Die AfD in Ostdeutschland: Nicht Standortrisiko. Lebensrisiko!

„Das größte Standortrisiko für Ostdeutschland ist die AfD“, sagt Finanzminister Lindner. Das ist Hohn für alle, die unter rechter Gewalt leiden.

Ein Plüschtier

Die Sonneberger Firma Plüti gab schon vor dem AfD-Sieg auf Foto: Steve Bauerschmidt/imago

Gewohnt glatt navigiert sich Christian Lindner (FDP) am Montag im thüringischen Weimar durch eine Diskussion mit Bür­ge­r*in­nen – erst als das Thema AfD aufploppt, gerät der Finanzminister in etwas schwierigeres Gewässer. Am Wochenende hat AfD-Mann Robert Sesselmann in Sonneberg die Landratswahl in einer Stichwahl gewonnen. Ein weiteres Bröckeln der Brandmauer. Ein junger Mann will nun von Lindner wissen, ob die Bundespolitik auch einen Anteil am Erfolg der AfD hat.

Lindner kann diesem Narrativ nicht zustimmen. Er betont, dass niemand aus einer Unzufriedenheit heraus die AfD wählen müsse. „Es tut mir in der Seele weh, es zu sagen, aber im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen“, sagt er. Ihm muss bewusst gewesen sein, welche Abwehrreflexe diese Aussage in der liberalen Wählerschaft auslöst. Auf dem letzten FDP-Parteitag hatte er ja noch versprochen, für ein „nicht linkes Deutschland“ zu kämpfen. Er schiebt also noch vorsichtshalber nach: „Bitte zitieren Sie mich damit nicht, das ist keine Wahlempfehlung.“ Womit er sich eigentlich als Medienprofi sicher sein kann: Damit schafft er es in die Schlagzeilen. So kam es.

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Das Traurige ist: Die einen feiern Lindner nun für dieses absolute Minimum an Antifaschismus. Allein das verdeutlicht, wie rechts der Diskurs bereits ist. Im Grunde genommen hat er damit nur gesagt, dass die Linkspartei nicht mit der Höcke-AfD verglichen werden kann. Womit er absolut recht hat. Für Teile der liberal-libertären Blase war das aber offenbar schon so schwer verdaulich, dass Lindner selbst diese Aussage nachträglich noch mal einordnen musste: „Niemand muss AfD wählen, wenn er populistische Sozialpolitik will. Die gibt es auch bei der Linken.“

Das anti-linke Feindbild musste also doch noch bedient werden. Dabei sind sich die Wahlprogramme von AfD und FDP, sachlich betrachtet, viel ähnlicher. Und man kann an dieser Stelle auch kurz daran erinnern, dass Höcke-Handschlag-FDP-Mann Thomas Kemmerich immer noch Chef der Thüringer FDP ist und im kommenden Wahlkampf mit seiner Bekanntheit punkten möchte.

Verwertung wichtiger als Betroffene

Welche Aussage Lindners aber viel weniger kontrovers diskutiert wurde, ist folgende: „Das größte Standortrisiko für Ostdeutschland ist die AfD.“ Ähnlich formulierte das auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch sie fürchtet, dass das Hoch der AfD Fachkräfte abschreckt und die deutsche Wirtschaft schwächt. Für manche bei Lindners Auftritt in Weimar ist diese Einordnung sogar einen Applaus wert. Dabei ist sie Hohn für alle, die unter rechter Gewalt leiden. Wird Rechtsextremismus erst zum Problem, wenn die Wirtschaft und der Wohlstand gefährdet sind? Wenn kein Ausländer mehr kommt, um Koffer zu schleppen und den Pflegenotstand zu beheben?

Die Aussagen von Lindner und Faeser mögen einen wahren Kern haben. Keine qualifizierte Fachkraft, die die Wahl hat, geht freiwillig in ein kaltes Land mit einer schwierigen Sprache, in dem sie auch noch Angst um ihre Sicherheit haben muss. Aber die gewählten Worte offenbaren, dass die kapitalistische Verwertungslogik für diese politischen Entscheidungsträger schwerer wiegt als die Sicherheit von Betroffenen. Rechtsextremismus ist nicht in erster Linie ein Standortrisiko für die Wirtschaft, sondern ein Lebensrisiko für alle, die nicht in das beschränkte Weltbild von Rechten passen.

Und zur Wahrheit gehört auch: Dieses Risiko besteht in Deutschland nicht nur im Osten und nicht erst seit dem Aufkommen der AfD. Das Hoch dieser Partei ist nur die politisch-parlamentarische Verfestigung eines Grundproblems. Die Bundesrepublik, die sich gerne als Aufarbeitungsweltmeisterin feiert, hat eine lange Tradition rechtsextremer und rassistischer Gewalt.

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