EU will Atomkraft auf grün trimmen: Fehlende Akzeptanz ist egal
Verbraucher akzeptieren keine Siegel, bei denen Atomkraft als grün gilt. Das stört die EU bei ihren Plänen für ein Nachhaltigkeitslabel nicht.
„Die Kommission lässt sich auf unseren Punkt gar nicht erst ein“, sagt Magdalena Senn, Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei Finanzwende Recherche. „Offenbar hat sie keine guten Argumente dagegen.“ Stattdessen bezieht sich die Brüsseler Behörde in ihrer Antwort an Finanzwende auf das Ergebnis einer umstrittenen Studie der Forschungsstelle Joint Research Center. Diese kommt zu dem Schluss, dass Atomkraft aus Klimaschutzgründen als nachhaltig zu bewerten ist.
Der Hintergrund: Die EU arbeitet an einer Verordnung, mit der eine Art Nachhaltigkeitssiegel für Finanzanlagen geschaffen werden soll, die sogenannte Taxonomie. Unter der Führung Frankreichs wollen zwölf Staaten, dass dabei auch Atomanlagen als nachhaltig gelten. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich mit Vertreter:innen von fünf weiteren Ländern dagegen ausgesprochen – ebenfalls mit dem Argument der Glaubwürdigkeit. Die Gruppe verweist darauf, wie gefährlich die Produktion von Atomkraft ist und dass das Problem nicht gelöst ist, was mit dem strahlenden Müll geschehen soll.
Steckt ein klimaschädlicher Deal dahinter?
Vor kurzem hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, dass eine Einstufung der Atomkraft als nachhaltiges Investment angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der EU kaum noch zu verhindern sei. Die NGO Finanzwende fürchtet, dass dahinter ein Deal steckt: Frankreich setzt sich mit seinem Anliegen durch, dafür wird der Wunsch aus Deutschland erfüllt, auch Investments in Erdgas als grüne Geldanlage zu bewerten – also die Finanzierung eines klimaschädlichen fossilen Energieträgers.
„Nach unseren Informationen haben sich Vertreter der Bundesregierung in Brüssel für die Einstufung von fossilem Erdgas als nachhaltig eingesetzt“, sagt Senn. Sollte die EU-Kommission tatsächlich Geldanlagen mit Atomanteil als nachhaltig einstufen, werde das neue Siegel hinter bestehende Branchenstandards zurückfallen, etwa denen des Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG) und sogar denen des Labels Greenfin des französischen Staates.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen