Bundesregierung im Wahlkampfmodus: Tariftreuegesetz doch noch verabschiedet
Ohne FDP geht’s: SPD und Grüne bringen das Tariftreuegesetz durchs Kabinett. Für eine Mehrheit im Bundestag ist es aber wahrscheinlich zu spät.
Das Tariftreuegesetz war und ist ein Herzensanliegen der Gewerkschaften. Dabei geht es darum, dass künftig Aufträge und Konzessionen des Bundes nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach einem repräsentativen Tarifvertrag der jeweiligen Branche zahlen. Es soll bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ab 30.000 Euro Auftragswert sowie für die Vergabe von Bauaufträgen ab 50.000 Euro Auftragswert gelten.
Damit soll verhindert werden, dass Firmen, die mittels Lohndumping ihre Preise senken können, bevorteilt sind gegenüber Unternehmen, die tarifliche Löhne und Gehälter zahlen und auch ansonsten faire Arbeitsbedingungen bieten. Dadurch würde auch die Tarifbindung gestärkt. „Ich will, dass noch mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren“, erläuterte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Tarifverträge sichern anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen.“
Das Tariftreuegesetz hatten SPD, Grüne und FDP im Dezember 2021 in ihrem Koalitionsvertrag fest vereinbart. Dann passierte allerdings erst einmal lange nichts. Obwohl die Gewerkschaften immer wieder auf die Umsetzung „eines der aus gewerkschaftlicher Sicht wichtigsten Projekte der Ampelregierung“ (Verdi) insistierten, legte Heil erst Anfang September 2024 einen ersten Referentenentwurf vor.
Da hatte die FDP jedoch bereits das Interesse an Vertragstreue verloren. Ihre Minister:innen hintertrieben eine Einigung im Kabinett. Kurz vor dem Koalitionsknall beerdigte FDP-Chef Christian Lindner das Projekt endgültig: „Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo dies nicht möglich ist, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen“, schrieb er Anfang November in seinem „Wirtschaftswende“-Papier. Das gelte „insbesondere für die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegte Fassung des Tariftreuegesetzes, für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit.“
„Die FDP hat ziemlich erfolgreich ein schlechtes Spiel gespielt“, konstatiert verärgert der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Dass das Gesetz jetzt doch noch das Kabinett passiert hat, ist nicht mehr als ein rot-grüner Schaufensterbeschluss. Denn er kommt zu spät: Durch das Ampel-Aus fehlt es nunmehr an der notwendigen Mehrheit im Bundestag. Daran dürfte auch nichts ändern, dass Werneke am Dienstag die demokratischen Parteien im Bundestag aufgefordert hat, „fraktionsübergreifend das Bundestariftreuegesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden“. Die nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung dulde „keinen Aufschub“, so Werneke.
Auch Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Gruppe im Bundestag, nannte den Kabinettsbeschluss „nur einen ersten Schritt, dem eine zügige Befassung des Parlaments sowie Umsetzung des Gesetzes folgen muss“. Davon ist jedoch nicht auszugehen, da es dafür entweder der Stimmen der FDP oder der Union bedürfte.
Mit dem Tariftreuegesetz auf der Strecke bleiben wohl auch noch zwei weitere ursprüngliche Vereinbarungen der Ampel, die den Gewerkschaften wichtig waren: Zum einen geht es um die rechtlichen Grundlagen dafür, dass die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen, die zwischen dem 1. März und 31. Mai 2026 stattfinden werden, probeweise auch online durchgeführt werden können.
Zum anderen sollte zur Verbesserung des Schutzes von Arbeitnehmer:innen bei der Gründung eines Betriebsrats sowie bei der Betriebsratstätigkeit Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und deren Mitglieder künftig nicht mehr bloß auf Antrag, sondern von Amts wegen als Offizialdelikt verfolgt werden. Auch diese beiden Vorhaben dürften in dieser Legislaturperiode aufgrund einer fehlenden Bundestagsmehrheit auf der Strecke bleiben.
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