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Debatte um Leopard-2-PanzerGenie oder Getriebener

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Olaf Scholz machte bei der Debatte um die Kampfpanzer-Lieferung öffentlich kein gutes Bild. Ob er letztendlich doch Gewinner ist, bleibt im Dunkeln.

Olaf Scholz spricht vor einem Kampfpanzer Leopard 2 nach einer Übung zu Soldaten (Oktober 2022) Foto: Moritz Frankenberg/dpa

S ouverän sah Olaf Scholz auf dem Weg zur Leopard-Lieferung nicht aus. Er konnte nie stringent erklären, warum der Ukraine-Krieg ausgerechnet durch westliche Kampfpanzer eskalieren sollte. Er ließ Zeit verstreichen, die nun wohl fehlt, um die Fahrzeuge vor einer möglichen russischen Frühjahrsoffensive an die Front zu schicken. Und als exponiertester Bremser innerhalb des westlichen Bündnisses zog er den Groll vor allem mittelosteuropäischer Staaten auf sich und die Bundesrepublik.

Und doch hat er am Ende gewonnen? Das ist die eine Deutung der Medienberichte vom Dienstag, denen zufolge Deutschland nach langem Ringen nun doch Leopard-2-Panzer liefern wird, im Gleichschritt mit den USA, die der Ukraine ihrerseits Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

Letzteres soll der Kanzler zur Bedingung für Ersteres gemacht haben, was Wohlwollende zu dem Schluss bringt: Durch seine Standhaftigkeit hat er für die Ukraine das Maximum herausgeholt. Er hat eine Handvoll eigener Fahrzeug als Hebel genutzt, um die USA mit ins Boot zu bekommen und so ein richtig dickes Panzerpaket zu schnüren. Eine in sich schlüssige Interpretation – allerdings auch nicht mehr oder weniger schlüssig als die Konkurrenzvariante.

Ihr zufolge wollte Scholz bis zuletzt keine Kampfpanzer liefern. Über Monate hat er sich demnach von einer Ausrede zur nächsten gehangelt. Dass er nicht ohne die USA handeln wolle, war demnach seine letzte Ausflucht – die letztendlich, weil Washington gerade umschwenkt, auch nicht länger haltbar war. Der Druck ist also schlicht zu groß geworden. In dieser Variante ist der Kanzler kein Genie, sondern schlicht ein Getriebener.

Ob Version A oder Version B stimmt, oder am Ende vielleicht eine Mischung aus beiden Versionen? Schwer zu sagen. Die Debatte über die Waffenlieferungen hat einen besonderen Charakter, der die Deutung erschwert. Es geht um Krieg und Frieden, also legen die Beteiligten naturgemäß nicht vollumfänglich offen, wie ihre Abwägungen aussehen. Stattdessen werfen sie allerhand argumentative Nebelkerzen, zum Teil bedingt durch sachfremde Interessen.

Letzter Akt der Waffen-Debatte

Bei der polnischen Regierung zum Beispiel, die in den letzten Tagen am sichtbarsten Druck machte, spielt wohl der anstehende Wahlkampf eine Rolle. Beim Kanzler ist es vielleicht die eigene Sturheit in Verbindung mit der Dynamik innerhalb der Ampel: Bloß nicht den Eindruck erwecken, dass sich die Strack-Zimmermann durchgesetzt hat.

Im Ergebnis wird es Klarheit darüber, wie die Panzer-Entscheidung genau abgelaufen ist, wohl erst in Jahrzehnten geben: Wenn die dazugehörigen Akten nicht mehr geheim sind und die Historiker in die Archive dürfen. Fürs Erste aber bleibt es in Ermangelung einer klaren, lagerübergreifend anerkannten Faktenlage primär eine Glaubensfrage, ob Scholz nun der Held ist oder der Verlierer.

Die gute Nachricht: Lange wird sich die Waffen-Debatte in dieser Form nicht mehr fortsetzen. Nachdem die Panzer durch sind, könnte es zwar mit den Kampfjets weitergehen. Hier wird Deutschland aber nicht so sehr im Fokus stehen. Fliegen ist komplizierter als Fahren. Die Tornados und Eurofighter bieten sich daher weniger an als osteuropäische Flugzeuge, mit denen ukrainische Piloten schon lange vertraut sind, und US-amerikanische, an denen die Ausbildung angeblich schon läuft.

Wenn irgendwann auch Jets geliefert sind, wird sich die Debatte nicht mehr um die symbolisch so aufgeladene Frage drehen, welche neuen Waffentypen die Ukraine jetzt noch bekommen könnte. Dann wird es eher darum gehen, ob irgendwo noch Nachschub und Ersatz für die schon jetzt gelieferten Systeme aufzutreiben ist. Diese Fragen lassen sich weniger zuspitzen, sie werden weniger verbissen und weniger unerbittlich diskutiert werden. Nach den wiederholten und ermüdenden Debatten der vergangenen Monate ist das immerhin etwas.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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14 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.   

  • Er steht für Deutschland. Was man von wenigen anderen Politikern sagen kann! Schade aber wahr!

  • Was ist jetzt eigentlich Version B?

  • „Genie oder Getriebener“.



    Ich tippe auf „guter Bulle, böser Bulle“. So eine undankbare Rolle (guter Bulle) auszufüllen, passt gut zu Scholzˋ Naturell. Wie man sieht.

  • "Er konnte nie stringent erklären, warum der Ukraine-Krieg ausgerechnet durch westliche Kampfpanzer eskalieren sollte."

    Wer sich mit der - umfänglich erforschten - Eskalationsdynamik befasst, wird zum Schluss kommen, dass es nicht "ausgerechnet (...) westliche Kampfpanzer" sind, die eskalieren, sondern dass jede feindselige Aktivität - auch aus einer defensiven Haltung heraus - die Eskalation vorantreibt, egal von woher sie kommt.

    Jede weitere Waffenlieferung und jede Art politischer Hetze eskalieren und verschlimmern die Lage. Da wir es mit einer Atommacht zu tun haben, ist jeder noch so kleine eskalierende Schritt gefährlich, denn wir können nicht ausschließen, dass die Drohungen, die im Raum stehen, eines Tages wahrgemacht werden; und das wäre dann das Ende.

    Die reale Gefahr eines Abgleitens in den Atomkrieg ist Grund genug, sich gegen jede Waffenlieferung in die Ukraine zu wenden.







    Aus meiner Sicht ist dies ein (weiterer) schwarzer Tag in der deutschen Geschichte. Auch wenn es nicht zu einem Atomschlag kommen sollte, ist zu erwarten, dass durch die Fortsetzung des Kriegs und mit westlichen Kampfpanzern unzählige Menschen sterben werden, die gerne gelebt hätten. Und viele mehr werden leiden und trauern.

    Schade, dass man sich oft nur Hetze zuzieht, wenn man sich für die Abschaffung von Atomwaffen, Deeskalation, unmittelbare Gespräche und Bemühungen um ein Ende des Tötens und Zerstörens ausspricht - und damit gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete.

    Ich würde mir wünschen, Herr Schulze, dass Sie die Forschungsergebnisse zur Konflikteskalation zur Kenntnis nehmen. Als Lektüre empfehle ich Ihnen u.a. Friedrich Glasl: Konfliktmanagement.

    Es geht nicht um die Zögerlichkeit des Bundeskanzlers, sondern um Krieg und Frieden und die Zukunft menschlichen Lebens.

    Ich wünsche mir auf meinen Post gerne auch kontroverse, im Ton respektvolle Beiträge.

  • Guter Kommentar. Die "Scholzsche Strategie" wird den NATO- Partnern aber und vor allem den USA mächtig auf den S....gehen.

  • "In Washington ist laut Berichten mehrerer US-Medien die Entscheidung zur Kampfpanzerlieferung gefallen. Die Ukraine sieht das als einen Erfolg von Kanzler Olaf Scholz – und dankt für den „Panzer-Doppelwumms“.

    ...so untertitelt heute die FAZ.



    Scholz sozusagen der Fuchs, fast wie Adenauer!

    Hoffentlich kommt jetzt von russischer Seite nicht noch ein Wumms dazu.

  • So, dass war jetzt also die Abwägung des Herrn Scholz. Zappeln lassen und dann zack, wir liefern.



    Es wäre für die Öffentlichkeit ganz hilfreich, wenn die Gründe erklärt werden, die die Abwägung so haben ausgehen lassen...



    Wieso ist Herr Scholz denn zu dem Schluß gekommen, dass die Panzerlieferung nun doch nicht heikel ist?

    • @nutzer:

      Wieso "nicht heikel"? Hat das irgendwer behauptet? Er wird nur zu dem Schluss gekommen sein, dass es in der aktuellen Lage NOCH heikler wäre, die Ukraine ohne zusätzliche Kampfpanzer weiterkämpfen zu lassen.

      Vor eine "Ja oder Nein"-Entscheidung gestellt, kann man nur eindeutig in die eine oder in die andere Richtung umfallen. Das heißt aber nicht, dass die Gegenargumente dabei ignoriert würden. Abwägen ist kein Selbstzweck. Es darf schon auch zu einem Ergebnis führen - und das wird nach echten, notwendigen Abwägungen im Zweifel unvermeidlich eines sein, das nicht Allen gefällt.

      Dass es von immensem Interesse wäre, was in der Zöger- und Zauderzeit alles hinter den Kulissen an Gründen gewälzt und Verhandlungen geführt wurde, ist natürlich wahr. Aber auch da wahrscheinlich gilt die alte de Maiziere-Erklärung: Teile der Antwort könnten Sie verunsichern... ;-)

    • @nutzer:

      "… dass die Panzerlieferung nun doch nicht heikel ist?"

      Wieso sollte so ein Schluß die Grundlage für die Entscheidung sein? Wer fürs eigene Handeln nur in Erwägung zieht, was nicht heikel ist, muß gewohnheitsmäßig alle Unannehmlichkeiten anderen überlassen …

      • @O-Weh:

        weil das die Argumentationslinie z.B. von Klingbeil war. "Wegen der Eskalationsmöglichkeit, muß abgewogen werden"



        Also ist heikel schon ein Kriterium, um das es anscheinend ging.

    • @nutzer:

      in der Tat, das würde ich ebenfalls gerne wissen wollen. Seine kritische, um nicht zu sagen ablehnende Haltung die Lieferung von LEO's betreffend gehörte zu den wenigen Dingen für welche ich Ihm Respekt gezollt habe. Das bedauerliche Einknicken macht erneut die Ambivalenz und Unzuverlässigkeit des Herrn Scholz deutlich und gibt, trotz der breiten Zustimmung, schlussendlich seinen Kritikern recht.

    • @nutzer:

      Um das ganze Bild zu sehen, muss man häufiger mal über den Tellerrand blicken.



      Die Presse im Ausland hat in der Draufsicht oftmals einen vollständigeren Blick:



      www.nzz.ch/interna...zoegern-ld.1722377

      TL;DR: Man will sicherstellen, dass die Hilfe bei den Kampfpanzern nicht allein durch Leopard 2 geschieht, da der Produzent Krauss-Maffei-Wegmann nicht besonders schnell nachfertigen kann und dann ein Großteil des Rüstungsgeschäfts möglicherweise dauerhaft an andere Hersteller fällt. Das könnte mittelfristig das Ende der Panzerproduktion in Deutschland sein.

      Seine Argumentation bzgl. heikel machte von Anfang an keinen Sinn. Waffenlieferungen sind nunmal Waffenlieferungen. Es gibt keinen prinzipiellen unterschied zwischen Schützen- und Kampfpanzern.

      Nur sind Waffenlieferungen, die gerade genug sind, damit der Krieg weiter in dieser Dead-End-Situation verharrt, aber eben kein Ende durch Verhandlungen herbeiführen kann, quasi nutzlos.

    • @nutzer:

      Das ist doch der Punkt: die Panzerlieferung ist immer noch heikel. Umso wichtiger, dass die USA vollumfänglich mit eigenen Lieferungen mit im Boot sind und damit gegenüber Russland volle Rückendeckung geben (müssen). Da war bei Olaf sicher viel Angst und Schweiß auf der Stirn. Er will die Führungsrolle im westlichen Bündnis nicht haben und auch nicht an sich ziehen, damit Deutschland bei Putin nicht als der Hauptgegner auf dem Zettel steht. Diese Rolle soll lieber die Super-Atommacht USA spielen. Nachvollziehbar. Noch besser wäre es, wenn Olaf das einfach zugeben und offen aussprechen würde: Deutschland ist im Vergleich mit den USA militärisch klein, schwach und hilflos. Nicht nur nuklear, sondern auch bei den Panzern (300 vs 6000) und bei der Air Force erst recht.