piwik no script img

CO2-Werte neuer FahrzeugeAutobauer unter Schummel-Verdacht

Neuwagen stoßen wieder deutlich mehr Kohlendioxid aus, als die Hersteller angeben. Das zeigt eine neue Studie. Die Forscher sehen die EU in der Pflicht.

Wenn neue Pkw mehr Kraftstoff verbrauchen als versprochen, müssen Fah­re­r:in­nen öfter tanken Foto: Rolf Poss/imago

Berlin taz | Neuwagen verbrauchen in Deutschland deutlich mehr Kraftstoff und stoßen mehr Kohlenstoffdioxid aus, als die Autobauer angeben. Und die Lücke wird größer: Die Differenz zwischen den tatsächlichen Emissionen und den offiziellen Werten der Hersteller ist zwischen 2018 und 2022 gewachsen.

Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT), einer Forschungsorganisation, die den VW-Dieselskandal in den USA im Jahr 2015 mitaufgedeckt hatte. Laut den Autoren der Studie waren die Verbrauchswerte im Jahr 2022 ganze 14,1 Prozent höher als von den Autokonzernen angegeben. Noch 2018 habe der Unterschied bei durchschnittlich 7,7 Prozent gelegen.

Die Daten driften laut der Studie auseinander, obwohl die Europäische Union (EU) erst im Jahr 2017 ein neues Fahrzeugprüfverfahren eingeführt hat. Beim sogenannten WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) wird der offizielle CO2-Ausstoß neuer Fahrzeugmodelle in einer kontrollierten Laborumgebung ermittelt, um realistischere Werte für den Ausstoß von Schadstoffen und für den Kraftstoffverbrauch zu liefern.

Das Verfahren habe sich zunächst bewährt, schreiben die Autoren der ICCT-Studie: Die Differenz zwischen den realen Daten und denen aus dem Labor sei so von 32,7 Prozent auf eben 7,7 Prozent gesunken.

„Verbraucher müssen mehr für Kraftstoff bezahlen“

Für die aktuelle Studie haben die Forscher nun offizielle CO2-Emissionszahlen der Europäischen Umweltagentur (EEA) mit realen Kraftstoff-Verbrauchsdaten von über 160.000 Fahrzeugen verglichen. Diese realen Daten haben die Be­sit­ze­r:in­nen auf der Website spritmonitor.de festgehalten. Weil die Lücke wieder größer geworden ist, schlagen die Wissenschaftler Alarm: „Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO2-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft“, warnt Jan Dornoff, leitender Wissenschaftler am ICCT. „Das untergräbt die Bemühungen der EU zur Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen und führt dazu, dass die Verbraucher mehr für Kraftstoff bezahlen müssen.“

Das untergräbt die Bemühungen der EU zur Verringerung der CO2-Emissionen

Jan Dornoff, ICCT-Forscher

Die Gründe für die wachsenden Unterschiede sind noch nicht ganz erforscht, erklärt der ICCT-Forscher Peter Mock. Eine Rolle könnte aber zum Beispiel die Reifenwahl spielen: Zwar seien die Laborbedingungen mit dem WLTP bei den Reifen mittlerweile recht klar geregelt. Welche Reifen die Kun­d:in­nen am Ende aber für ihr Fahrzeug wählen, werde jedoch kaum mehr überprüft, sagt Mock.

Außerdem hätten die Hersteller seit der Einführung des neuen Prüfverfahrens Zeit gehabt auszuloten, wie in legalem Rahmen mit dem WLTP besonders niedrige Verbrauchswerte herbeigeführt werden können. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) weist auf Anfrage der taz darauf hin, dass sich „die deutsche Automobilindustrie an die gesetzlich vorgeschriebenen Vorgaben hält“, das WLTP aber „freilich nicht jede real mögliche Fahrsituation“ abbilde.

Reale Emissionen müssen sinken, fordern Politiker

„Im Prinzip sind die Gründe egal“, wendet Mock ein, da es schon Möglichkeiten gebe, die Lücke wieder zu schließen. So legen die Autoren der Studie der EU etwa nahe, die Daten der in Fahrzeugen verbauten Verbrauchsmessgeräte zu nutzen.

„Am Ende müssen aber die realen Emissionen auf der Straße sinken“, mahnt Anton Hofreiter, für die Grünen im Bundestag. „Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass es für die Einhaltung der Klimaziele im Verkehrsbereich Nachholbedarf gibt“, sagt der taz auch Tiemo Wölken, sozialdemokratischer Umweltpolitiker im Europaparlament.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mir fällt gerade auf, dass die Diskussion um die ungeheuer große Einsparung durch ein Diesel-Elektrisches Antriebskonzept gar nicht mehr geführt wird.



    Und das würde richtig, richtig viel einsparen.



    de.wikipedia.org/w...ektrischer_Antrieb

  • Welch böses Wort "Schummeln" (müßte Betrug heißen)



    Ein Tip für die Autolobby:



    Da scheinbar die Einbeziehung des Autogewichtes nicht ausreicht, sollte ein "Mobilitätsfaktor Mf" !! angestrebt werden !!



    Rechenbeispiel:



    CO2-Ausstoß x 0,1 !!!



    Begründung:



    Schließlich steht ein Auto statistisch ca. 90% der Zeit ! und ist nur ca. 10% der Zeit in Bewegung, ergo: Mf >= 0,1 !!!



    Diese Lösung böte dann noch einen weiten Spielraum für weitere Innova-tionen in Gewicht, mehr Zylinder, mehr PS usw. :-)

    • @Thüringer:

      PS:



      Formel muß heißen:



      CO2-Ausstoß alt x Mf = CO2 Ausstoß neu

  • Die europäischen Autobauer haben aus dem Dieselskandal nichts gelernt. Wie auch, demn im Gegensatz zu den USA waren die Strafen in der EU viel milde. In den USA landeten Manager zum Teil im Gefängnis. Wenn europäische Konzerne bei dem Messverfahren so "kreativ" sind, sollte die US-Behörde nach US-Standard messen. Aber dazu wird es nicht kommen, denn in der EU ist die Auto-Lobby viel zu mächtig.

  • Wer mag wohl beim Design des vorgeschrieben Prüfverfahrens mitlobbykratisiert haben? Vielleicht die Gleichen wie bei den Messverfahren für Akrapovic und Jekyll&Hyde und andere gesellschaftunverträgliche Brüllrohre?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Die Menschen sollen vernünftig fahren. Dann stimmt auch der Verbrauch. [/ironie]

  • @FLY

    Beim Rest nicht so ganz, aber darin:

    "Anscheinend ist Benzin und Diesel noch zu günstig"

    sind wir 100%ig d'accord.

  • "Am Ende müssen aber die realen Emissionen auf der Straße sinken“, mahnt Anton Hofreiter, für die Grünen im Bundestag. „Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass es für die Einhaltung der Klimaziele im Verkehrsbereich Nachholbedarf gibt".



    Anschließe mich, aber die Erfahrungen als Radfahrer und Fußgänger im Rushhour-Verkehr zeigen die emotional bedingt unangepasste Fahrweise besonders, mit Spitzen an Beschleunigung und Lärmemissionen am Montagmorgen. Das ist nur meine Einzelfallbeobachtung, aber montags bin ich bei 'Fahrwegquerungen' besonders vorsichtig. Offensichtlich ist der Kraftstoff-Verbrauch allein als Argument noch nicht allen "Verbrenner-Heizern" persönlich wirklich wichtig. "Sound sells?" - auch möglich.

  • "Schummeln" als Beschreibung von organisierter Kriminalität im industriellen Maßstab? Wirklich, TAZ?

    • @Kurt Kraus:

      Ich würde sagen das ist das offizielle Wording.



      Stichwort vom Verkehrsministerium "unvorteilhafte Schummelsoftware"

  • Die Katze läßt das Mausen nicht auch wenn sie einen Spatz mal frisst.

  • Wie wäre es den damit?

    Ein Jahr nach der Erstzulassung werden Fahrzeuge (z. B. 100 pro Modell) anhand ihrer Verbrauchswerte (bei E-Autos auch Reichweiten) nach realer Nutzung neu überprüft. Weichen die Durchschnittswerte um mehr als 5% (nach oben beim Verbrauch, nach unten bei der Reichweite) von den Zulassungswerten im Prüfverfahren ab, muss der Hersteller innerhalb von 6 Monaten entsprechend nachbessern, sonst darf er diese Modelle nicht mehr verkaufen. Das ist ihm vorab bekannt. Also muss er sich darauf einstellen.

    Alle Zulassungsverfahren müssen zwar nicht von der absolut ungünstigsten, aber von der real erwartbaren Nutzung ausgehen. Nicht von einer optimierten.

    • @Al Dente:

      In einer Marktwirtschaft wäre das sicher so.



      Aber wir sind ja eine soziale Marktwirtschaft.

    • @Al Dente:

      Bei uns darf aber sogar Heckler&Koch mit "optimierten" Prüfverfahren arbeiten, wenn es um neue Waffen für die BW geht 😂

      Das sind Sachen, die kann man sich nicht ausdenken...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Was für eine wunderschöne philosofische Frage.

        Beginnt die Existenz von etwas dadurch, dass jemand es erdenkt oder gab es das vorher schon - also schon immer und wird durch das Erdenken quasi nur entdeckt ?

  • Die internationale Energieagentur hat die Staatsregierungen aufgefordert, SUVs höher zu besteuern. Paris geht voran und erhöht die Parkgebühr für SUVs. 18 Euro/Stunde.



    So kann die Politik zielführend die Entwicklung der Fahrzeug größe und den Kraftstoff-Verbrauch gestalten. Den Luxus einfach stärker zur Kasse bitten.



    Auf unserern Straßen sind Autos unterwegs, die schwer und übermotorisiert sind und diese Fahrzeuge werden dann selbstverständlich auch mit Bleifuß gefahren.



    Manches Neufahrzeug hatt einen Benzin-Verbrauch, für den zwei normale Fahrzeuge fahren könnten. Zudem haben SUVs, T6 etc. größere Fahrzeugmaße und benötigen mehr Platz.



    Daher ... Plakette drauf und zu Kasse bitten (beim Parken, auf Fähren, bei Regelverstößen etc.)

  • Ach was? die Autohersteller schummeln? Mal was ganz neues!

    • @tomás zerolo:

      Nu, von schummeln ist in der Studie kaum die Rede.



      Die Autobauer, nicht nur deutsche Firmen, scheinen sich an das vorgeschriebene Prüfverfahren zu halten.



      Nur die User halten sich nicht dran, nehmen falsche Reifen, fahren zu schnell, laden zu viel zu, schalten falsch etc.



      Anscheinend ist Benzin und Diesel noch zu günstig.