Debatte in NRW um Kopftuchverbot: Auch FDP-Chef Lindner für Verbot
Aus den Reihen der FDP mehren sich die Stimmen, die Musliminnen unter 14 Jahren das Tragen eines Kopftuchs untersagen wollen. Der Islamrat kritisiert das scharf.
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Lindner reagierte damit auf entsprechende Äußerungen des nordrhein-westfälischen Integrationsministers Joachim Stamp (FDP) in der Bild. Stamp argumentierte, religionsunmündige Kinder dürften nicht dazu gedrängt werden, ein Kopftuch zu tragen. Daher sollte ein Verbot geprüft werden. Nur erwachsene Frauen könnten die Frage selbstbestimmt entscheiden.
Lindner sagte nun offensichtlich an die Adresse von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), statt sinnfreie Islamdebatten zu führen, setze Stamp auf „Entscheidungen für eine fordernde, liberale Integrationskultur“. Die FDP-Bundestagsfraktion werde sich nach der Osterpause mit dem Thema beschäftigen und prüfen, wie die NRW-Initiative in den Bundestag getragen werden könne.
Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Linda Teuteberg, begrüßte Stamps Vorstoß ausdrücklich. Damit Integration gelinge, müssten auch Konflikte in der Einwanderungsgesellschaft „offen und besonnen angesprochen werden“, erklärte sie am Samstag.
Eine „pure Perversion“
Der WDR hatte zuvor NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) mit den Worten zitiert: „Einem jungen Mädchen ein Kopftuch überzustülpen, ist pure Perversion. Das sexualisiert das Kind. Dagegen müssen wir klar Position beziehen.“
Der Bild sagte sie: „Lehrer beobachten an den Grundschulen immer häufiger, dass schon siebenjährige Schülerinnen mit Kopftuch in den Unterricht kommen.“ In Ausnahmefällen erschienen sogar schon Kinder mit Kopftuch in den Kitas.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) äußerte sich kritisch: „Ich persönlich halte nichts von solchen Verboten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Toleranz, Weltoffenheit und Diversität gehörten an jede Schule und an jeden Kindergarten. „Deshalb arbeiten wir auch nicht mit Untersagen.“ Sie erwarte, dass bei Problemen in Kitas und Schulen mit den Eltern gesprochen werde.
Noch kritischer äußerte sich der Vorsitzende des Islamrats für Deutschland, Burhan Kesici: „Kopftuchzwang und Kopftuchverbot schlagen in dieselbe Kerbe: Beide entmündigen Musliminnen.“ Kesici nannte die Debatte „populistisch, symbolgeladen und inhaltsleer“.
Nicht von Minderheiten auf Allgemeinheit schließen
Die Vorstellung, muslimischen Mädchen werde das Kopftuchtragen aufgezwungen, sei überholt und widerspreche der verbreiteten Lebensrealität von Muslimen in Deutschland, sagte er weiter. Die Behauptung möge „in einigen wenigen Fällen“ vielleicht zutreffen. Wegen einer vermuteten Minderheit nun bei allen jungen Musliminnen die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit einzuschränken, sei jedoch „unverhältnismäßig und verfassungswidrig“.
Als islamische Religionsgemeinschaft sehe der Islamrat seine Aufgabe darin, „vor allem muslimische Mädchen in allen Lebenslagen zu stärken, sie beim Entdecken ihres eigenen Weges beistehend zu begleiten, aber auch vor jedem Zwang und Verbot der Religiosität zu schützen“, erklärte der Vorsitzende.
Der Islamrat vertritt fast 40 Mitgliedsvereine, der größte davon ist die türkische Islamische Gemeinschaft Milli Görüs. Seit April 2007 ist die Organisation Gründungsmitglied des Koordinationsrats der Muslime, in dem sich die Dachverbände Islamrat, Ditib, Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Verband der Islamischen Kulturzentren zusammengeschlossen haben.
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