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Die neue Regierung in BerlinDie, die im Weg stehen

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Berliner SPD und die Letzte Generation haben eins Gemeinsam: das Unverständnis der Massen. In der Folge blockieren beide die Stadt auf ihre Art.

Berlin steckt fest Foto: Christian Mang/reuters

W as haben die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen und die Berliner SPD gemeinsam? Es fehlt ihnen an Rückhalt in der Bevölkerung. Und weil ihnen nichts Besseres einfällt, blockieren sie die Stadt. Jede auf ihre Weise. Das ist aufregend – im Wortsinne.

Die einen regen sich auf über diese klebrigen Aktivisti, die sich frecherweise den Au­to­fah­re­r:in­nen in den Weg setzen. Und weil deswegen der eine oder andere Krankenwagen im Stau steht, empören sich lautstark die wohlfeilen Klimapolitikversager bis hoch zu CDU-Generalsekretär Mario Czaja über „Geiselhaft“ oder gar Bundesjustizminister Marco Buschmann über „Nötigung“. Dabei sagt selbst die Berliner Feuerwehr, dass es am Montag zwar schlimm war mit dem Verkehr in der Stadt, aber eben auch nicht schlimmer als an anderen Tagen.

Was wirklich das Problem ist, wird deutlich, wenn man die Lage mal extrem zu Ende denkt. Gäbe es an keinem Tag Klimakleber auf den Straßen, stünden die Krankenwagen immer noch im Stau. Gäbe es an einem Tag aber keins dieser den Stau bildenden Autos, käme jeder Rettungsein­satz problemlos an jedes Ziel. Dumm nur, dass die, die da Tag für Tag die Berliner Straßenblockade bilden, nicht sehen, dass sie selber das Problem sind. Und in ihrer Blindheit auch noch von ­populistischen Meinungsmachern angefeuert werden.

Ganz ähnlich ist die Lage bei der SPD, über die ebenfalls viele stöhnen in Berlin. Die sitzt seit sage und schreibe 34 Jahren in der Berliner Regierung. Mal als Chefin, mal – wie nun wieder – als Beiboot der CDU. Dass die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen in der Hauptstadt die Opposition stellten, ist länger her als der Mauerfall.

Selbsterkenntnis ist nicht angesagt

Man kann daher zweifelsohne behaupten, dass die SPD an jedem einzelnen Problem der Stadt – und davon hat Berlin bekanntlich viele – zumindest eine Mitschuld trägt.

Doch statt zu erkennen, dass vor allem sie selbst die Mutter aller Probleme ist, schimpft die SPD lieber über die nervigen Grünen und Linken, legt nach einer heftigen Wahlklatsche den Rückwärtsgang ein und versucht es nun in einer Koalition mit der Union – selbst fast die Hälfte ihrer Parteibasis weiß nicht, was daran gut sein soll.

Franziska Giffey ist das egal. Die SPD-Landes­chefin sieht sogar eine „klare Mehrheit“ für das schwarz-rote Bündnis. Es ist wie mit den Au­to­fah­re­r:in­nen im Stau. Bei Pro­blem­ver­ur­sa­che­r:in­nen ist Selbsterkenntnis nicht wirklich angesagt.

Die Folge der SPD-Blockade ist fatal. Denn die Rettungswagen, die eine Hauptstadt mit Kontinentalklima in Zeiten des Klimawandels dringend nötig hätte, werden weiter im Stau stehen. Und das liegt nicht an den Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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16 Kommentare

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  • Als Fahrradfahrer denke ich manchmal: Autofahren hat diverse Nachteile gegenüber dem Fahrrad. Ich sag mal bis 30 Min. zur Arbeit ist 10 Monate im Jahr für 70% der arbeitenden Bevölkerung zumutbar. Mit EBikes geht es noch viel besser. Das sind Zahlen aus der persönlichen Einschätzung und haben keine Grundlage durch Studien.



    Jetzt zu den Nachteilen des Auto fahrens. Ölverarbeitende Industrie zerstört ganze Landstriche, fossile Brennstoffe tragen zur Klimaerhitzung bei, Bei der Herstellung von Autos werden Unmengen a Resourcen verbraucht, Unfälle führen zu gefährlichen Verletzungen und schlimmer, Feinstaub in der Luft führt zu Lungenkrankheiten vermehrt bei anderen Verkehrsteilnehmern, die verminderte Bewegung der Autofahrer schlägt sich in den Gesamtkosten der Krankenkassen nieder. Was noch? YOU NAME IT. Ich verstehe nicht wie das argumentativ gegen Bequemlichkeit und Autoliebe stehen kann?.

  • Die Massen, die einfachen Leute sind der Souverän dieses Landes...man sollte diese m.E. nicht so abfällig beschreiben

  • "Gäbe es an einem Tag aber keins dieser den Stau bildenden Autos, käme jeder Rettungsein­satz problemlos an jedes Ziel. Dumm nur, dass die, die da Tag für Tag die Berliner Straßenblockade bilden, nicht sehen, dass sie selber das Problem sind. Und in ihrer Blindheit auch noch von ­populistischen Meinungsmachern angefeuert werden."



    Populismus sehe ich hier nur vom Autor - der Berliner ÖPNV ist im Berufsverkehr völlig überlastet. Stehplatz und Gedränge sind die Regel, nicht die Ausnahme.



    Ich lese immer nur Autos stehen lassen und auf den ÖPNV umsteigen - schöne Idee - es wäre aber um ein Vielfaches schöner, wenn irgendjemand mal auch schreiben würde, wie das ad hoc gehen soll. Woher die zusätzlichen Bahnen, woher das zusätzliche Personal, woher und wo lang die zusätzlichen nötigen Gleiskörper, etc...



    Die Mobiltät unserer Städte muss völlig neu gedacht werden, keine Frage - also bitte immer her mit konkreten und realistischen Optionen statt dem ewig populistischen Singsang "Autos einfach stehen lassen".

  • "Und weil deswegen der eine oder andere Krankenwagen im Stau steht"

    Kleine Korrektur: Krankenwagen stehen nicht wegen der AktivistInnen im Stau, sondern weil die netten Autofahrer keine Rettungsgasse bilden. Und das häufig und auch ganz ohne, dass die Letzte Generation mal eine Aktion macht.

    • @Jalella:

      Da sagt die Feuer in Berlin noch immer was anderes.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Dazu müsste man halt verstehen (können), was Gemeinwohl ist, und wie es funktioniert. In einer kapitalistischen Gesellschaft offenbar eine rare Fähigkeit.

  • Durch den Autoverkehr sterben ja auch sehr viele Menschen. Sei es nun an den Abgasen und dem Feinstaub oder durch Unfälle.

    Da ist es doch gut, wenn die Dinger stehen, da passiert wenigstens nichts.

    • @Dirk Karstädt:

      Abgase und Feinstaub werden auch im Stau weiter ausgestoßen - Autos mit einer Start-Stopp-Automatik sind noch deutlich in der Minderheit - das Durchschnittsauto auf deutschen Straßen ist laut diverser Statistiken 10 Jahre alt - somit auch die Technik.

    • @Dirk Karstädt:

      Sehen Sie anders, wenn Sie gerade mit Herzinfarkt in eine Klinik gebracht werden und Ihr Überleben von der Schnelligkeit der Hilfe anhängt.

      Dannemp finden Sie Ihren Kommentar möglicherweise sogar als menschenfeindlich.

      Rettungswagen sind eben auch Autos.

      Klimagegner könnten sich ja an Kreuzfahrtschiffe an oder teure Yachten kleben.

      Nur sitzt man dann eben nicht mitten in der Hauptstadt.

  • Der Vergleich ist ein wenig an den Haaren herbeigezogen.



    Nur zur Erinnerung, liebe BerlinerInnen:



    Ihr habt gewählt!



    So wirklich viel über Inhalte , die die letzte Koalition in den Verhandlungen entzweite, konnte man/frau ja nicht lesen. Bloße Behauptungen " die, oder aber: die! sind schuld", ist ja nicht gerade eine journalistische Meisterleistung.



    Es wurde von der SPD verbreitet, sie hat viel sozialdemokratisches in den Koalitionsvertrag geschrieben.



    Wäre es nun, nachdem die Koalition zustande kommt, vielleicht mal angebracht, dies öffentlich auszuformulieren, statt nur Ressentiments zu schüren?



    Was die angebliche Blockadepolitik der SPD betrifft, so war zu hören, dass einige Milliarden für den Klimaschutz bereit gestellt werden.



    Wenn dies das Thema ist, was scheinbar unter den Nägeln brennt, ist das doch das Gegenteil von Blockade?!

  • Frage 100 täglich rauchende Menschen, ob sie suchtkrank sind und es werden wohl höchstens 20% das bejahen!



    Frage 100 PKW-Nutzendende Menschen, ob sie suchtkrank nach PKW-Nutzung sind und es werden wohl höchstens 10% das bejahen.

    Die Tatsache, dass regelmäßige und leicht vermeidbare (also fast jede) PKW-Nutzung eine selbstzerstörerische Suchtkrankheit ist, ist in dem Bewusstsein der allermeisten PKW-Nutzendenden einfach nicht vorhanden.



    Verständlich, denn:



    Wer gesteht sich schon gerne ein, dass mensch (sucht-) krank ist.

    • @tsitra:

      Antwort eines mehrfachen PKW Nutzenden bzw. Besitzenden.



      Ja ich bin Süchtig nach Auto, Motorrad und Flugzeug. Seit meinem 15 Lebensjahr fahre ich Motorisiert und werde das jedenfalls nicht aus eigenen Willen ändern.



      Die Sucht ist so groß dass wir aufs Land gezogen sind. Weniger Staus, eigenen Stellplatz und Doppelgarage.



      Zusätzlich fahren wir noch 3-4 Mal im Jahr auf div. Fahrzeugrennen und Eventveranstaltungen wie Creme21 und wenns geht jedes Sommerwochenende mit den Mopeds im Land herum.



      Ja, wir sind gerne süchtig und meine Kinder haben diese Faszination auch übernommen.

    • @tsitra:

      Nach der "Logik" wäre auch regelmäßiges Radfahren eine Sucht. Genauso der ÖPNV.

      • @Chris McZott:

        Mag sein, aber der Unterschied ist hoffentlich einfach zu sehen.

        Radfahrsucht: Hat im Vergleich zum PKW kaum nennenswerte Auswirkungen auf die Mitmenschen.

        • @Oliver Lange:

          Radfahrsucht. Wenn man denkt, man hat in den taz-Kommentaren schon jeden denkbaren Schmarrn gelesen...

  • Wie heißt es so schön:

    Sie stehen nicht Stau...Sie SIND der Stau..

    Und diese kleine Weisheit läßt sich offenbar auch gut auf die Politik übertragen: wer zu lange im Betrieb ist verliert den Blick fürs Ganze...

    Gilt für die meisten Autofahrer...und so manchen Politiker..und wenn ich so recht überlege eigentlich auch für einen Großteil der Menschen in diesem unseren Wirtschaftssystem...

    Also einfach mal ne Zeit lang aussteigen... dann kriegt man auch wieder den Blick fürs Ganze...