Sturmvogel-Ferienlager in Hützel: Wo Kinder fürs rechte Leben lernen

In Niedersachsen hat die rechtsextreme Organisation „Sturmvogel“ ein Jugendlager veranstaltet. Der Nachwuchs wird geschult und körperlich ertüchtigt.

Aus der Ferne sind große, scharze Zelte fotografiert. Daneben Kinder in einheitlicher grün-schwarzer Uniform

Hier tragen Kinder nicht nur Uniform, sondern werden auch zum uniformen Denken angeregt: Zeltlager Foto: Isso Media

Hamburg taz | Am Rand des unübersichtlichen Anwesens ist viel Bewegung. Neben einer großen, runden Jurte stehen kleinere Kohten aufgereiht. Mädchen und Jungen laufen auf dem „Immenhof“ in Hützel in der niedersächsischen Gemeinde Bispingen herum. Mal tragen sie ihre Uniformen, dann einheitliche Sportkleidung. Es ist ein exklusiver Kreis. Die rund 30 jungen Teilnehmenden in der Lüneburger Heide sind keine Pfadfinder auf Fahrt. Sie gehören dem rechts­extremen Jugendverband „Sturmvogel“ an.

Beim Spaziergang war Einheimischen das Lager mit der Aufschrift am selbstgebauten Tor „Der Fröhlichkeit die Türen auf“ aufgefallen. Sie dachten anfänglich, so erzählen sie es der taz, dort würde einfach ein Jugendlager ablaufen. Doch die Jugendlichen sahen so „blond aus, so auffällig blond aus“, die waren „so urdeutsch aufgemacht“. Mit ihrem Namen in der Zeitung stehen wollen die Beobachtenden nicht.

Auch die Polizei schaute auf dem Gelände vorbei. Am Haupteingang prangt ein Schild: „Privatgelände! Unbefugten ist das Betreten verboten! Widerrechtliches Betreten wird zur Anzeige gebracht“. Die Zufahrt zum Camp dagegen ist mit einer unscheinbaren Schranke versperrt, die älteren Sturmvögel können sie mit den wenigen Autos passieren.

Die Gruppe scheint Wolfhard F. aus dem Landkreis Lüneburg anzuführen. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen seinen Vater im Zusammenhang mit einer rechtsextremen Untergrundgruppe um Jens G. aus dem Raum Hannover.

Kinder aus völkischen Familien

Die Sturmvögel fallen aber nicht bloß auf dem Gelände auf. Am Dienstag erschienen im nahen Lüneburg vier Mädchen in der Fußgängerzone. In der Kluft, dessen Logo ein schwarzer Vogel auf weiß-rotem Grund ist. Sie sangen und musizierten, sammelten Geld. Zwei der musizierenden Mädchen stammen aus bekannten völkischen Familien aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Auch die anderen Kinder und Jugendlichen auf dem Immenhof kommen aus diesem Milieu. Die Eltern schicken den Nachwuchs gern zu dem Jugendverband, der eine Abspaltung der 1994 verbotenen Wiking-Jugend (WJ) ist. Interner Zwist führte dazu, dass NPD-nahe Akteure 1987 den Sturmvogel gründeten.

„Eine vermeintlich harmlosere Abspaltung“, betont der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch, der am Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum zur „bündischen Jugend“ forscht. Laut einem Gründungsflugblatt will der Sturmvogel per Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermitteln, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unserem Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Als „volkstreu eingestellte Deutsche“ wollen die Mitglieder leben – und am Ende auch gesellschaftliche Veränderung bewirken.

Die Eltern wissen, wohin sie ihre Kinder schicken. Sie möchten ihre Kleinen in diesem urdeutschen Milieu „unter Gleichen“ sozialisieren. Auf dem Programm der Freizeit stehen körperliche Ertüchtigung und ideologische Schulungen. Zu den Fahrten und Lagern kommen sie regelmäßig aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen. Partnerschaften gründen sich unter Gleichgesinnten.

In der Region hat man Sorge, dass hier ein neuer rechtsex­tremer Hotspot entsteht. Schon Ende Juni fiel das Gelände um den Immenhof auf. Damals trafen sich dort Interessierte aus einem esoterisch geprägten Milieu zwischen Reichsideologie und der völkisch-esoterischen Anastasia-Bewegung zum Austausch über ein rechtes Siedlungsprojekt.

Der Versteigerungstermin steht

Das 42 Hektar große Gelände mit mehreren Gebäuden steht offiziell zum Verkauf. Der Eigentümer hat finanzielle Schwierigkeiten. Ein zweiter Versteigerungstermin steht bevor. Noch sind keine Verträge gemacht und bis dahin stellt der Eigentümer sein Grundstück nun Gruppen wie dem Sturmvogel zur Verfügung.

Das Gelände baute die AWO 1927 als Reformprojekt für Mädchen und junge Frauen auf, und ab 1933 nutzte die Hitlerjugend das Grundstück zur Schulung und Wehrertüchtigung.

Ab 1933 nutzte die Hitlerjugend das Grundstück zur Schulung und Wehrertüchtigung

Erste Angebote für den Immenhof gibt es bereits. Eine Frau aus Hamburg-Blankenese bot beim letzten Termin am Amtsgericht Soltau 5,5 Millionen Euro. Sie plane mit „ihren Geldgebern“ etwas mit Pferden, für Menschen oder ein Gesundheitszentrum. Ihr politischer Hintergrund ist unbekannt.

Die Kommune Bispingen hatte nur 2,7 Millionen geboten. Am 31. August steht der nächste Versteigerungstermin an. Dann wird sich zeigen, ob auch rechte Akteure um den Hof mitbieten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.