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Debatte um iranischen FeminismusWestliche Besserwisserinnen

Feministische Kulturrelativistinnen kritisieren den Kampf der Iranerinnen gegen den Hidschab-Zwang. Wie konnte der Westen nur so unsolidarisch werden?

Die Filmemacherin Nahid Persson (li.) und die Aktivistin Masih Alinejad Foto: SWR/RealReal Doc AB

D er Kampf iranischer Frauen gegen den Schleierzwang ist so alt wie die Islamische Republik selbst. Im März 1979 ordnete Revolutionsführer Ruhollah Chomeini per Dekret den Schleierzwang in der Öffentlichkeit an. Unmittelbar darauf gingen iranische Frauen zu Hunderttausenden in allen großen Städten Irans auf die Straße. „Wir wollen keinen Schleierzwang“, riefen sie, und: „Freiheit ist weder westlich noch östlich, sondern universell“.

Damit markierten die für ihre Rechte kämpfenden iranischen Frauen den Schleierzwang als Angriff auf die Errungenschaften der Emanzipation, die sie als universell begriffen und selbstverständlich für sich in Anspruch nahmen. Westliche Feministinnen wie Kate Millet aus den USA reisten in den Iran und zeigten ihre Solidarität. Etwas Ähnliches wäre heute kaum noch vorstellbar. Denn hierzulande dominieren zunehmend Kulturrelativistinnen, die sich als feministisch begreifen, die Debatten.

Beispielhaft für diesen Ansatz steht die Kritik an dem Dokumentarfilm „Mit wehenden Haaren gegen die Mullahs“. Regisseurin Nahid Persson wird vorgehalten, sie reproduziere gefährliche westliche Ideologien. Persson kommt selbst aus dem Iran, ihr Bruder wurde hingerichtet.

Ihr aktueller Film porträtiert die Aktivistin Masih Alinejad, die den Kampf iranischer Frauen gegen den Schleierzwang weltweit bekannt macht, aber auch Proteste gegen Willkürherrschaft, Korruption und Gewalt. Perssons Film zeigt, wie iranische Frauen Kraft daraus schöpfen, dass ihre Proteste wahrgenommen werden. „Ich schreie, weil ich weiß, dass du uns überall Gehör verschaffst“, erklärt Shahnaz Akmali, deren Sohn bei einer Kundgebung erschossen wurde.

Monireh Kazemi

verließ ihre Heimat Iran Mitte der 1980er Jahre, studierte Ingenieurwissenschaften in Berlin und setzt sich für Frauenrechte und Selbstbestimmung ein.

Mit wehenden Haaren gegen die Mullahs

Ulrike Becker

ist Historikerin und arbeitet für das Mideast Freedom Forum Berlin.

Alinejad erhält täglich unzählige Anrufe und Videos aus dem Iran. Die kulturrelativistischen Kritikerinnen gehen auf all die Nöte der Frauen, die der Film zeigt, nicht ein. Frauen bräuchten keine Stimme, die für sie spricht. Damit verhöhnen sie diejenigen, die sich an Alinejad wenden, weil es im Land kaum möglich ist, feministische Kämpfe bekannt zu machen.

Laut Reporter ohne Grenzen ist der Iran ein totalitäres Regime, eines der repressivsten Länder der Welt, auf Platz 178 von 180 Staaten bei der Meinungsfreiheit. Einige der im Film gezeigten Frauen haben für ihren Kampf gegen den Schleierzwang jahrzehntelange Haftstrafen erhalten, sie wurden geschlagen und gefoltert. Die Ärztin Zahra Bani Yaghoub starb in ihrer Zelle, nachdem sie festgenommen worden war, weil sie unverheiratet neben einem Mann auf einer Parkbank saß.

Kulturrelativistinnen halten dagegen etwas anderes für gefährlich. Alinejad reproduziere eine Idee aus der Kolonialzeit, nämlich dass weiße Männer Frauen of Color vor Männern of Color schützen müssen. Es ist empörend, wenn der Kampf iranischer Frauen so zu einer Sache weißer Männer umgedeutet wird. Das funktioniert nur unter Ausblendung der Geschichte der iranischen Frauenbewegung wie auch der Tatsache, dass fast alle Protagonistinnen des Films Frauen aus dem Iran sind. Weiße Männer kommen gar nicht vor.

Der Aktivistin wird zudem vorgeworfen, mit ihrer Arbeit Vorstellungen westlicher Überlegenheit zu reproduzieren. Es wird argumentiert, Alinejad bediene die Erzählung, dass Frauen vom Kopftuch und damit vom Islam befreit werden müssten – und die USA als Land der Demokratie und Freiheit sie retten könne.

Die Ursachen der Empathielosigkeit

Den Kampf gegen die totalitäre Gewaltherrschaft als islamfeindlich zu framen ist eine Argumentationsstrategie des islamistischen Regimes, um Kritik zu delegitimieren. Alinejad kritisiert nicht den Hidschab an sich, sondern den Hidschab-Zwang. Und sie versteht sich als Sprachrohr der Frauen im Iran, denen unter Androhung von Gewalt das Sprechen verboten wird, nicht als ihre Anführerin aus dem Westen.

Alinejad wurde 2009 ins Exil gezwungen, ist jedoch weiter Ziel iranischer Geheimdienste. Das FBI vereitelte einen Versuch, die prominente Aktivistin aus ihrem Haus in Brooklyn zu kidnappen und in den Iran zu entführen. Welches Schicksal sie dort erwartet hätte, zeigt der Fall des Journalisten Jamshid Sharmahd, der 2020 in den Iran entführt wurde und dem jetzt die Todesstrafe droht.

Woher kommen diese Entsolidarisierung, die Empathielosigkeit und die Anklagen gegen eine Frau, die ihr Leben dem Kampf der iranischen Frauen für Selbstbestimmung widmet und dafür mit Mord und Folter bedroht wird? Die Dominanz postkolonialer Theorien hat dazu geführt, dass westliche Linke auf politische Bewegungen im Globalen Süden, die sich an universellen Menschenrechten orientieren, zunehmend mit dem Vorwurf einer „mentalen Kolonisierung“ reagieren.

Diese feindselige Haltung gegenüber feministischen Kämpfen im Iran hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass sich Teile progressiver Kreise seit Jahrzehnten weigern, emanzipatorische Kritik an den Zuständen im Iran zu formulieren.

Frauenrechte als neuer Nebenwiderspruch

Ironischerweise fällt den Kritikerinnen nicht auf, dass sie als weiße privilegierte Frau einer Iranerin erklären wollen, welche feministischen Kämpfe im Iran relevant sind und welche nicht. Vollmundig wird dabei gern behauptet, das Patriarchat müsse als globales Phänomen betrachtet und bekämpft werden. Eine Forderung, die sicherlich richtig ist und trotzdem an die Argumentation männlicher deutscher Linker in den 1960er Jahren erinnert, die konkrete Kämpfe für Frauenrechte zu einem „Nebenwiderspruch“ erklärten.

Feministische Kulturrelativistinnen delegitimieren die Kämpfe um Selbstbestimmung. Sie ignorieren, dass nicht nur der Grad patriarchaler Gewalt, sondern auch die Mittel zu ihrer Durchsetzung global unterschiedlich sind. Iranische Frauen werden nicht warten, bis das Patriarchat als globales abstraktes Konstrukt abgeschafft ist, und sie werden ihre Kämpfe nicht dem ideologischen Wohlbefinden von westlichen Linken unterwerfen, die lieber über sie urteilen, statt mit ihnen zu sprechen.

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62 Kommentare

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  • 2G
    21659 (Profil gelöscht)

    "Woher kommen diese Entsolidarisierung, die Empathielosigkeit und die Anklagen gegen eine Frau, die ihr Leben dem Kampf der iranischen Frauen für Selbstbestimmung widmet und dafür mit Mord und Folter bedroht wird? Die Dominanz postkolonialer Theorien hat dazu geführt, dass westliche Linke auf politische Bewegungen im Globalen Süden, die sich an universellen Menschenrechten orientieren, zunehmend mit dem Vorwurf einer „mentalen Kolonisierung“ reagieren."







    "Iranische Frauen [...] werden ihre Kämpfe nicht dem ideologischen Wohlbefinden von westlichen Linken unterwerfen, [...]."







    Hier steht es schon klug und treffend zusammengefasst drin. Es geht den "Kulurrelativistinnen" oder "Kulurrelativisten" nicht um Empathie mit den Frauen im Iran. Es geht um sie Ideologie, und die hat immer Recht. Diese Phänomen ist seit einigen Jahren wieder stark auf dem Vormarsch. Statt zu versuchen dem Menschen ideologiefrei zuzuhören und eben dadurch Empathie zu entwickeln, wird geschaut,ob und wie das Ganze in die Ideologie passt. Diese unsägliche und zumeist auch intellektfreie Haltung hat es bei einem Teil der "Linken" auch früher bereits gegeben. Es geht nicht um Menschen, es geht um die Ideologie, den Glauben. Dafür ist man auch bereit Verbrecher, Terroristen und Unrechtsregime zu verherrlichen und zu unterstützen. Nur selbst unter den auferlegten Regeln in diesen Ländern und Gesellschaften leben, das wollte und will nahezu niemand dieser "Linken". Es träumt und fabuliert sich leichter in der Freiheit.

  • In dieser Auseinandersetzung bemerke ich ein Aneinander-Vorbei-Reden von Iranerinnen und sunnitischen Araberinnen und deren Unterstützerinnen.



    Dabei sollten alle die Unterschiede besser verstehen:



    Gibt es in Europa Frauen, die eine Burka tragen? Ich glaube kaum.



    Diese fliehen nicht mit, sondern vor der Burka. Diese Umhüllung gibt es nur in Afghanistan - das ist Paschtunisch.



    Das Burkaverbot Österreichs trifft also die Nikabs gar nicht - die in Europa vereinzelt getragen werden - von missionarischen Wahhabitinnen.



    Tschador wird man auch in Europa nirgends sehen - die Umhüllung im Iran. Ziele und Motive sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich.



    Anlass war also eine Kritik von Julia Neumann an den Protestaktionen von Masih Alinejad - Julia Neumann hat quasi mit der Verteidigung der "arabisch-sunnitischen Authentizität" die Kritik der Perserinnen an dem theokratisch-abergläubischen Regime in Teheran kritisiert.



    Beide Denkrichtungen zielen auf Berechtigung / Empowerment und Gerechtigkeit.



    Und in den arabischen Ländern fiel die Kritik an sozialer Ungleichheit und an der Tyrannei des Despoten nicht in eins, wie seit 43 Jahren im Iran, sondern Kritik am Despoten wurde neben den linken und progressiven Studierenden auch von Islamisten, Tugendmoralisten geübt, dass das Regime gottlos sei.



    Eine öffentlich-rechtliche nicht sektenhafte, säkulare Ordnung wie die hiesige sollte die Initiativen der säkularen nicht-religiösen Bürgerrechtler/innen fördern und der gegen Diskriminierung gerichtete Diskurs sollte aufhören die antimodernen Fitna/Aberglauben-geprägten Auffassungen zu verteidigen.

  • Eine freie Wahl der Bekleidung wird mit dem Westen gleichgesetzt, ebenso wie eine freie Sexualität. Deshalb sollte man anderen Kulturen doch bitteschön aus Respekt zugestehen, ihre Frauen und Bevölkerung zu unterdrücken. Ach was....die iranischen Frauen wollen es wahrscheinlich gar nicht anders aber manche Spielverderberinnen werden nun von westlichen Agenten zu Unzucht und Frevel verführt.

    Das ist historisch falsch, denn es ist noch nicht so lange her als Frauen hierzulande nicht viel mehr als heiraten, in die Kirche gehen und Kinder kriegen durften.



    Es ist auch im Bezug auf den Iran historisch falsch, denn bis 1979 gab es im Iran keinen Kopftuchzwang. Das ist nicht die Kultur des Irans, sondern ein von oben auferlegter Zwang

  • Ich könnte platzen…

    … wenn ich diese taz-Berichte über Masih Alinejad und erst recht die Kommentare dazu lese!

    Dieses (pseudo-)intellektuelle Bashing über die Aktivitäten von Frau Alinejad ist ja kaum noch auszuhalten. In unserer westlichen Hemisphäre verstehen weder Linke noch Rechte worum es bei diesem Kampf wirklich geht.

    Ja, es geht um Frauenrechte - und doch geht es um soooo viel mehr! Wer glaubt, dass im Iran das Tragen des Hijab ein Statement pro oder contra Islam wäre, der fällt auf das Framing der Mullahs herein. Es ist nämlich nur noch und ausschließlich ein Symbol. Ein Symbol der Unterdrückung durch einen Unrechtsstaat!

    Für iranische Frauen klingt es extrem verstörend welche Theorien hier geäußert werden und wessen Interessen sie verfolgen oder bedienen würden. Um es noch einmal klar darzustellen, es geht nicht um den Hijab an sich und auch nicht um „islamische Werte“ contra „westliche Werte“.

    Das Geflecht aus Sittenwächtern, Revolutionsgarde, willkürlicher Rechtsprechung, Inhaftierung, Folter und Exekution wurde von den Mullahs geschaffen um ihre fortwährende Machtposition zu erhalten. Dieses System ist aber sehr fragil und wird nur von einem winzigen Teil der Bevölkerung gestützt. Dennoch sollte die westliche Welt nicht glauben, dass die Mehrheit durch Demonstrationen oder irgendwelche demokratischen Prozesse eine Änderung herbeiführen könnte. Es benötigt Aufmerksamkeit und Unterstützung von Außen.

    Dieses System ist so perfide gegen die eigene Bevölkerung ausgerichtet, daneben erscheint die ehemalige Stasi wie eine Truppe von Amateuren.

    Wenn im Iran die Hijab-Pflicht fallen würde, wäre der Weg für viel wichtigere Veränderungen bis zum Sturz des Regimes frei!

    Der „freie Westen“ nimmt dies überhaupt nicht ausreichend zur Kenntnis. Masih Alinejad ist das Sprachrohr mit internationaler Reichweite für eine Bewegung zur Befreiung des gesamten Irans von einem verlogenen, korrupten und hoch kriminellen Regime!

  • @O.F.



    Die Autoren benutzen "Kulturrelativismus" regelrecht als Schimpfwort; das ist unterbegründet, weil die Universalität eigener Wertvorstellungen unbewiesen bleibt, und blendet aus, dass die andere Seite nicht weniger von der Universalität der eigenen Werte überzeugt ist. "

    Entschuldigung, aber damit exkulpieren sie auch (Neo) Nazis. Ihre Äußerungen empfinde ich als sehr gefährlich.

  • Veemeintlich Linke/Progressive demonstrieren aktuell in Basel auch gegen die Staatsgründung Israels. Wenn ich dss alles so lese, erscheint die Hufeisen-Theorie (zumindest in Bezug auf gewisse Geisteshaltungen) doch nicht ganz so abwegig...

  • Wie konnten westliche Westengegner nur den Abzug der ISAF aus Afghanistan über 20 Jahre fordern und im August 2021 befürworten?



    Bei all dem Bomben und Morden.



    So viele ermordete Frauenrechtlerinnen.



    Unterstützen wir die Menschen, die einen Islam praktizieren wollen, der Individualität, Kritik und Vielfalt zulässt.



    Gegen Imame, die sich von ihren abergläubischen Phantasien leiten lassen.

  • Ist es nicht schön, dass wir hier pro und contra schreiben dürfen, während im Iran, Afghanistan und anderen Ländern dies nicht erlaubt ist. Und zu allem Unglück reichen die dortigen terroristischen Regimes mithilfe der Religion ein Unterdrückungsinstrument an die männliche Bevölkerung weiter. Frau sein in diesen islamistischen Ländern heißt rechtlos zu sein, hinsichtlich Scheidung, Erbe, Kleidung. Sogenannte Feministinnen, die mit solchen Frauen und ihren Wortführerinnen keine Solidarität kann man dann nicht mehr abnehmen, dass sie etwas von Frauenrechten verstehen.

  • Für manche Teile der Linken hat es weniger was mit dem westlichen Besserwissen zu tun, sondern damit, dass sie in dem Mullah-Regime einen Verbündeten sehen.

  • Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, muss ich doch auf grundsätzliche Denkfehler in dem Artikel verweisen: Die Autoren benutzen "Kulturrelativismus" regelrecht als Schimpfwort; das ist unterbegründet, weil die Universalität eigener Wertvorstellungen unbewiesen bleibt, und blendet aus, dass die andere Seite nicht weniger von der Universalität der eigenen Werte überzeugt ist. Es ist natürlich verlockend, sich auf diese Weise a priori ins Recht zu setzen; man muss sich aber fragen, auf welcher Grundlage hier Solidarität mit einer Seite eingefordert wird. Die iranische Gesellschaft ist zweifellos polarisiert (auch die iranischen Frauen, die ja keineswegs alle westlich-liberal sind); aber eine solche Polarisierung zu überwinden und zu einem für eine solide Mehrheit tragbaren modus vivendi zu finden, ist erst einmal Sache der iranischen Bevölkerung.Der Anspruch, dass "der Westen" hier der den eigenen moralischen und politischen Vorstellungen näher stehende Seite unterstützen müsste ist paternalistisch und und letzlich auch unehrlich (dass man sich für Frauenrechte im Iran mehr interessiert als für die in etlichen anderen Ländern hat wohl mit Motiven zu tun, die eher geopolitischer denn feministischer Natur sind). Solidarität heißt nicht, unsere eigenen Deutungsansprüche global durchzusetzen, sondern anderen Gesellschaften das Recht auf eine eigene Entwicklung zuzugestehen (und das impliziert die Pflicht, ihre internen Konflikt selbst zu lösen).

    • @O.F.:

      Es gab in den 1970er Jahren keinen Kopftuchzwang im Iran. Das wurde erst ab 1979 vom islamischen Regime eingeführt und ihr Denkfehler besteht darin, die iranischen Frauen als "westlich" anzusehen, wenn diese sich für ihre Rechte einsetzen.

      Ist Ihnen nebenbei mal aufgefallen wer diesen Artikel geschrieben hat und woher diese Frau stammt? Sie werfen also einer iranischen Frau vor zu westlich zu sein?

      • @Alfonso Albertus:

        Ich habe nicht geschrieben, dass Iranerinnen, die sich gegen die Kleiderordnung einsetzen, "westlich" sind, sondern dass die iranische Gesellschaft ihre Konflikte selbst lösen muss, ohne westliche Einmischung.



        Dass eine der Autorinnen Iranerin ist, weiß ich auch - aber wie ich schon geschrieben habe: woher wissen wir, wie repräsentativ diese Stimme ist?

        • @O.F.:

          @O.F.

          Der Iran soll seine "inneren Angelegenheiten" doch bitte intern lösen? Konzepte wie "internationale Solidarität" sind altmodisch?

          Sehe ich anders. Emazipatorische Kämpfe, dazu gehört der Kampf von Frauen gegen geschlechtsspezifische Unterdrückung, müssen international geführt werden.

          Früher wurden sogar Brigaden nach Spanien gesandt. Man hat den Kampf zwischen der Republik und dem Faschismus nicht als "innere Angelegenheit" abgetan.

          Wenn in den USA "people of colour" gegen Diskriminierung und Polizeigewalt kämpfen ­— sollten dann die USA ihre Konflikte selbst lösen, ohne europäische Einmischung? Oder ist aktive Solidarität gefragt?

          Oder ist der Kampf der Frauen im Iran einfach nicht der Mühe wert?

        • @O.F.:

          @Alfonso Albertus: Oh, ich sehe jetzt, auf welche Stelle Sie sich bezogen haben; lassen Sie mich das noch einmal klarstellen: wenn ich von westlich-liberalen Iranerinnen gesprochen habe, ging es mir an dieser Stelle nur darum, eine politische Position zu beschreiben, nicht darum, die Betroffenen rhetorisch auszubürgern.

    • @O.F.:

      "aber eine solche Polarisierung zu überwinden und zu einem für eine solide Mehrheit tragbaren modus vivendi zu finden, ist erst einmal Sache der iranischen Bevölkerung" und für so etwas brauchen sie Meinungsfreiheit, freie Wahlen, etc. alles was ihnen derzeit vorenthalten wird.

      "unterbegründet, weil die Universalität eigener Wertvorstellungen unbewiesen bleibt," fundamental können sie nichts beweisen die Naturwissenschaften basieren auf den unbeweisbaren Annahme des Empirismus, letztlich lässt sich nichts beweisen. Weil alle Ideen Systeme auf Annahmen beruhen.

      Wenn man Menschen ein mehr an Freiheit gibt nimmt man anderen nichts weg, daher muss derjenige gute Argumente bieten warum man Freiheit einschränken soll und nicht derjenige der ein mehr an Freiheit gewähren will.

    • @O.F.:

      Wer A sagt, muss auch B sagen:



      Die Art und Weise, wie islamistische Regimes meinen, IHRE Werte anderen Menschen überstülpen zu dürfen, ist indikativ für eine andere Einstellung zum Paternalismus als die westliche. Sie sehen diesen offensichtlich allenfalls im Verhalten ANDERER.

      Insofern ist auch die kritische Selbstbeschau, ob man sich paternalistisch verhält, die Sie vom Westen erwarten, eine nur innerhalb UNSERES Wertesystems gebotene Verhaltensweise. Und da innerhalb unseres Wertesystems die Freiheit als universelles Recht schwerer wiegt, ist auch unsere Offenheit für Menschern, die - wohlgemerkt als Teil oder zumindest Sprössling der iranischen Gesellschaft, nicht als Missionare des Westens - dort für Freieheit kämpfen, durchaus gerechtfertigt.

      Anders gesagt: Wir wollen doch die armen Mullahs nicht in den Grundfesten ihrer Weltanschuung stören, indem wir ihnen sowas für sie Abartiges wie [schauder] Selbstkritik vorleben, oder? 😇

      • @Normalo:

        Sie denke, Sie verkennen das Problem, wenn Sie die Rhetorik vom "islamistischen Regime" bedienen - denn der Punkt ist ja der, dass der Iran in Teilen auch eine islamistische Gesellschaft ist. Wieso sollte ich von außen entscheiden, welche Seite über die Geschicke dieses Landes entscheien darf? Wir sind kein globaler Schiedrichter (und die Vorstellung, Selbstkritik wäre eine allein westliche Tuged, ist anmassend - nicht nur weil sie andere Gesellschaften abwertet, sondern auch, weil sie uns zu viel Lob angedeihen lässt...).



        Der Verweis auf iranische Oppositionelle hilft hier eben nicht weiter: denn nur weil diese uns näher stehen, repräsentieren sie nicht unbedingt die Mehrheitsmeinung im Iran. Das ist ein Fehler, den wir ständig wiederholen - nicht nur mit Blick auf den Iran: wir hören nur denen zu, die sagen, was wir hören wollen - und sind dann erstaunt, wenn sich der Rest zu Wort meldet.

        • @O.F.:

          @O.F.

          Selbst wenn die iranische Gesellschaft in ihrer Mehrheit die strengen Bekleidungsregeln befürwortete, so wäre dies kein Grund, den Kampf einer Minorität von Frauen nicht trotzdem zu unterstützen.

          In Deutschland gab es auch schon Mehrheiten, die mindestens zugelassen haben, daß bestimmte Gruppen extrem unterdrückt und massenhaft ermordet wurden. Wem gehört unsere Solidarität?

          Meine gehört der auch noch so kleinen Minderheit, die sich gegen Unterdrückung und religiösen Bullshit wehrt.

          (Welches Mehrheit oder Minderheit im Iran sind, ist die Frage. Ich kenne viele IranerInnen. KeineR von denen war in seinem Leben jemals in einer Moschee — außer um sie zu besichtigen.)

        • @O.F.:

          Ob wer die Mehrheit repräsentiert, ist nur in freien Wahlen herauszufinden (die es im Iran nicht gibt), eine offene Diskussionskultur herrscht auch erst dann wenn, wenn Leute, die anderer Meinung sind, zu Wort kommen können, auch wenn sie möglicherweise NICHT die Mehrheit vertreten. Um mehr geht es nicht. Niemand schwingt sich auf, Alinejad und ihre Mitstreiter zu den neuen Herrschern des Iran auszurufen.

          Denn genau das ist im Iran das Problem: Dort hat ein winzig kleines Grüppchen von Klerikern das letzte Wort in Allem - was der Staat, was die Wählerschaft als ganzes und was die einzelnen Bürger so machen dürfen. Und sie denken tatsächlich, ihnen stehe das zu. Entschuldigen Sie, aber wenn ein derartiges Über-Quantum an Anmaßung im Raum steht, kann ich über Ihren Vorwurf angesichts meiner kleinen Stichelei nur milde kichern. Ich wüsste übrigens nicht, dass ich ein Gefälle in der Kritikfähigkeit zu irgendwelchen anderen Gesellschaften auch nur zart angedeutet hätte. Es ging nur um besagte Kleriker. Also legen Sie mir bitte keine faulen Eier in den Mund, über die Sie dann trefflich urteilen können. Ihnen liegt doch soviel an Sachlichkeit, sagen Sie immer...

          • @Normalo:

            Ich habe mich auf diese Stelle aus Ihrem Beitrag bezogen:



            "Insofern ist auch die kritische Selbstbeschau, ob man sich paternalistisch verhält, die Sie vom Westen erwarten, eine nur innerhalb UNSERES Wertesystems gebotene Verhaltensweise."



            Nun mag es sein, dass ich Sie falsch verstanden habe, bewusst in den Mund gelegt habe ich Ihnen aber nichts.



            Im weiteren möchte muss ich Ihnen in zwei Punkten widersprechen:



            Erstens ist ihr Bild iranischer Verhältnisse überzeichnet (es gibt dort, neben den theokratischen Elementen, auch republikanische Institutionen, eine durchaus kontroverse politische Landschaft (verfolgen Sie mal parlamentarische Debatten dort) und vor allem wird man auch nicht schon verhaftet, wenn man den Anschein von Dissens erweckt. Im Iran können Sie mit Einheimischen im Park oder Kaffee über Politik diskutieren - das ist nicht überall auf der Welt so.



            Ich insistiere darauf so, weil sich darin Grundprobleme unserer Art, über die Welt zu sprechen, äußern: wir machen es uns in Vereinfachungen bequem, die der Realität oft wenig gerecht werden, und machen gleichzeitig uns selbst zum Maßstab. Das ist aber unterkomplex und schadet uns langfristig selbst.

            • @O.F.:

              "Unterkomplex" - so kommt es mir aber auch vor, wenn "vom Westen" die Rede ist. "Den Westen" gibt es nicht. Als internationalistischer Linker bin ich vor allem solidarisch mit den mir (teils persönlich bekannten) Iranerinnen. Als Atheist bin ich solidarisch mit allen, die gegen religiösen Bullshit kämpfen, egal, ob im Iran, in Bayern, in den USA oder ob es um den Kreuzzug des christlichen Russlands gegen die "Feinde es Christentums und Satanisten in Kiew" geht. Damit stelle ich "im Westen" natürlich nur eine von tausend Positionen dar, vermutlich auch keine sehr relevante.

            • @O.F.:

              Ok, das Missverständis kann ich nachvollziehen, auch wenn es mir nach wie vor etwas "ergebnisorientiert" vorkommt...

              Zu Ihrem ersten Punkt: In einem Herrschaftssystem zählt, wer das letzte Wort hat. Und das hat im Iran der "Revolutionäre Rat" - in ALLEN Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders. ER gibt vor, worüber offen diskutiert und demokratisch entschieden werden darf und wer in Frage kommt, sich zum Diskutieren - namentlich im Parlament - zur Wahl zu stellen. Er hätte(!) auch vorzugeben, welche Freiheitsrechte der Staat NIEMANDEM nehmen kann, tut das aber an sehr entscheidenden Punkten eben nicht (Religion, Meinung, Presse, Wahl, Leben...).

              Damit fehlen letzlich dem Iran ganz wesentliche Elemente einer demokratischen Republik, und was verbleibt, ist allenfalls eine theokratisch-diktatorisch "gelenkte" Demokratie - die aber real etwa so demokratisch ist wie z. B. Putins Russland (das so gebaut ist, dass es Putins Russland bleibt, egal was die Russen denken).

              Das ist sicher ein My besser als ein rigides Ein-Meinungssystem á la Nordkorea. Aber fundamental unterscheidet es sich davon weniger als von einem System, das KEINE Autorität über dem demokratischen Souverän kennt. Sie können viel mit Lokalkolorit argumentieren, aber an dem Punkt geht es nicht um Wertsysteme sondern schlicht um die Frage, wer wem "zu sagen" hat und das bei Bedarf mit Gewalt durchsetzen kann, und das ist im Iran nicht das Volk den Mullahs, sondern die Mullahs dem Volk.

              Zu Ihrem zweiten Punkt: Den konnte ich nicht identifizieren. Dass Vereinfachungen die Sicht trüben, dürfte Allgemeingut sein und wurde von mir nicht bezweifelt. Aber vereinfachen tun hier SIE, wenn Sie "etwas Demokratie" gegenüber "Demokratie" kategorisch einen Topf schmeißen. Eine durch absolutistische Überstimmungsmöglichkeiten eingeschränkte Demokratie ist eben am Ende genau KEINE Demokratie.

    • @O.F.:

      Ich muss Sie da mal auf ein winziges Detail hinweisen, dass Sie übersehen haben und aus dem ihr kardinaler Denkfehler resultiert: Es gibt keinen freien politischen Wettbewerb im Iran! Die Mullahs bestimmen die Regeln des "Wettbewerbs", können jederzeit auf Fingerzeig Khameneis u anderer Eiferer Nicht Genehme aussortieren, ins Gefängnis werfen, umbringen, ins Exil zwingen; die Mullahs sind die einzigen, die ihre politischen Ideen legal verbreiten, im Bildungssystem lehren können. Also gibt es auch keine andere "eigene Entwicklung" des Irans als die von den Mullahs vorgesehene. Damit ist sonnenklar, dass der Iran eine Tyrannei ist und alles längliche Disputieren über kulturell bedingte unterschiedliche Auffassungen von "Werten" völlig sinnlos. Ob die iranische Gesellschaft tatsächlich so polarisiert ist oder nicht vielmehr die Mullahs, die die Macht usurpiert haben, eine Mehrheit der Gesellschaft gefangen hält, die gegensätzlicher Auffassung ist, weiß ich nicht. Die immer wieder aufflammenden Massenproteste der letzten 20 Jahre, die blutig niedergeschlagen wurden und die vielen Iraner im Exil deuten jedenfalls darauf hin, dass die Mullahs nicht im Einverständnis mit der Mehrheit der Bevölkerung regieren. Jedenfalls ist der Zustand des Iran sehr betrüblich. Ja, natürlich interessiert der Iran mehr als manch andere Länder, weil er ja selbst gern eine regionale Macht sein möchte und danach handelt, indem er etwa die Huthies u die Hisbollah unterstützt und nicht zuletzt nach der Atombombe strebt. Klar, schenkt man einem solchen Land mehr Aufmerksamkeit als z.B. Eritrea, obwohl es dort auch recht totalitär zugehen soll -unabhängig vom Geschlecht. Eritrea ist aber auch maximal für Äthiopien (oder aktuell sogar "nur" für Tigray) eine Gefahr. Dass der Westen sein gerüttelt Maß an Verantwortung daran trägt, dass die Mullahs an die Macht gekommen sind, weiß ich. Verständnis kann ich aber trotzdem für ihre Politik, die Unterdrückung ihrer eigenen Bevölkerung, nicht aufbringen.

      • @ingrid werner:

        Ich glaube, die Fehlwahrnehmung liegt hier nicht auf meiner Seite. Das Problem beginnt schon damit, dass Sie von "den Mullahs" sprechen - das bedient natürlich gewisse Stereotypen, geht aber an der Realität vorbei: weder sind die iranischen politischen Eliten ausschließlich Geistliche, nocht ist der Klerus durchgehend in die staatlichen Strukturen eingebunden.



        Auch die Aussage, es gäbe keinen Wettbewerb, stimmt in dieser Form einfach nicht: es gibt verschiedene politische Strömungen, die einen realen Unterschied machen (der Iran zur Zeit Ahmadinejads war anders als unter Rouhani!), es gibt Medien, die ein gewisses Meinungspektrum vertreten, und es gibt eine recht offene Diskussionskultur; es ist sicher keine westliche Demokratie, aber eben auch nicht die "Tyrannei", die manche darin sehen. Solche Nuancen gehen in einem Iran-Diskurs, der oft genug von Stimmen dominiert wird, die niemals im Iran waren oder nicht einmal Persisch sprechen, meist unter. Wir arbeiten uns an einem Klischee ab, das diesem Land einfach nicht gerecht wird.



        Was Sie am Ende schreiben, stimmt, aber das ist ja gerade mein Punkt: "unser" Problem mit dem Iran ist nicht der Tschador, sondern die regionalpolitische Konkurrenz. Das sollte man dann aber auch so sagen, statt Freiheit und universelle Werte zu beschwören.

        • @O.F.:

          Ich denke, Sie kaprizieren sich hier etwas zu sehr auf irgendwelche Nuancen und verlieren das Grundlegende aus den Augen. Von einer recht offenen Diskussionskultur kann keine Rede sein, wenn Frauen, die das Tragen des Tschador ablehnen inhaftiert werden oder man sogar ein Mordkommando hinter ihnen her schickt. klar, gibt es im Fernsehen irgendwelche Diskussionen, aber eben nur darüber was die Mullahs erlaubt haben, das ist die Simulation offener Diskussionskultur. Nicht alle staatlichen Amtsträger sind Geistliche aber die entscheidenden, angefangen bei Khameinei, der benennt auch die Hälfte des Wächterrates mit Geistlichen und den Vorsitzenden der die ganze Institution führt, die andere Hälfte wird auf Vorschlag des von Khameinei benannten Vorsitzenden vom Parlament gewählt. Der Wächterrat siebt bekanntermaßen die Kandidaten für die Wahlen aus und besitzt, wie auch Khamenei, ein Vetorecht über die Gesetzgebung, die den Vorgaben der islamischen Rechtsprechung entsprechen müssen, das sind die Herren in Quom und Khameinei. Der aktuelle Präsident ist auch Geistlicher, in Qom studiert, bekannt durch Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen. Wahlmanipulationen, angefangen bei der Volksabstimmung über die Umwandlung des Iran in eine islamische Republik, ziehen sich durch die gesamte Geschichte der isl Repblk. Alles Mullah, oder was? Hinzu kommen Sittenpolizei, Foltergefängnisse, Todesstrafe. Die Revolutionsgarden, also Militärs, sollen mittlerweile auch sehr viel Macht haben, macht die ganze Sache aber nicht besser. Sicher sucht sich jede Gesellschaft u die Leute ihre Freiräume, auch kann der Staat nicht alles kontrollieren, aber wenn man seinen Kopf zu weit hebt, kommt er eben ab. Da gibt es nix wesentliches zu relativieren und zu nuancieren. Der Iran hat seine Klischees weg, die sich aber sehr gut mit der Realität decken.

          www.amnesty.de/inf...1#section-23289531 mal lesen u sacken lassen.

          • @ingrid werner:

            Ich kapriziere mich nicht auf irgendetwas, sondern ich versuche, die durchaus komplexe Realität in einem Land zu erklären, über das allzu viel Klischees und Halbwahrheiten im Umlauf sind - die gerne von Journalisten oder angeblichen Experten vorgetragen werden, die nie im Land waren, die Sprache nicht sprechen und sich nicht eingehender mit der Geschichte und dem System Irans befasst haben. Auch das ist ein Muster, das sich leider wiederholt: man weiß nichts über unsere angeblichen Feinde, ist sich aber sicher, dass sie durch und durch böse sind.



            Was Ihre Anmerkungen angeht: natürlich funktioniert das iraniscche System anders als westliche Demokratien (sie unterschätzen allerdings die Relevanz der republikanischen Institutionen). Aber noch einmal: na und? Ich verstehe nicht, woher dieses geradezu heilsgeschichtliche Selbstverständnis des Westens kommt. Wir sind nicht der Maßstab für den Rest der Welt. Wenn wir tatsächlich für unser System werben wollen, dann sollten wir hier vorbildlich leben - und da sind die Defizite auffällig. Ich weiß nicht, wie viel Kontakt Sie mit Menschen haben, die in nicht-westlichen Staaten leben, aber ich kann Ihnen vergewissern: die Zeiten, in denen man bewundernd auf uns geblickt hat, sind vorbei. Und dazu hat der aggressive Versuch, unsere politischen Vorstellungen - auch mit Gewalt - zu exportieren, nicht wenig beigetragen.

            • @O.F.:

              Sie können ja mal skizzieren, wo die republikanischen Elemente des Iran, u welche, ganz konkret, den politischen Wettbewerb ermöglichen u dabei auch noch reale Macht zur Durchsetzung des Volkswillens haben und nicht gelenkt v den autoritären Elementen sind. Oder betrachten Sie die Repräsentation des Volkswillens auch als überschätzte "westliche" Messlatte? Gewaltenteilung wäre auch noch ein wichtiger Punkt, auch eher "westlich" und nicht zwingend? Machtkonzentration ist kein Problem, da die Teheraner Cafés da schon den Mächtigen auf die Finger schauen? und fänden Sie ein System wie im Iran auch bei uns für sich ganz annehmbar? Wenn nicht, wie kommen Sie darauf, dass es für die Iraner gut sind?

              Wie oft und wie lang waren Sie im Iran, sind sie Iranologe, wie umfassend schätzen Sie ihr Wissen v Iran? Wie tief geht ihr Einblick in polit. System u Gesellschaft? Muss man eine Henne sein um zu wissen wann ein Ei faul ist?

            • @O.F.:

              Sie wollen also sagen, der Iran wäre einfach nur eine andere Form der Demokratie, keine nach westlichen Vorstellungen, aber eine nach den Vorstellungen der Iraner d.h. eine mit denen die weitestgehend zufrieden sind. richtig? glauben Sie das im Ernst? Es geht doch auch gar nicht darum ob wir der Maßstab der Welt sind, sondern darum wie zufrieden die Iraner mit dem von ihrem Staat gesetzten Maßstab sind. Die blutigen Niederschlagungen v Aufständen, die Unfreiheiten (oder wollen Sie das bestreiten?) an denen sich die Iraner selbst immer wieder stoßen und dafür ins Gefängnis gehen und die vielen Emigranten zeigen sehr deutlich, die Iraner selbst wollen dieses System nicht. Ich würde Ihnen ja glauben, dass dieses System vom Volk gewollt ist, wenn es in wirklich freien unmanipulierten Wahlen abstimmen könnte und ohne einen Wächterrat und einen Revolutionsführer, die nicht vom Volk gewählt sind, aber die eigentliche Kontrolle haben, die Maßstäbe setzen – nicht das Volk. Ich würde Ihnen glauben wenn es ohne gewaltsame Unterdrückung von Opposition und Demonstrationen abginge. Das ist aber auch nicht der Fall. Dieses System ist, westliche Maßstäbe außen vor, nicht vom Volk gewollt, jedenfalls nicht von der Mehrheit. Ihre Impressionen, die Sie beim parlieren in iranischen Cafés gewonnen haben sind vielleicht etwas oberflächlich (u sicher sein können Sie sich auch nicht ob Sie nicht eventuell mit einem ihrer Begleiter vom Geheimdienst palavert haben - auch so eine landestypische Spezialität). Unsere westlichen Systeme scheinen, bei allen Defiziten (welchen eigentlich konkret?), immer noch attraktiver zu sein für Iraner, die ihr Land verlassen, hier sind sie sicher vor staatlichen Übergriffen, hier können sie frei schreiben u politisch tätig sein. Wenn diese Freiheiten nicht gegeben sind, repräsentiert es nicht den Willen des Volkes. Ein bisschen in teheraner Cafés politisch disputieren zu können, jeder an seinem Tisch, sind da nur Brosamen von der echten Freiheit.

              • @ingrid werner:

                Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, in diesem gehässigen Ton zu diskutieren (zumal ich mir nicht gerne Aussagen in den Mund legen lasse: ich habe nicht von "den Iranern", die zufrieden wären gesprochen, sondern gerade auf die Polarisierung im Land verwiesen); es ist auch sinnlos: ich trage gerne mit meinen Einblicken in ein den meisten doch unbekanntes Land bei; wenn die einzige Reaktionen auf solche Differenzierungen ein wütendes Festhalten an tradierten Feindbildern ist, macht das alles keinen Sinn.

        • @O.F.:

          "Auch die Aussage, es gäbe keinen Wettbewerb, stimmt in dieser Form einfach nicht: es gibt verschiedene politische Strömungen, die einen realen Unterschied machen" Nein. Das ist leider falsch. Rouhani war möglich weil es Khamenei so wollte, wirklich fundamental ändern konnte der nicht. Den offenen Diskurs wie in den 90er Jahren gibt es nicht mehr. Die Rechten und die Revolutionsgarden haben ihre Macht massiv ausgebaut. Manche sprechen schon von einer Militärdiktatur, wobei das falsch ist da sich die Revolutionsgardisten weiterhin den Idealen der Revolution verpflichtet sehen. Auch hat der Terror und die Bereitschaft zur Gewalt massiv zugenommen. Bei den letzten Protesten wurden mehr Menschen getötet als bei nahezu allen Protesten vorher zusammen. Es gibt keinen wirklichen Diskurs mehr zwischen den Strömungen.Viele Hardliner sprechen inzwischen davon das die republikanischen Elemente nur ein Kompromis auf dem Weg zu einer Islamischen Zivilisation sind wo so etwas wie (beschränkte) Meinungsfreiheit und Wahlen nicht mehr gebraucht oder gewollt sind.

          Ja es gibt Nuancen zwischen den Fraktionen aber das ist mehr die Nuancen zwischen Mitte und Rechter Flügel AFD als wirklicher politischer Wettbewerb und zunehmend auch sehr eingehegt durch die Hardliner der IRGC und Khamenei.

          Die Zustimmung zum derzeitigen Regime ist niedrig, sagen alle Umfragen, sagten mir Iraner im Iran, sagen mir Iraner im Ausland. Ja es gibt die Regime Hochburgen wie Qom, aber die Mehrheit hat die Führung schon lange nicht mehr hinter sich.

  • Den iranischen Frauen zu sagen sie sollen auf die globale Überwindung des Patriachats warten errinnert mich stark an die Heilsversprechung der christlichen Kirchen den mühselig beladenen winke das Paradies nach dem Tod. Opium mal nur für die Frauen.

    • @Suchender:

      Richtig. Vor allem ist es eine ganz typische Masche der Woken. Einerseits wird absolut alles problematisiert, anderseits werden ganz spezifische Probleme im ganz großen Ganzen aufgelöst. Nach dem Motto: “Solange es in Deutschland den gender pay gap gibt, braucht man nicht mit der Unterdrückung der Iranerinnen anzufangen.” Und schon ist alles wieder sehr, sehr bequem.

      • @Suryo:

        Natürlich ist es auch sehr bequem, sich hier in Deutschland im Einklang über Kleiderordnungen in einem fernen (und den wenigsten hier bekannten) Land zu ereifern, statt die Probleme vor der eigenen Haustür anzugehen... es ist auch eine Ablenkungsstrategie, wenn man sich im Gleichschritt mit der deutschen Regierungspolitik an außenpolitischen Feindbildern abarbeitet, statt sich den Herrschenden hier zu widersetzen. Warum, denken Sie, hieß es einmal, der Hauptfeind würde im eigenen Land stehen?

        • @O.F.:

          Der Hauptfeind der Frauen steht in Deutschland? So so.

        • @O.F.:

          ganz offensichtlich scheint aber eine deutliche Bevölkerungsmehrheit hierzulande ihren Feind nicht in den hier Herrschen zu erblicken. Selbst die Prinzipien des Kapitalismus scheint eine deutliche Mehrheit zu bejahen, nicht immer ganz widerspruchsfrei, aber sei's drum. Jedenfalls hat Opposition hier doch einen sehr großen Spielraum und Proteste müssen, anders als im Iran nicht regelmäßig niederkartätscht werden, Opositionelle einkerkern tut Deutschland auch nicht... Das Problem ist nicht allein die aufgezwungene Kleiderordnung. Im Iran liegt ja wohl deutlich mehr im Argen. Und uns blind nur um uns kümmern und den Rest der Welt ignorieren können wir ja auch nicht, in einer Zeit in der sich die großen autoritären Regime wie der Iran, Russland, China u. auch die Türkei verbünden? Die Zeiten in denen sich jedes Land selbst genügen konnte sind jedenfalls seit langem vorbei.

  • Ich finde die Bezeichnung "der Westen" falsch. Es gibt durchaus viele Feministinnen, welche den Iran wegen dessen Frauenunterdrückung kritisieren.

    • @resto:

      Es gibt auch genug alte weiße Männer die nicht rassistisch sind

      • @KeinGott KeinStaat:

        Ganz klar.

  • Danke. “Nebenwiderspruch“ - war auch das erste - was mir zu der Globalkarte einfiel. Erbärmlich •

  • Es muss unterschieden werden zwischen Verschleierung-Zwang und der Möglichkeit, aus kulturellen oder anderen Gründen ein Kopftuch oder einen Hidschab zu tragen.

    Verschleierungszwang ist selbstverständlich immer und ausnahmslos ein reaktionärer Gewaltakt, der sich gegen Frauen wendet. Masih Alinejad wendet sich auch nicht nur gegen diesen, sondern gegen die Unterdrückung und Gewalt im Iran allgemein, die am Zwang zur Verschleierung besonders gut sichtbar wird. Das Ausmaß der Unterdrückung ist erkennbar am Ausmaß der Gewalt und Bedrohung, mit dem das Regime hierauf reagiert.

    Zu erwarten ist vor diesem Hintergrund zu allererst und vor allem Solidarität mit Masih Alinejad.

    • @PolitDiscussion:

      Ist der Zwang aber qua Ideologie vollständig verinnerlicht, stellt er sich gern als freiwillige Entscheidung dar. Es gab sogar Sklaven, die ihre Versklavung als gerechtfertigt, notwendig oder richtig ansahen.

      • @dites-mois:

        Du überschreitest dann aber eine gefährliche Grenze, indem Du nämlich für Dich letztlich eine Überlegenheit in Anspruch nimmst und Frauen ihr Entscheidungsrecht absprichst.

        Das erinnert an die zwangsweise Enthüllung von Frauen durch die Kolonialmacht in Ägypten.

        Zudem ist die Frage, was Du selbst verinnerlichst hast, und ob dies weniger ist als was die anderen Frauen verinnerlicht haben?

        Womöglich wissen einige Frauen noch (und ja, es wissen einige), dass das Kopftuch früher ein Privileg für die Reichen in arabischen Staaten war und es erst spät den anderen erlaubt wurde.

        Zudem, was sagst Du zur Argumentation (radikalerer ) Nudis:innen, die sagen, die anderen Gesellschaftsmitglieder hätte nur den gesellschaftlichen Druck verinnerlicht? Oder den Argumente derjenigen, die die Monogamie als Ausdruck heteronormativen Druckes sehen, sollen sich dann Einzelne nicht mehr für eine Monogamie entscheiden dürfen?

        Ich verstehe Dein Argument natürlich völlig und es ist auch etwas dran, aber es ist dennoch brandgefährlich, wenn Du deshalb Frauen (oder anderen) Kleidungsvorschriften machen willst und ihnen damit de facto die Mündigkeit absprichst.

        Es ist daher unbedingt erforderlich, zu unterscheiden zwischen dem Gebot, ein Kleidungsstück zu tragen und dessen Möglichkeit. Zudem ist ein Gebot durchaus ähnlich wie ein Verbot und würde von einem Teil der Betroffenen auch ähnlich erlebt werden. Was die einen vorschreiben wollen, wollen die anderen verbieten, beide Seiten erklären diejenigen zu unmündigen Objekten, denen sie die Vorschriften machen.

        • @PolitDiscussion:

          Na, jetzt haben Sie aber alles kreuz- und quer- und hin- & wegrelativiert! Am Ende bleibt keine Möglichkeit, sich pro Emanzipation (des Individuums!) zu positionieren. Das ist gefährlich nah am neurechten Konzept des Ethnolpluralismus.



          Entschuldigung, aber fundamentale Menschenrechte wie zb das Recht auf körperliche Unversehrtheit lasse ich in seiner universellen Gültigkeit nicht infrage stellen, sonst könnte ich es gleich aufgeben, überhaupt politisch zu denken.



          "wenn Du deshalb Frauen (oder anderen) Kleidungsvorschriften machen willst"



          Na, ich wohl kaum. Ich weise lediglich darauf hin, dass eine Frau, die ihren sündigen, für den Mann gefährlichen Körper meint verhüllen zu müssen (und das ist die Ursprungsidee des Kopftuchs, auch früher in Europa), ihre eigene Unterdrückung aktiv mit betreibt.

      • @dites-mois:

        Genauso wie manche Frauen in Appenzell i.R. Ende der 1980er noch meinten, dass es genüge, wenn ihre Ehemänner - die regelmäßig gegen das kantonale Wahlrecht von Frauen abstimmten - zur kantonalen Abstimmung gehen. Zum Glück hat dann das Bundesgericht 1990 Tatsachen geschaffen.

  • "Diese feindselige Haltung gegenüber feministischen Kämpfen im Iran hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass sich Teile progressiver Kreise seit Jahrzehnten weigern, emanzipatorische Kritik an den Zuständen im Iran zu formulieren" - Warum werden diese Leute dann überhaupt progressiven Kreisen zugerechnet?

    • @Gast3456:

      Es reicht anscheinend hierzulande sich selber als progressiv zu definieren.

      • @Suchender:

        Und warum ist überhaupt immer noch von "feministischen Kulturrelativistinnen" die Rede? Was ist an ihnen feministisch, wenn sie brachiale Unterdrückung von Frauen als Bestandteil einer "Kultur" für gerechtfertigt halten?

  • Ich habe nach den inzwischen 3(?) heftigen Repliken auf Julia Neumanns Text [und einem Kommentarversuch meinerseits] nochmal den Ausgangstext der Debatte gelesen und komme nicht umhin, mich zu fragen, ob da nicht ein Missverständnis vorliegt. Diesen Eindruck würde ich in eine Fragen kleiden wollen: Ist es denn nicht richtig, darauf hinzuweisen, dass die Art und Weise wie hier im Westen über Kopftuch/Burka/Hidjab diskutiert und aktivistisch performt wird, vor allem den Reaktionären dient? Den Reaktionären im Westen, die die Zumutungen des Patriarchats hierzulande und die daraus folgende Zurichtung von Frauen durch Verweise auf Kopftuch/Burka/Hidjab vergessen machen. Und es dient den Reaktionären in der muslimischen Welt, die das Kopftuch symbolisch noch stärker aufladen können und diese Art von Aktivismus aus dem Westen als Ressource zur Stützung ihrer Regime nutzen.



    Im Übrigen sollte man nicht vorschnell sein in der Projektion eigener (westlicher) Grundüberzeugungen. Wer sich für die Komplexität des Themas in der muslimishcen Welt wirklich interessiert, könnte mit der Lektüre von Saba Mahmood beginnen.

    • @My Sharona:

      Man kann zu Repression stehen wie man will. Es gibt sicher genug selbsterklärt Linke, die Repression für völlig gerechtfertigt halten, wenn sie "der Sache" dient. Wer sich den Schuh anziehen will, bitte...

      Gehört man aber nicht zu diesen, sollte Repression - gerade geschlechtsspezifische - einem als Linker zuwider sein. Das gilt für JEDE Repression - das VERbot, bestimmte Kleidung zu tragen ebenso wie das gewaltsam durchgesetzte GEbot.

      Im Iran gibt es das GEbot, das unterdrückt. Also sehe ich aus eher freiheitlicher Sicht wenig Gründe, es zu dulden. Denn Frauen im Iran tragen zu lassen, was sie wollen, tut niemandem weh außer denen, denen ohne diese Repression etwas "fehlt".

      Einen Schritt weiter geht die Abwägung, ob auch das VERbot ähnlich klar abzulehnen ist. Einerseits würde ich sagen, dass hier wirklich die Frage reinspielt, ob das Verbot ein Vehikel der Xenophobie ist (ein valides Argument). Andererseits argumentieren Sie weiter unten richtig mit den Effekten auch struktureller, unterschwelliger Diskriminierung durch patriarchale Strukturen. Dass die in den muslimischen Communities in westlichen Ländern auch vorkommt und ihr häufig genug die soziale Pflicht zur Verhüllung ein Vehikel ist, dürfte wohl unstreitig sein. Das wäre also ein gewichtiges Argument FÜR etwaige Verbote, weil diese in weiten Teilen nicht den Willen der betroffenen Frauen berechen dürften sondern den der patriaralen Strukturen, die hinter dem "freiwilligen" Tragen eines Kopftuchs häufig genug stecken. Der Königsweg liegt dann im Zweifel irgendwo zwischen diesen beiden Extrempositionen.

      Aber eins sollte klar sein: Gegen das GEbot der Verschleierung im Iran zu sein, ist nicht gleichbedeutend damit, FÜR ein VERbot hierzulande zu sein. Das wird von beiden Seiten gern vermischt, aber wer gegen Repression ist, sollte nicht die freiheitsliebenden Iranerinnen darunter leiden lassen, dass wir das hier nicht so leicht auseinandersortiert bekommen.

    • @My Sharona:

      Sie verfehlen das Thema des Ausgangstextes und der Repliken. Mit ihrem genannten Argument wird der Kampf für Frauen für Selbstbestimmung diskreditiert. Und statt Empowerment und Solidarität: der Vorwurf ein Tokens des Westens gegenüber Frauen, die krass von Gewalt bedroht waren und sind.



      Manchmal gibt es viele scharfe Kritiken, weil es notwendig ist. Manchmal stellt man in Kommentaren Fragen, weil man Tatsachen ausweichen will.

      • @Emre Toprak:

        Frauen kämpfen auf vielerlei Weise um Selbstbestimmung. Auch auf Weisen, die sich manch einer*m voller universalistischer Selbstgewissheit daherkommenden Aktivist*in im Westen nicht sofort erschließen. Das Videoprojekt von Frau Alinejad ist nur eine Art des Kampfes (eine komplett gültige natürlich) - und eben eine, die feindseligen oder heuchlerischen Aneignungen hier wie dort sehr offen steht. Und der Film über dieses Projekt verschärft das Problem, sicher ohne es zu wollen. Unterkomplexität nützt viel häufiger den Reaktionären als den sich Emazipierenden. Und um es ganz klar zu machen: die Botschaft, dass es unter dem Schleier kein individuelles Glück und eine sinnvolle Existenz geben kann, nährt nur eine Kreuzzugstimmung, führt zu Schwarz-Weiß-Denken und Culture-Clash-Rethorik.

        • @My Sharona:

          Ich finde sie Schrammen ziemlich am Thema vorbei. Sicherlich gibt es viele Wege für Selbstbestimmung zu kämpfen. Der universalistische Wert ist hierbei: Selbstbestimmung. Den muss man doch nicht mutwillig diskreditieren.



          Und es ist schon, dass Sie ein Buch gelesen haben....

    • @My Sharona:

      Die Zumutungen des Patriarchats hierzulande sind lächerlich gegenüber Folter und Gefängnis, die Frauen im Iran drohen, wenn sie ihr Haar zeigen.

      Wie soll man die denn Ihrer Meinung nach dann kritisieren? Immer noch den deutschen gender pay gap erwähnen, wenn man berichtet, dass kürzlich die 28jährige Sepideh Rashno im Bus gefangen genommen, im Gefängnis geschlagen und dann zu einem Reuebekenntnis im Fernsehen gezwungen wurde?

      • @Suryo:

        Die Zumutungen des Patriarchats und die daraus geborene Zurichtung von Frauen geht weit über den gender pay gap hinaus (Esstörungen, Körperbewusstsein, Selbstwertgefühle, Missbrauch in Beziehungen, der immer noch viel zu oft hingenommen wird, usw.) Krittik und Solidarität ohne Triumphalismus und Selbstaufwertung, dafür reflektiert, offen, verstehend - so wünsche ich mir das. Im Übrigen bin ich sehr dafür wirklich - und nicht nur in Worten - solidarisch zu sein, durch ein echtes Recht auf Asyl z.B.

    • @My Sharona:

      Schon schlau, eine Behauptung in Frageform zu kleiden, so muss man sie nicht begruenden...

      • @Volker Scheunert:

        gar nicht schlau, nur eine ernst gemeinte Frage. In Zeiten der Gewissheiten bzw. der verzweifelten Suche danach (um das in spätkapitalistischen Verhältnissen verschwimmende Selbst zu stabilisieren) ist das wohl eher dumm. Begründungen für meine Frage liefern Studien wie die von Saba Mahmood.

    • @My Sharona:

      "Ist es denn nicht richtig, darauf hinzuweisen, dass die Art und Weise wie hier im Westen über Kopftuch/Burka/Hidjab diskutiert und aktivistisch performt wird, vor allem den Reaktionären dient?"



      NEIN!



      Es dient den Reaktionären, wenn Menschen, denen Emanzipation zentrales Herzensanliegen sein sollte - nämlich: Linke! - NICHT solch brutale Formen von Unterdrückung thematisieren. Rechte können sich dann nämlich genüsslich das unvermeidliche Unbehagen zunutze machen, das Thema ethnisieren und rassistische Hetze daraus machen.

      • @dites-mois:

        Eben! Weil man die Zustimmung der Falschen bekommen könnte, wagt man sich gar nicht mehr ans Thema.

        Das beklagt zB Susanne Schröter, eine klassische, linksliberale Feministin. Weil die Woken Angst haben, Beifall von rechts zu bekommen, bleiben sie stumm bzw. verlieren sich im so Abstrakten, so weit gefassten, dass sie darüber die Solidarität mit tatsächlich, konkret leidenden Menschen aufgeben.

  • Den Vorwurf der besserwisserischen privilegierten Bevormundung gegen westliche Feministinnen gibt es allerdings auch bei Kritik am Schleierzwang und anderen sexistischen Gewalttraditionen nichtwestlicher Länder. Wie Frau es macht, ist es wohl verkehrt.

    • @aujau:

      Exakt. Wie Mensch es macht, es ist verkehrt. Das ist ja eben auch ein heikles Thema.

      Frau soll Schleier tragen, auch aus Tradition wenn sie es möchte: FALSCH



      Frau soll keinen Schleier tragen, gerade um auch der Tradition die Rote Karte zu zeigen: FALSCH

      Weil es auch meiner Ansicht nach um den Eingriff in die Willensfreiheit einer iranischen Frau zu tun hat. Sobald wir der Frau irgendeinen Tipp geben, wie oder ob sie ihre Burka oder Hijab tragen soll ist, es ein Eingriff in die Willensfreiheit und damit zu verurteilen.

      Allerdings bin ich sogar so radikal "woke", um zu sagen: Man muss Menschenrechte in diesem Land erzwingen, damit die Frau im Iran diesselbe (Willens-)Freiheit erfahren darf, wie in Deutschland, Schweden oder Neuseeland. Wer das nicht will, oder Menschenrechtsforderungen mit Besserwisserei kritisiert, der steht auch nicht für Menschenrechte.

    • @aujau:

      Ganz stark vereinfacht sage ich seit Jahrzehnten (ja, bin ein "alter, weisser Mann" :)): ich bin absolut dagegen, dass einer Frau ein Kopftuch oder ein Schleier vorgeschrieben wird, aber ich ich bin genauso dagegen, dass es ihr verboten ist, dasselbe zu tragen, wenn sie es möchte - aus welchen Gründen auch immer, solange es ohne Zwang ist!

      Haben wir derzeit nicht viel grössere Probleme auf dieser Erde? Lasst uns doch alle Intelligenz/Phantasie usw. zusammenpacken um die aktuellen Probleme zu lösen...

      • @Dieter Joachim Schäfer:

        amp.theguardian.co...per-clothing-hijab

        “Meine Güte, Sepideh, es gibt nun wirklich größere Probleme als deine Verhaftung, Folter und öffentliche Demütigung”.