Diversität bei den Grünen: Macht abgeben
Die Grünen haben verstanden, dass Frauenquote und Flügel nicht alles sind. Sogar in Brüssel könnte bald ein jüdischer Migrant Chef der Grünen werden.
I n der nächsten Bundesregierung wird mit Cem Özdemir erstmals ein Minister mit türkischen Wurzeln sitzen. Ein in Teheran geborener Grüner, Omid Nouripour, wird wahrscheinlich neuer Parteichef. Und Nachfolger für Sven Giegold, der ins Wirtschafts- und Klimaministerium wechselt, könnte Sergey Lagodinsky werden: ein jüdischer Migrant aus der ehemaligen Sowjetunion. Ein Jude an der Spitze der deutschen Grünen im Europaparlament – auch das wäre ein Paukenschlag und ein politisches Statement.
Es hat sich etwas getan bei den Grünen. Sie haben verstanden, dass man nicht nur bei anderen fordern kann, die ganze Breite der Gesellschaft abzubilden, sondern auch selbst dazu bereit sein muss. Und zwar auch dann, wenn andere dabei auf der Strecke bleiben. Bei der Vergabe der begehrten grünen Ministerposten hat es Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt getroffen. Sie wurden nicht für ihre Arbeit als Fraktionsvorsitzende „belohnt“. Wobei man sich fragt, warum eine äußerst gut bezahlte politische Tätigkeit überhaupt extra gewürdigt werden muss.
Vor allem aber bedeutet Diversität, dass Macht abgegeben und geteilt werden muss. Multikulti ist eben nicht nur Karneval der Kulturen. Der Kuchen schmeckt in einer diversen Gesellschaft nicht nur weniger deutsch, sondern er muss auch mit mehr Menschen geteilt werden. Wenn dann die, die sonst immer die großen Stücke beanspruchen konnten, sich jetzt mit kleineren oder gar nur Krümeln begnügen müssen, kann man keinen Applaus erwarten.
Vor allem aber wirft es lieb gewonnene grüne Kategorien über den Haufen. Bisher wurden die Listen und Posten nach Geschlecht und Flügelzugehörigkeit verteilt. Beides hat eine gewisse Berechtigung – die im Frauenstatut verankerte Frauenquote mehr, die aus Gewohnheit berücksichtigten Flügel weniger. Diversität ist im Vielfaltsstatut festgelegt, hat aber bisher kaum Berücksichtigung gefunden. Ein Kandidat mit migrantischen Wurzeln wurde im Zweifel lediglich als Realo oder Linker eingeordnet, als zähle der Rest nichts. Dass sich das nun ändert bei den Grünen, ist erfreulich und überfällig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies