CDU in Thüringen: Erneutes Spiel mit dem Dammbruch
Die CDU verweigert die Zustimmung zum Haushalt und will Kürzungen im Integrations- und Demokratiebereich. Die AfD hat sie auf ihrer Seite.
Demnach will die CDU Maßnahmen zur Integrationsförderung von 6,5 Millionen um 3 Millionen Euro kürzen. Beim Landesaufnahmeprogramm Afghanistan oder den Erstattungskosten für Geflüchtete an die Krankenkassen sollen je 1,5 Millionen Euro eingespart werden. Das Landesprogramm „Arbeit für Geflüchtete“ soll um gut 2,2 Millionen Euro gestutzt werden. Die Partei hatte etwa das Afghanistanprogramm zuletzt teils als „Ideologieprojekt“ kritisiert.
Zudem will die CDU das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit von 5,7 Millionen um 700.000 Euro einkürzen. Die politische Bildung in der Erwachsenenbildung soll von 1,4 Millionen um 1 Million Euro schrumpfen, die inklusive Erwachsenenbildung sich auf 500.000 Euro halbieren. Zuschüsse für Gleichstellungspolitik sollen von 4 auf 2 Millionen Euro fallen.
Die Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich nannte die Pläne „wirklich krass“. „Die CDU geht in einen in Zahlen gegossenen Kulturkampf“, sagte sie der taz. Auch für die Linke Katharina König-Preuss würden damit „soziale und demokratische Stützpfeiler massiv eingerissen“. Es drohe ein weiterer Rechtsruck im Land. SPD-Landtagsvizepräsidentin Dorothea Marx sprach von einem „völlig unverantwortlichen“ Vorgehen der CDU. Erneut könnte „die Brandmauer gegen die als verfassungsfeindlich eingestufte Thüringer AfD eingerissen werden“.
Vorwurf des „Harakiri“ an die CDU
Der Thüringer Haushalt soll am Donnerstag im Landtag verabschiedet werden. Die rot-rot-grüne Regierung von Bodo Ramelow (Linke) hat hier keine eigene Mehrheit. Die CDU fordert insgesamt deutliche Einsparungen – verweigerte der Regierungskoalition aber bisher alle Gespräche. „Das hat es noch nie gegeben“, kritisiert Rothe-Beinlich. Die CDU vollführe ein „Harakiri“, das am Ende den ganzen Haushalt zum Platzen bringen könnte.
Die Thüringer CDU nannte ihre Kürzungspläne auf taz-Nachfrage „Umschichtungen“, etwa hin zu mehr Ehrenamtsförderung. Zudem sehe man „viele migrationspolitische Maßnahmen kritisch“ und dokumentiere dies mit den Anträgen. CDU-Fraktionschef Mario Voigt erklärte am Dienstag, es gehe der CDU beim Haushalt generell um mehr finanzielle Nachhaltigkeit und mehr Gelder für die Kommunen. Dafür sei man zu Gesprächen bereit – aber nur, wenn Rot-Rot-Grün „doch noch auf uns zugeht“.
Bei den CDU-Kürzungsplänen in der Gesellschaftspolitik aber lehnt R2G das ab. Dass diese inhaltlich abzulehnen seien, „versteht sich von selbst“, so SPD-Frau Marx zur taz.
Die AfD lauert schon
Dafür kann die CDU auf Unterstützung von der AfD hoffen. Denn auch die Rechtsextremen wollen Kürzungen im Migrations- und Demokratiebereich, wenn auch noch drastischer. So will die Partei etwa das Landesprogramm für Demokratie komplett streichen. Auch die 8 Millionen Euro an Zuweisungen an die Gemeinden für unbegleitete minderjährige Geflüchtete sollen komplett weg. Maßnahmen zur Integrationsförderung sollen um 6,5 Millionen Euro sinken.
Tut sich die Opposition zusammen – neben CDU und AfD auch die FDP und die Bürger für Thüringen -, hätten sie eine Mehrheit im Landtag. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke jedenfalls dürfte schon lauern. Schon als die CDU zuletzt den Gender-Antrag mit seiner Partei durchbrachte, jubilierte er, die Partei habe „sich zum ersten Mal ein Herz gefasst“.
Unvergessen bleibt auch, wie CDU und AfD im Februar 2020 den FDP-Mann Thomas Kemmerich kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählten. Ein Zusammengehen, an das sich Grünen-Fraktionschefin Rothe-Beinlich nun wieder erinnert fühlt. „Da schließt sich mit den Haushaltsberatungen jetzt ein ganz fataler Bogen.“
Um das zu verhindern, unternehmen Linke, SPD und Grüne noch einen letzten Versuch: Sie boten der CDU an, im Haushalt zwar nicht die Streichungsvorschläge der Partei zu übernehmen – wohl aber deren gewünschten Mehrkosten. Auch dazu wurde die CDU für Mittwochnachmittag nochmals zu einem Gespräch eingeladen. Es sei noch nicht zu spät für eine gemeinsame Einigung auf den Landeshaushalt, appellierte SPD-Fraktionschef Matthias Hey.
Auch aus der Zivilgesellschaft kommt Druck. Axel Salheiser vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena warnt die CDU vor dem „nächsten Tabubruch mit Signalwirkung“. Die CDU dürfe sich nicht aus Oppositionskalkül „zur Ermöglicherin radikal rechter Kahlschlagträume machen“, so Salheiser zur taz. Wer an Demokratieförderung und Integrationsmaßnahmen die Axt anlege, helfe der AfD auf ihrem Weg zur Regierungsmacht.
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