Drittes Triell der Kanzlerkandidat*innen: Baerbock wach und souverän
Laschet sagt Altbekanntes, Scholz will am liebsten mit den Grünen regieren und Baerbock sieht die Union in der Opposition. Das Triell Nummer 3.
War dieses dritte Triell so überflüssig wie die zwei anderen, das erste mit RTL, das zweite mit ARD und ZDF in der Rolle der gastgebenden Sender? Der Dreikandidat*innenkampf auf SAT/Pro7 jedenfalls schien, als wäre es das lebendigste von allen gewesen – was zuerst an den Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch gelegen haben kann, zuletzt indes an den Einspielfilmen vor den Themenblöcken.
Zwei Punkte in einem Resümee sind faktisch belegbar: Armin Laschet nahm sich die längste Redezeit – und sagte andererseits nichts, was von ihm nicht ohnehin bekannt gewesen wäre. Verblüffend, wie er zum Auftakt der Politshow, nachdem der kontextualisierende Clip zum Thema „Soziale Gerechtigkeit“ beendet war, so gut wie nichts zum Thema sagte, was in irgendeiner Form sozialpolitische Konzessionen in Sachen Mindestlohn beispielsweise bedeutet hätten.
Olaf Scholz, während der ganzen anderthalb Stunden eher der zurückhaltendste und redegeringste, betonte an dieser Stelle die sofortige Umsetzung der Forderung nach 12 Euro Mindestlohn, was die Grüne Annalena Baerbock beherzt unterstützte.
Auf Themen kommt es natürlich auch bei Triells immer an, aber nur in den groben, ja gröbsten Linien. Da fiel Laschet eher durch Weitschweifigkeit auf, auch durch die Nutzung von Fachworten wie „EEG“ – wer soll es außerhalb der Klimanerdszene auf Anhieb verstehen? Scholz bekräftigte seinen Willen, sich in Sachen Klimawandel sofort für die Realisation ökologischer Energiegewinnungsmethoden einzusetzen. Baerbock machte ihre Punkte souverän mit dem Hinweis auf die grüne Forderung nach einer Kindergrundsicherung.
Insgesamt aber profilierten sich alle wie erwartet: Laschet ist der Wirtschaftsmann, Scholz der für konkret staatlich unterstützte soziale Gerechtigkeit, wie Baerbock auch, aber, und darauf kommt es in TV-Triellen wie auch diesem an, Scholz hatte alle Zaubervokabeln parat, die ihm und seiner Partei gelungen sind, öffentlich zu popularisieren: „Solidarität“, „Würde“ und „Respekt“. Laschet, der wie um sein politisches Überleben für eine Politik plapperte, wurde nicht müde, viel und nichts zu sagen.
Das Momentum hatte indes Annalena Baerbock am Zipfel. Sie griff Laschet an, in Maßen auch Scholz. Den Unionskandidaten ging sie freundlich, aber frontal an, etwa mit der Formulierung, sehr erfrischend hervorgebracht: „Was ist eigentlich los mit Ihnen, Herr Laschet?“ Was auch immer sie meinte, worauf auch immer sie sich bezog: Solche Momente machten markant, warum sie als grüne Kanzlerin in spe absolut glaubwürdig Ambitionen formuliert. Baerbock vermochte ihre männlichen Konkurrenten schon in puncto Wachheit auszustechen: Das werden sich viele Wähler*innen gewiss positiv im Gemüt gemerkt haben.
Am Schluss, als die drei die möglichen Koalitionen formulieren sollten, für die sie gesprächsbereit wären, wiederholte Laschet, verkrampfter als bei den anderen Triells, es ginge um eine bürgerliche Führung in einer neuen Regierung oder Rot-Grün-Rot. Scholz wie Baerbock schienen fast darüber cool hinwegzugehen, Scholz jedenfalls sagte, für ihn sei Rot-Grün das Erwünschte. Und schließlich sollten sie alle drei Punkte nennen, sehr knapp gehalten, die ihnen in der Regierung am wichtigsten wären. Baerbock und Scholz sagten, was sie so sagen. Laschet zählte auf: Europa – er als Einziger –, Klimapolitik mit einer besseren Wirtschaft und innere Sicherheit. Dass er das Thema soziale Gerechtigkeit nicht erwähnte, könnte der Nagel zu seinem politischen Sarg sein, durch ihn selbst gereicht.
Zum Schluss die Randbemerkung: Linda Zervakis genderte und sprach mit Glottisschlag. Claudia von Brauchitsch, immerhin, sprach von Kandidaten und der Kandidatin; in den Einspielfilmchen wurde durchweg gegendert. Sprachfreshness macht also auch vor privaten Sendern wie SAT1 und Pro7 nicht halt.
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