Cum-Ex-Bankier geht gegen Anklägerin vor: Verhandlungsunfähig und klagebereit
Der Prozess wegen Cum-Ex-Geschäften gegen den Hamburger Bankier Olearius wurde eingestellt. Er sei zu krank. Jetzt klagt er gegen seine Anklägerin.
C hristian Olearius ist 82 und stand wegen Steuerbetrugs mit Cum-Ex-Geschäften seiner Hamburger Privatbank MM Warburg vor Gericht. Im Juni hat das Bonner Landgericht das Verfahren gegen ihn wegen ernsthafter gesundheitlicher Probleme eingestellt – ohne Frei- oder Schuldspruch. Doch beim Blutdruck des Bankiers, mit dem die Verhandlungsunfähigkeit begründet wurde, scheint noch Luft nach oben zu sein: Am Montag stellte er Strafanzeige gegen Anne Brorhilker, die damalige Staatsanwältin, die in ihn angeklagt hatte.
Olearius, ehemals Sprecher der Gesellschafter der Warburg-Bank, musste sich für Aktiengeschäfte verantworten, bei denen es allein darum ging, Geld aus der Staatskasse zu stehlen. Die Bank ließ sich bei diesen Cum-Ex-Geschäften um den Dividendenstichtag herum Kapitalertragssteuern erstatten, die sie nie bezahlt hatte. Der Gesamtschaden solcher Geschäfte, um die sich die Behörden lange Zeit nicht so recht kümmerten, wird allein in Deutschland auf 10 Milliarden Euro taxiert.
Als sich das Hamburger Finanzamt 2016 anschickte, das Geld zurückzufordern, ließ sich Olearius einen Termin beim damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geben – den ersten von mehreren Terminen, die Scholz später den Ruf einbrachten, an Amnesie zu leiden. Denn der heutige Kanzler kann sich angeblich nicht mehr an Details seiner Treffen mit dem Bankier erinnern. So stellte er es jedenfalls im Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft dar. Dabei ging es um viel Geld und einen wichtigen Finanzier in der Stadt: allein 2016 um 47 Millionen Euro, die die offenbar klamme Bank dem Fiskus zurückerstatten sollte.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Auf eine erste Anfrage der Linken hin hatte Scholzens Senatskanzlei sogar mitgeteilt, es habe gar keine Gespräche zwischen dem Bankier und dem Bürgermeister gegeben. Blöd nur, dass die Staatsanwaltschaft bei einer Razzia in der Bank Olearius’ Tagebücher fanden, in denen er über die Treffen berichtete.
Im Guten wie im Schlechten verbunden
In seinem Strafprozess beteuerte Olearius seine Unschuld und berief sich auf seine Unwissenheit. „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, sagte er vor dem Landgericht. Er sei vielmehr von legalen Aktienkaufverträgen ausgegangen. Manager der Bank sind wegen der Geschäfte verurteilt worden.
Die Warburg-Bank ist der Stadt und ihrem Establishment im Guten wie im Schlechten verbunden. Olearius half dem SPD-Senat, Teile des ehemals gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat zu retten, ebenso wie die Stahlwerke. Zuletzt trug er 2008 dazu bei, einen Verkauf der Reederei Hapag Lloyd nach Asien zu verhindern und sie am Standort Hamburg zu halten, was sich für die Stadt als sehr gutes Geschäft erwies.
Wie eng die Verbindungen sind, zeigt auch ein Vorgang, der den ehemaligen Mitherausgeber der Zeit, Josef Joffe, 2022 dazu bewog, sein Amt bis zum Auslaufen seines Vertrages ruhen zu lassen. Ausweislich eines Briefwechsels mit dem Bankier Max Warburg hat Joffe versucht, einen Bericht über die Cum-Ex-Verstrickungen zu verzögern, und äußerte sich schockiert über „Verräter“ aus dem Hause Warburg.
Olearius’ Anwälte werfen seiner ehemaligen Strafverfolgerin Brorhilker vor, „vorsätzlich und bewusst unvollständige und falsche Sachverhalte zur Grundlage ihrer Anklagen gemacht zu haben“. Insbesondere habe ein Kronzeuge Olearius zu Unrecht belastet., Brorhilker hat inzwischen den Staatsdienst verlassen und ist zur Bürgerbewegung Finanzwende gewechselt.
Wie sich die juristische Offensive mit Olearius’ Blutdruck verträgt, muss sein Arzt beurteilen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken