E-Bike-Hersteller VanMoof insolvent: Hipster-Märchen am Ende
Der E-Bike-Hersteller VanMoof warb mit Design und grüner Technologie. Jetzt ist die Firma insolvent. Auch für Kund*innen sind das schlechte Nachrichten.
Zuvor waren letzte Verhandlungen über eine neue Injektion frischen Kapitals gescheitert. Alle VanMoof-Filialen in Europa sind nun geschlossen. Die 700 Mitarbeiter*innen erhielten eine E-Mail, in der es heißt: „Wir sind euch allen dankbar und finden es schade, dass wir diese Mission nicht zusammen vollbringen konnten. Wir sind traurig, aber vor allem stolz auf das, was wir erreicht haben.“
Als „Mission“ werden Unternehmungen schnell bezeichnet, wenn sie sich um E-Mobilität drehen und damit das Narrativ von Klimaschutz und einer besseren Welt für sich in Anspruch nehmen können. So auch VanMoof, 2009 von den Brüdern Taco und Ties Carlier in Amsterdam gegründet. Der TV- Sender RTLnieuws sprach auf seiner Website nach Bekanntwerden der Insolvenz schlicht von einem „Märchen“ zweier „urholländischen Jungs, die die Welt erobern wollten“.
VanMoofs Rezept war simpel: ein prägnantes, minimalistisches Design, das in kurzer Zeit einen ikonischen Ruf bekam. Technische Gadgets wie die App, mit denen die Bikes ab- und aufgeschlossen werden, und bis auf Reifen und Nabe eigens produzierte Ersatzteile. Reparieren lassen konnten Kund*innen nur beim Hersteller selbst. Kombiniert mit häufigen Pannen und Klagen über langwierige Reparaturen, führte das bald zu Zweifeln an der Qualität. Doch das hippe, urbane Image überwog. Investoren und Crowdfunder steckten ihr Geld weiter in die Marke. VanMoof setzte auf Wachstum, eröffnete Filialen in Tokio, Berlin, Paris, London und New York.
Ein 48 Milliarden Dollar schwerer Markt
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das „Märchen“ denn auch als gewöhnlicher Start-up-Traum von der Weltmarktdominanz. Nachhaltig ist daran nur die Green-Capitalism-Welle, auf deren Kamm VanMoof mitsurfte. Auf rund 48 Milliarden Dollar schätzte Taco Carlier 2021 noch das globale Potenzial des E-Bike-Markts. „Die Niederlande sind schon dabei, in den nächsten fünf Jahren werden in Frankreich, Deutschland und Großbritannien auch die Hälfte aller Fahrräder elektrisch sein, dann folgen die USA“, zitierte ihn die Wirtschaftszeitschrift Quote.
Beim Marktanteil von E-Bikes liegen die Niederlande bereits seit 2015 an Europas Spitze. 2021 betrug er 52 Prozent. Der Boom fällt wiederum zusammen mit dem schnellen Aufstieg der VanMoof-Räder zum Kultobjekt einer hippen, urbanen Schicht. Insofern kommt der Marke durchaus indirekt das Verdienst zu, elektrische Fahrräder, die vorher als Fahrzeug für gebrechliche Senior*innen galten, jungen Konsument*innen zugänglich gemacht zu haben. Speziell in großen Städten gehörten „VanMoofs“, die mühelos an anderen Fahrrädern vorbeischossen, bald zum Alltag auf den Straßen.
Dass die Wachstumsstrategie zu ambitioniert war, zeichnet sich bereits seit Längerem ab. Schon Ende 2022 drohte nach Lieferketten-Problemen die Insolvenz, obwohl man in den Jahren zuvor Investitionen von rund 200 Millionen Euro anziehen konnte. Laut NRC Handelsblad stiegen die Verluste von 6 Millionen Euro 2019 auf 35 Millionen (2020) und knapp 80 Millionen (2021). Für 2022 werden sie im selben Bereich erwartet. In der letzten Zeit nahm VanMoof keine neuen Bestellungen mehr an, offiziell war von einer Computerstörung die Rede.
Nach der Kunde von der Insolvenz des Unternehmens kamen in Amsterdam vor dessen Sitz wütende Kund*innen zusammen. Sie bleiben nun auf ihren mehrere tausend Euro teuren Prestigeobjekten sitzen, da niemand diese mehr reparieren kann.
Andere wollten ihr in Reparatur befindliches Fahrrad abholen, vergeblich. Auf der Gebrauchtwaren-Online-Plattform marktplaats.nl finden sich nun zahlreiche VanMoof-Räder zu Dumpingpreisen. Auf Social Media hagelt es Spott über prätentiöse, vermeintlich weltverbessernde Yuppies, die „mit Hafer-Cappuccino zu ihrem Co-Working-Space wollen“ – und dort nicht mehr hingelangen. Ein Twitter-User empfahl, die Welt mit „Fahrrädern ohne Akku“ zu verbessern.
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