piwik no script img

Burda-Erbin macht HipHopRevolution von oben

Elisabeth Furtwängler hat einen Track über ihre Privilegien veröffentlicht. Ihren Ansatz des Klassenverrats sollte man nicht ins Lächerliche ziehen.

Milliardäre: Elisabeth Furtwängler (Künstlername Kerfor) mit Vater Hubert Burda Foto: Patrick Seeger/dpa/picture alliance

W er rappt, der hat meistens etwas zu beklagen: Ausgrenzung, Armut, Alienation. Insofern passt der Track „Privilege“ der Burda-Erbin Elisabeth Furtwängler, den sie unter dem Namen Kerfor veröffentlicht hat, zwar nicht inhaltlich, doch aber prinzipiell in das Genre.

Denn der Song, dessen Videoclip sie vergangenen Freitag herausgebracht hat, ist eine Anklage gegen ihr Privilegiertsein. Auf einem bestimmt nicht so billigen Rennrad und in edgy Farben gekleidet (neongrüne Mütze, mintgrüner Hoodie, gelbe Hose, knallgelbe Jacke) radelt sie auf dem Tempelhofer Feld in Berlin und klagt darüber, dass sie Privilegien habe; dass sie nie Hunger erlitten habe; dass sie das aber nicht besser als andere mache; dass man sich ja nicht aussuche, woher man komme.

Das mag man albern finden, wie es Menschen in den sozialen Medien getan haben. Und Furtwänglers bemüht genretypischen Handbewegungen können einen auch fürchten lassen, dass sie jeden Moment vom Rad stürzen werde. Aber man darf auch anerkennen, dass sie einen ganz passablen Flow hat und, viel wichtiger, auch Sätze rappt wie „We’re in this together“ und „We can make things better“.

Nachdem die ohnehin nicht siegesgewohnte Linke in der Pandemie eine Niederlage nach der anderen kassiert, manche deshalb über eine handlungsunfähige und sich selbst nicht bewusste Arbeiter- und Prekärenklasse jammern, andere an ihrem quasireligiösen Glauben an ein bald auf messianische Weise erscheinendes revolutionäres Subjekt festhalten – da könnte es vielleicht gut sein, Menschen wie Furtwängler in ihren klassenverräterischen Impulsen zu bestärken – so dass auf ihr gerapptes Unbehagen vielleicht einmal Taten folgen.

Denn warum sollte die Künstlerin, die gemeinsam mit ihrem Bruder 74,9 Prozent des Konzerns der mil­liar­den­schweren Burda-Familie besitzt, den Verrat an ihrer Klasse, die ihr doch so großes und so gekonnt in Szene gesetztes Leiden beschert, nicht auch faktisch begehen – und ihr Eigentum entsprechend umverteilen? Ein solcher Akt wäre zudem ein ziemlicher Marketingcoup für ihr musikalisches Werk. Und vielleicht würde es Größeres auslösen, in Zeiten, in denen nichts auslösbar zu sein scheint. Mit Kerfor in die klassenlose Gesellschaft – warum eigentlich nicht?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
Mehr zum Thema

31 Kommentare

 / 
  • ‚ Ihren Ansatz des Klassenverrats sollte man nicht ins Lächerliche ziehen.‘

    doch, sollte man unbedingt. ihre rap-skills, von der inhaltlichen fragwürdigkeit abgesehen: nicht richtig schlecht, aber dennoch das gegenteil von gut. beflissen, hart antrainiert, aber ohne jede art von göttlichem funken, den diese kunstform halt auch benötigt. man denkt interessanterweise an cultural apropriation: das musikalische äquivalent zum blackfacing.

    so ging‘s zumindest mir. war eine viertel-stunde auf ihrem insta-account und dachte danach: ja, bestimmt auch nicht leicht, dieses leben, aber who cares? alle um sie rum sehen bezahlt aus.

    und der taz-text: wow. ich fasse mal zusammen: bitte, liebe miliardärin, gib der welt ein bisschen was zurück! zizek hatte recht: wir können uns die alienlandung vorstellen, aber nicht das ende des kapitalismus. nicht mal die gottverdammte taz denkt einen millimeter außerhalb des systems. zum heulen.

  • Mal davon abgesehen, dass es ganz schöner Schund ist finde ich es fraglich warum Sie hier überhaupt eine Bühne bekommt?



    In den letzten Monaten sind ein paar sehr gute und starke Platten von RapperInnen rausgekommen und diese werden nicht einmal als Randnotiz in irgendeinen Kulturartikel hier genannt.



    Erst vor einer Woche ist z.B. die neue Platte von Pöbel MC erschienen oder Anfang des Jahres die neue von Audio88 und Yassin, welche sich mit tatsächlichen Problematiken auseinander setzen.

  • Rich Kids sind arm dran: alle wollen (nur) ihr Geld und sogar hier im Taz-Forum dienen sich ja einige an. Statt über Privilegien zu jammern, sollte sie ihr Geld investieren: grün, arbeitnehmerfreundlich und dazu gerne auch in NGOs oder bisher staatlich geförderte Projekte ... aber keine Sorge, es wird so nicht kommen.

  • Tom Koenigs hat da Maßstäbe gesetzt.

  • Das Video ist ja furchtbar schlecht. Da sind eine Milliarde Tik-Tok-Videos besser.

    Sie kann nicht rappen, sie kann nicht singen, sie hat keinen Flow.

    Die junge Frau sollte sich lieber um ihre Milliarden kümmern.

  • Immerhin reflektiert sie ihre Privilegien. Kann sich ja keiner aussuchen ob man in einer armen oder in einer reichen Familie geboren wird. Sie ist in einer wohlhabenden Parallelwelt aufgewachsen. Den König der Klatschpresse zum Vater zu haben, in der Lügen und Menschen zu stalken und zu tyrannisieren zum alltäglichen Handwerk gehören, kann auch unangenehm sein. Es kommt darauf an was sie daraus macht. Schauen wir mal.

  • Erkenntnisse sind der erste Weg der Veränderung... passt, entspanntes Video... für mich gibts erst mal keinen Grund da rumzumäkeln.



    Übrigens: Die fährt doch super Fahrrad, Sypmathiepunkt von mir.

  • @DANNY SCHNEIDER

    Wer mein Respekt verlieren will, verlangt Bewerbungen und definiert den Wert des Menschen über den Job!

    Bitteschön. Gerngeschehn.

  • Wer meinen Respekt haben will, schreibt Bewerbungen und sucht sich einen Job!

    PS: die Wissenschaft kann Geld gut gebrauchen!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Das mag man albern finden..."

    Das ist albern!

  • Die Frau könnte ja mal bei Oli P. dem ollen MC nach nem Featuring anfragen. Würden sich ideal ergänzen :)...

  • Sie kann sich ja mit der Bahlsen-Erbin zusammentun um ihre Cred zu multiplizieren.

  • "Wer rappt, der hat meistens etwas zu beklagen: Ausgrenzung, Armut, Alienation."

    Na ja. Ende der 80er/Anfang der 90er war das vielleicht mal so. Mittlerweile ist HipHop längst Popmusik, Mainstream, Dauergast in den Charts. Viele Acts haben niemals die Straße gesehen, von der sie fabulieren.

    In jeder Grundschule wird "Hip Hop getanzt". Politiker, Polizei, selbst Kirchenvertreter stottern sich ohne jeglichen Scham durch "hippe" Werbespots. Selbst Nazis machen heute Rap.

    Die Szene hat den totalen Ausverkauf längst hinter sich. Rapper füllen die Klatsch Spalten des Boulevards, wollen sogar US Präsident werden. Da wundert mich die Posse hier kein Stück.

  • Das Burda-Vermögen wird auf 3,8 Milliarden US-Dollar beziffert. Elisabeth Furtwängler, die gemeinsam mit ihrem Bruder 74,9 Prozent des Konzerns der mil­liar­den­schweren Burda-Familie besitzt, hat anscheinend Langeweile und möchte wohl in die "künstlerischen Fußstapfen" ihrer Mutter treten; der Schauspielerin Maria Furtwängler.

    In einem Videoclip klagt bzw. rappt Elisabeth Furtwängler also darüber, dass sie Privilegien habe; dass sie nie Hunger erlitten habe; dass sie das aber nicht besser als andere mache; dass man sich ja nicht aussuche, woher man komme. Da kommen einem ja gleich die Tränen. Ja, die armen Reichen, die nie in den Genuss kommen, auch einmal vom Jobcenter sanktioniert zu werden und somit auch nie die Erfahrung machen können, ob das Geld für Nahrung und Getränke noch bis zum Monatsende reicht. Nun ja, wenn man wie Elisabeth Furtwängler 1,425 Milliarden Dollar besitz (37,5% des Burda-Vermögen) dann wird die "arme" Frau so etwas wohl auch nie erfahren.

    1,425 Milliarden Dollar wären bei einer Lebenserwartung (einer wohlhabenden Frau) von 90 Jahren 43.379 Dollar bzw. 36.004 Euro am Tag, also nur geringfügig mehr als ein Hartz IV Bezieher oder ein Niedriglöhner am Tag hat *LOL*.

  • “Hey fellow poor kids,how do you do?”



    “Ich bin doch eine von euch,schau mal,ich hab auch den hässlichsten Jogginganzug angezogen,den meine Assistentin bei Humana gefunden hat,ich kann doch nix dafür dass ich so PRIVILIGIERT bin”



    Und auch auf die Gefahr hin,wie ein verkalkter Boom-Bap-Fan zu klingen:”Das ist kein richtiger Rap.”



    Rap muss nicht zwangsläufig aus “der Gosse kommen” ,aber bisschen mehr Meta als offensichtliche Platitüden gepaart mit 90er Ästhetik darfs dann schon sein.



    Einer der Kommentatoren hat das schon ganz richtig beurteilt:”wenn du dich beschwerst,dass keiner über die wichtigen Sachen redet,dann rede dich einfach über die wichtigen Sachen,statt darüber zu reden,dass keiner über die wichtigen Sachen redet.”



    Ich hab das Video aufgrund von Fremdscham allerdings auch nicht bis zum Ende durchgehalten.

    Und die Tatsache,dass es Kids aus dem Wedding gibt,die mit einem Zehntel des Budgets 10x bessere Videos produzieren,sollte auch nicht unterschlagen werden.

    • @pippilotta_viktualia:

      Youh!



      Speziell die letzten beiden Absätze.



      it is correctly



      Das ist in Ordnung!



      ;-)



      Rap ist mein Plan B- von 2011



      PKB 65 - Rap aus Berlin Wedding



      www.youtube.com/watch?v=dNEvtG0El_0

      Was wird aus ihnen geworden sein?

    • @pippilotta_viktualia:

      Wenn sich die Leser der taz nicht für Musikvideos von "Kids aus dem Wedding" interessieren, dann werden die es wohl nie bis nach Kreuzberg schaffen. 😊

    • @pippilotta_viktualia:

      Liggers. Sag‘s ja:“ Der Stein bestimmt das Bewußtsein!“



      & personare - 😱 =>



      Das physiognomische Veränderungspotential der Eltern hält sich bekanntlich ja auch sehr in Grenzen! - 🤫 - Newahr.



      Normal.

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @pippilotta_viktualia:

      Die Problematik ist doch eher, dass echter guter Rap dann geschätzt wird wenn es von armen gesungen wird. Ein Jay z ist schon lange nicht mehr so gut, weil er eine verdammt teure merchandizemaschine im Hintergrund hat. Gold und teuren Schmuck in den Videos hochzustilisierende ist kein Konsens mit der finanziell einfachen Gesellschaft. Dieses in Sicherheiten gebettetes Girl testet sich aus. Das unamerikanische an ihr war wohl die erreichte Milliarde nicht publik gemacht zu haben. Man muß sich mit solchen nicht gemein machen die von Grund auf wissen, Türen werden mir stets schneller und leichter geöffnet, auch dann nicht wenn sie durch ihre Erziehung gelernt haben höfliche Bürgerlichkeit zu praktizieren.

      • @92293 (Profil gelöscht):

        Guter Rap wird gemocht weil er gut ist. Da liegt auch nie ein Einkommensnachweis dabei.

  • Wenn sie auf Deutsch gerappt hätte, hätt ich es cooler gefunden.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Papa Moll:

      Warum?

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @Papa Moll:

      Ne kam in free Calif zustande, ging um Aufmerksamkeit bei größerem Konzert, als Video mit Veränderungen hat sie es erst später aufgenommen. So wie die deutsche Medienlandschaft aufgestellt ist, wird sie sicher bald bei den Voice Kids nachgesungen oder der Voice of germany.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Eher gibt sie die Anteil ihrem Bruder, aber erst wenn sie künstlerisch bekannt genug ist.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

    “Klassenverrat -

    Mitleid für alle. Revolution von oben. Wir wollen den Klassenverrat nicht in`s Lächerliche ziehen - und die Aktionist*innen nicht aufhalten.







    Denn - Auf hundert Menschen kommen:







    - Zweiundfünfzig, die alles besser wissen



    - Hilfsbereite, sofern es nicht zu lange dauert - gibt`s sogar neunundneunzig



    - Immerzu gütige, weil sie nicht anders können - vier, vielleicht fünf



    - die zur Bewunderung ohne Neid neigen - achtzehn



    - die keine Scherze dulden - vierundvierzieg



    [....]



    - die Talent haben, glücklich zu sein - Etwas mehr als zwanzig, höchstens



    [....]



    - die einzeln harmlos sind und in der Masse verwildern - Über die Hälfte, sicher



    - Grausame, von den Umständen dazu gezwungen - Sollte man lieber nicht wissen, nicht einmal annähernd



    [....]



    - des Mitleids Würdige - neunundneunzig



    - Sterbliche - Hundert auf Hundert, eine Zahl, die sich vorerst nicht ändert.







    (aus "Beitrag zur Statistik") (Wislawa Szymborska)



    de.wikipedia.org/w...5%82awa_Szymborska

    kurz - anschließe mich

  • Milliardärinnentränen.



    Mal sehen, was der zweite Song so bringt...

  • Sach mal so.

    Der Urgroßonkel dieser Burda-Sisters - der auch mal an meinem Flügel saß.



    Hat mit Otto Klemperer bei dem Hans Pfizner(“Egh mich am Orff“-;) Schüler Heinrich Jacoby - Däh - Musik studiert!



    Also is Hoffnung & wir warten mal ab!



    Ob der Satz “Der Stein bestimmt das Bewußtsein!“ - 😱 -



    Widerlegt wird. Masel tov - 🍀 -

    unterm———



    www.google.de/sear...e-de&client=safari



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Otto_Klemperer



    &



    de.wikipedia.org/w...m_Furtw%C3%A4ngler



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Jacoby

    • @Lowandorder:

      Sorry - siblings - I mean.

      • @Lowandorder:

        Sorry, versteh' ich nicht.

        • @nudeants:

          Sind halt keine sisters -



          Sind halt - Geschwisters - 🤫 -

          unterm—— englisch -



          brothers and sisters



          Geschwister = siblings -



          & Wort im Wandel - wiki -



          Geschwister (aus althochdeutsch giswestar „Gesamtheit der Schwestern“) steht für: Brüder und Schwestern - Däh!