Coronaleugner im Bundestag: Eingeschleuste Provokateure
Die AfD verschafft Coronaverharmlosern Zugang zum Bundestag. Die bedrängen dort Abgeordnete. Jetzt gibt es ein Nachspiel.
Die Szene ist auf einem Video dokumentiert und spielte am Mittwoch im Bundestag – parallel zu den Protesten einiger tausend Coronaverharmloser gegen das neue Infektionsschutzgesetz. Während die Demonstrierenden auch mit Wasserwerfern vom Bundestag ferngehalten wurden, schafften es einige Gegner doch ins Parlament – offenbar auf Einladung von AfD-Abgeordneten.
Darunter war auch die Frau, die Altmaier beschimpfte. Bei ihr soll es sich um die Aktivistin Rebecca S. handeln, die sich von einer Flüchtlingshelferin zur Rechtsaußen wandelte. Auf einem längeren Video des Youtubers Elija T. ist sie am Mittwoch mit ihm und anderen bei einem Rundgang durch den Bundestag zu sehen. Elija T. benennt die Gruppe als „Medienwiderständler“. Den Bundestag bezeichnet er als „Ort, wo Gesetze geschmiedet werden, die euch unterjochen“.
Das inzwischen offline genommene Video beginnt im Büro des AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn. Dort dankt Elija T. einer Mitarbeiterin, die „uns heute hier gut versorgt hat“. Rebecca S. wird dann dabei gefilmt, wie sie weitere Personen im Bundestag fragt, ob sie Abgeordnete seien und wie sie bei der Gesetzesnovelle abstimmen werden, darunter Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter. Innig begrüßt S. auch die nach rechts abgedriftete frühere Bürgerrechtlerin Angelika Barbe, die am Mittwoch ebenfalls den Bundestag besuchte.
Vom AfD-Büro „gut versorgt“
Mit beim Rundgang dabei ist auch der Verschwörungsideologe Thorsten „Silberjunge“ Schulte. Dieser hatte zuvor mit AfDler Hemmelgarn die Proteste vor dem Bundestag besucht. Schulte hatte über seinen Telegram-Kanal bereits im Vorfeld seinen Besuch im Bundestag angekündigt, um sich dort gegen die „Merkel-Speichellecker“ einzusetzen. Er und andere seien „ordnungsgemäß angemeldet“, behauptet er.
Aus dem Büro von Udo Hemmelgarn hieß es, man prüfe den Fall gerade. Nach taz-Information soll Rebecca S. nicht von Hemmelgarn, sondern von einem anderen AfD-Abgeordneten in den Bundestag gelassen worden sein. Dieser ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet. Bernd Baumann, AfD-Geschäftsführer im Bundestag, teilte mit, dass Gäste von Abgeordnete regulär angemeldet worden waren und vom Bundestag überprüft wurden. Sollten die Gäste gegen die Hausordnung verstoßen haben, „werden wir diesen Vorwürfen nachgehen“.
Auch der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle (FDP) hatte beklagt, von Rebecca S. mit ihrer Kamera bedrängt worden zu sein. Katja Mast (SPD) und Tobias Lindner (Grüne) berichteten zudem, dass Störer an Bürotüren geklopft und Mitarbeiter bedrängt hätten.
Der FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann erklärte: „Wer Personen einschleust, die Abgeordnete bei ihrer Arbeit bedrängen oder behindern, betreibt Parlamentssabotage.“ Auch Grünen-Geschäftsführerin Britta Hasselmann nannte die Vorgänge „skandalös“. „Wer versucht, Abgeordnete zu bedrängen und einzuschüchtern, der greift unsere parlamentarische Demokratie an. Das lassen wir nicht zu.“ Hasselmann forderte einen „umfassenden Lagebericht“ von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in der Sitzung des Ältestenrats am Donnerstag.
Ein Sprecher der Bundestags sagte der taz, bei den Störern habe es sich um Gäste von Abgeordneten oder einer Fraktion gehandelt. Die Vorgänge seien der Bundestagspolizei bekannt und würden aufgeklärt.
Der Bundestag hatten wegen der angekündigten Coronaproteste seine Sicherheitsvorkehrungen eigentlich verschärft. Dürfen Abgeordnete sonst sechs Gäste auf eigene Verantwortung mit ins Parlament nehmen, wurden am Mittwoch alle Besucher genauer überprüft. Bei der Gruppe um Rebecca S. gab es offenbar zunächst keine Auffälligkeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu