Debatte um Berufsverbot in Bayern: Rechts außen klappt’s mit der Schule
In Bayern wird eine Klimaaktivistin nicht als Referendarin zugelassen. Ein früherer Rechtsextremist dagegen darf im Freistaat als Lehrer arbeiten.
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So durchlief der Bayer Michael Z. erfolgreich ein Lehramtsstudium erst in Nordrhein-Westfalen, dann in Bayern – und arbeitet seit vier Jahren nun an einem Gymnasium in Franken, als Lehrer für Sport und Deutsch. Dabei fiel der Enddreißiger davor einschlägig auf: Er war führendes Mitglied des Sturmvogel – einem völkischen Jugendverbund, der sich gezielt an Kinder und Jugendliche richtet. Fotos zeigen Z. im Jahr 2015 auf einem Zeltlager im Brandenburgischen Grabow, das er geleitet haben soll.
Entstanden war der Sturmvogel als Abspaltung aus der neonazistische Wiking-Jugend, die 1994 verboten wurde. Der Verfassungsschutz Niedersachsen bezeichnet die Gruppe in seinem Jahresbericht 2023 als völkischen und rechtsextremistischen Verein. Verwiesen wird etwa auf ein Lagertreffen in Baden-Württemberg, das in einer Immobilie abgehalten wurde, die im Besitz von Rechtsextremen sei. Die 50 Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen hätten bei dem Treffen einheitliche Uniformen getragen, mit schwarz-weiß-roten Sturmvogel-Abzeichen. Es seien Morgenappelle mit Fackeln und Fahnen abgehalten worden, ein Survivaltraining und ein Brauchtumsfeuer, bei dem das Deutschlandlied auch mit der ersten Strophe gesungen wurde, wie es im Nationalsozialismus üblich war.
Bereits 2009 schrieb Michael Z. zudem einen Beitrag für das rechtsextreme Öko-Magazin „Umwelt&Aktiv“. Ein Jahr später wird er dann in einem Protokoll des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ benannt, das Antifa-Gruppen veröffentlichten. Benannt wird er dort als Vertreter der Burschenschaft „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“.
Die Gruppe gehört zum extrem rechten Flügel innerhalb der Burschenschaften und bewirbt sich selbst damit, dass sie „außerhalb der politischen Korrektheit“ stehe. 2011 sorgten die „Raczeks“ für Schlagzeilen, als sie einen „Ariernachweis“ für Burschenschaftsmitglieder forderten. Noch 2016 ist Michael Z. zudem auf einem Foto bei einer Aktion der rechtsextremen Identitären in Wien zu sehen, auch hier nicht nur als Mitläufer, sondern mit Megafon in der Hand.
Hat sich Michael Z. vom Rechtsextremismus getrennt?
All dies hinderte Bayern nicht daran, Michael Z. in den Schuldienst aufzunehmen. Laut bayrischem Kultusministerium arbeitet Z. dort seit 2021. Auch das Gymnasium in Franken bestätigt, dass er dort weiterhin tätig ist. Dabei betont ein Sprecher des Ministeriums, dass jegliche Formen von Extremismus an bayrischen Schulen „nicht akzeptabel“ seien. „Die Vorgaben und Regeln gelten für alle, die Maßstäbe sind identisch“, so der Sprecher zur taz. „Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, der hat in unseren Schulen keinen Platz.“ Aber: Personen, die sich glaubhaft von früheren verfassungsfeindlichen Aktivitäten distanzierten und deren Wirken dies belege, könnten im Schuldienst tätig sein.
Genau diesen Fall sehen das Ministerium und Gymnasium im Fall Michael Z. Der Ministeriumssprecher räumt ein, dass zu Z. „Aktivitäten in rechtsextremistischen Gruppierungen in der Jugend- und Studienzeit“ bekannt seien. Von diesen habe sich Michael Z. aber bei seiner Bewerbung als Lehrkraft „sehr deutlich und klar distanziert“. Auch eine Verfassungsschutzüberprüfung habe keine rechtsextremen Aktivitäten von Z. nach dem Jahr 2016 mehr aufgezeigt. Ebenso seien keine strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn bekannt. Und während seiner Lehrtätigkeit seien keine Zweifel an Z.s Verfassungstreue aufgekommen.
Vorgeschichte verbreitete sich in der Elternschaft
Auch der Leiter des Gymnasiums von Michael Z. sagte der taz, die Vorwürfe gegen Michael Z. seien ihm und seinem Stellvertreter bereits bei Dienstantritt bekannt gewesen. Die Anstellung sei über das Kultusministerium erfolgt. Er habe sich bestätigen lassen, dass die Vorwürfe dort „sorgfältig geprüft“ wurde, so der Schulleiter. Nach einer Internetveröffentlichung im März 2024 habe sich Z. Vorgeschichte auch in der Schüler- und Elternschaft verbreitet.
Seit Dienstantritt habe Michael Z. aber „in Wort und Tat nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er mit inakzeptablen Einstellungen und Aktivitäten in seiner Jugend/Studentenzeit gebrochen hat, davon gebührend Abstand hält“, so der Schulleiter.
Michael Z. selbst antwortete auf eine taz-Anfrage nicht. Eine öffentliche Erklärung zu seinem Szeneausstieg ist nicht bekannt. Und auch die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft gilt eigentlich auf Lebenszeit. Die „Raczek“-Burschenschaft ließ eine Anfrage unbeantwortet, ob Michael Z. bei ihnen noch Mitglied ist.
Der Klimaaktivistin Lisa Poettinger wirft das von den Freien Wählern geführte Kultusministerium dagegen die Mitgliedschaft im „Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München“ vor, das vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird.
Verwiesen wird auch auf ihre Kapitalismuskritik bei Protesten gegen die Automesse IAA. Und auf laufende Strafverfahren wegen eines zerstörten AfD-Plakats und Widerstand gegen einen Polizisten bei der Besetzung des Dorfes Lützeraths, das für einen Kohletagebau geräumt wurde. Urteile sind hier jedoch noch nicht gefallen. Poettinger hatte angekündigt, sich juristisch gegen eine Nichtzulassung zum Referendariat wehren zu wollen.
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