Burda-Erbin macht HipHop: Revolution von oben
Elisabeth Furtwängler hat einen Track über ihre Privilegien veröffentlicht. Ihren Ansatz des Klassenverrats sollte man nicht ins Lächerliche ziehen.
![Elisabeth Furtwängler mit Hubert Burda. Elisabeth Furtwängler mit Hubert Burda.](https://taz.de/picture/4803974/14/erbin-elisabeth-furtwaengler-kerfor-rap-hip-hop-reflektion-herkunft-1.jpeg)
W er rappt, der hat meistens etwas zu beklagen: Ausgrenzung, Armut, Alienation. Insofern passt der Track „Privilege“ der Burda-Erbin Elisabeth Furtwängler, den sie unter dem Namen Kerfor veröffentlicht hat, zwar nicht inhaltlich, doch aber prinzipiell in das Genre.
Denn der Song, dessen Videoclip sie vergangenen Freitag herausgebracht hat, ist eine Anklage gegen ihr Privilegiertsein. Auf einem bestimmt nicht so billigen Rennrad und in edgy Farben gekleidet (neongrüne Mütze, mintgrüner Hoodie, gelbe Hose, knallgelbe Jacke) radelt sie auf dem Tempelhofer Feld in Berlin und klagt darüber, dass sie Privilegien habe; dass sie nie Hunger erlitten habe; dass sie das aber nicht besser als andere mache; dass man sich ja nicht aussuche, woher man komme.
Das mag man albern finden, wie es Menschen in den sozialen Medien getan haben. Und Furtwänglers bemüht genretypischen Handbewegungen können einen auch fürchten lassen, dass sie jeden Moment vom Rad stürzen werde. Aber man darf auch anerkennen, dass sie einen ganz passablen Flow hat und, viel wichtiger, auch Sätze rappt wie „We’re in this together“ und „We can make things better“.
Nachdem die ohnehin nicht siegesgewohnte Linke in der Pandemie eine Niederlage nach der anderen kassiert, manche deshalb über eine handlungsunfähige und sich selbst nicht bewusste Arbeiter- und Prekärenklasse jammern, andere an ihrem quasireligiösen Glauben an ein bald auf messianische Weise erscheinendes revolutionäres Subjekt festhalten – da könnte es vielleicht gut sein, Menschen wie Furtwängler in ihren klassenverräterischen Impulsen zu bestärken – so dass auf ihr gerapptes Unbehagen vielleicht einmal Taten folgen.
Denn warum sollte die Künstlerin, die gemeinsam mit ihrem Bruder 74,9 Prozent des Konzerns der milliardenschweren Burda-Familie besitzt, den Verrat an ihrer Klasse, die ihr doch so großes und so gekonnt in Szene gesetztes Leiden beschert, nicht auch faktisch begehen – und ihr Eigentum entsprechend umverteilen? Ein solcher Akt wäre zudem ein ziemlicher Marketingcoup für ihr musikalisches Werk. Und vielleicht würde es Größeres auslösen, in Zeiten, in denen nichts auslösbar zu sein scheint. Mit Kerfor in die klassenlose Gesellschaft – warum eigentlich nicht?
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