Burschentag in Eisenach: Arme Schweine
Die Deutsche Burschenschaft hält ihr Verbandstreffen ab. Sie darf nicht mehr auf die Wartburg, ihr schlägt nur noch Verachtung entgegen. Recht so!
L iebe Burschenschaftler,
es ist dieser Tage nicht leicht, einer von Euch zu sein. In die Wartburg will man Euch nicht mehr lassen, und nun soll Euch sogar die Gemeinnützigkeit abgesprochen werden. Kein Wunder, ist doch mit den Jahren der eigene Dachverband so weit nach rechts gerückt, dass es ungehindert ins Oberstübchen regnet, Euch die Vögel noch mehr als sonst ins Hirn scheißen und überhaupt ein Gegenwind weht, den Ihr reaktionären studentischen Sesselfurzer so nicht gewohnt seid. Und den Ihr in dieser Heftigkeit womöglich auch gar nicht verdient habt.
Denn wer sich aus freien Stücken und nach Abwägung aller Argumente zum Beitritt in eine Burschenschaft entscheidet, ja, wer diese Möglichkeit auch nur ansatzweise in der Dunkelheit seines Herzens bewegt, der ist per definitionem schon eines der ärmsten Schweine unter der Sonne.
Ist so. Und es ist nicht schwer, sich in Euch hineinzuversetzen. Weiche, weiße Wohlstandsbürgersöhnchen aus bestem, eben leistungsorientiertem und enstprechend unterkühltem Hause, plötzlich der Nestwärme des Internats beraubt und geworfen in die wilde Welt des Studentenlebens. In ein Milieu also, das Schnöseligkeit nicht einmal mehr in der juristischen Fakultät wirklich belohnt.
In einem Städtchen womöglich, wo niemand mehr sich neben den Porsche Cayennes ihrer übermächtigen Väters in den Staub wirft und selbst die unsichtbaren Preisschildchen an den Edelklamotten ihre magische Wirkung verloren haben. Und was sucht, wer sich plötzlich fühlt wie Harry Potter ohne Zauberstab?
Geborgenheit
Halt. Zuspruch. Sicherheit. Geborgenheit. Ein Junge-Freiheit-Abo. Kameradschaft eben, der Blick in andere feiste Gesichter mit rosigen Wangen. Erkennen wollt Ihr Euch, wie Brüder, und keine Schlitzaugen oder Schwarze unter Euch dulden, die einfach nicht begreifen können, dass Sie nicht willkommen sind in Eurem Club der feisten Gesichter mit den rosigen Wangen.
Auch sucht Ihr kein karges Kämmerchen im kalten Studentenwohnheim, sondern einen lichten Raum in einer gründerzeitlichen Villa in einem Garten mit Fahnenmast. Mast ist immer gut und fast so wichtig wie der verlorene Stab.
Apropos Stab: Flattert die Fahne im Wind und steigt abends die Party, kommen überraschend viele BWL-Mädchen vorbei, um Euch und Eure Chancen im Leben ein wenig besser kennenzulernen. Diese Mädchen riechen und rasieren sich auch besser als jene auf den Asta-Parties. Es sind deutsche Mädchen, ihre schlanken Finger fahren den Saum der Schärpe entlang, und sie hauchen Dinge wie: „Cayenne? Echt jetzt?"
Und wenn Euch das Parfum und der Alkohol zu Kopf steigt, habt ihr auf dem Klo diese speziellen Kotzbecken auf Hüfthöhe, mit Haltegriffen in der Wand. Gemeinsam pflegt Ihr, was Ihr für Traditionen haltet. Ehrwürdige Traditionen, mit denen ihr Euch ebenfalls besaufen würdet, gäbe es sie abgefüllt in Flaschen.
Parasiten
Wart Ihr das nicht auf der Wartburg, 1817? 1832 auf dem Hambacher Schloss? Auf den Barrikaden in Berlin 1848? Im Pulverdampf von Sedan 1871? Nein, das waren andere. Ihr seid nur erbärmliche Zwerge auf den Schultern von Riesen, die Euch abschütteln würden wie etwas Haariges mit acht Beinen, wüssten Sie von Eurer parasitären Existenz.
Da helfen auch die alten Lieder nicht, die so kräftig klingen, wenn Ihr sie alle gemeinsam singt. Da helfen auch die Fackeln nicht, mit denen ihr Kriegerdenkmäler besucht. Da helfen auch die Hüte nicht, mit denen Ihr ausseht wie Pagen in einem Horrorfilm. Da helfen nicht einmal die erbaulichen Trinksprüche der „alten Herren“, die Kliniken für Schönheitschirurgie geführt haben im Taunus und sich ihrerseits noch mit Wehmut erinnern an „alte Herren“, die noch Offensiven geführt haben im Osten.
Alte Herren, die mit Ihren Spenden die Villa erst möglich machen und diese Investition in die reinrassige Männlichkeit von Morgen bisher von der Steuer absetzen konnten. Weil Burschenschaften ja gemeinnützig sind. Und das sind sie wirklich, wie Tierheime auch. Irgendwo müssen die armen Schweine ja unterkommen.
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