde – und ob man in Berlin weiter zusehe, ob es zu einer ethnischen Säuberung komme, so Gennez weiter. Daraufhin sah sich auch der deutsche Botschafter in Belgien genötigt, zu reagieren: „Vergleiche mit der Shoah und dem, was gerade geschieht, passen nicht.“
Damit ist der Streit allerdings nicht beendet. Er dürfte sich sogar noch ausweiten. Denn Deutschland erwägt, sich im Hauptverfahren vor dem IGH einzuschalten – und für Israel Partei zu ergreifen. Damit dürfte der Graben zu Belgien noch größer werden – und das Schweigen des belgischen EU-Vorsitzes noch lauter.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens