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Boom der Lastenräder in DeutschlandRevierkampf auf zwei Rädern

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Lastenräder sind gut für die Umwelt. Um sie noch zahlreicher auf die Straße zu bringen, muss die Infrastruktur massiv ausgebaut werden.

Lastenräder boomen und damit wird es enger auf den Straßen Foto: Felix Zahn/photothek/imago

A uf den ersten Blick sieht es vielversprechend aus: Weit mehr als 100.000 Lastenräder sind auf deutschen Straßen unterwegs, die Branche erwartet für die kommenden Jahre satte Zuwächse von 50 bis 70 Prozent jährlich. Aber: Zu befürchten ist, dass diese großen Räder für Transporte nicht viele Lieferfahrzeuge und Pkws ersetzen, sondern zusätzlich auf Straßen und vor allem auf Radwege drängen. Angesichts der allgemeinen Überfüllung ist das alles andere als eine schöne Vorstellung.

Privat erworbene Lastenräder werden punktuell genutzt und stehen die meiste Zeit am Tag still. Aber gewerbliche – und die treiben den Boom bei den Verkaufszahlen – sind im Dauereinsatz. Sie werden angeschafft von Unternehmen, die auf einen klimafreundlichen Transport von Waren setzen und/oder durch den Einsatz eines Lastenrads Zeit gewinnen wollen, weil ihre Fah­re­r:in­nen damit an den vielen Autostaus vorbeikommen. Das Erste ist lobenswert, das Zweite ein riesiges Problem: Es führt zu einer massiven Drängelei.

Denn es sind ja nicht nur die Straßen hoffnungslos verstopft, sondern auch viele Radstreifen und -wege überfüllt und schon ohne Lastenräder viel zu eng. Wenn massenhaft gewerbliche Rad­trans­por­teu­r:in­nen unterwegs sind und sie nicht ausschließlich vor und hinter den Fahrzeugen auf den Straßen fahren, werden sie mit den traditionellen Rad­fah­re­r:in­nen um den viel zu knappen Raum konkurrieren. Das setzt eine fatale Verdrängung aufseiten der ohnehin schwächeren Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen in Gang.

Die robusten Rad­fah­re­r:in­nen werden ihre Wege verteidigen, die anderen auf Gehwege ausweichen und dort den Fuß­gän­ge­r:in­nen das Leben schwer machen. Und der kleine Sicherheitsgewinn, der durch den hier und da erfolgten Ersatz eines Lieferwagens oder gar Lasters durch mehrere Lastenräder entsteht, ist schnell perdu.

Trotzdem sind Lastenräder eine gute Sache. Sie sind klimafreundlich, und ein Zusammenstoß mit Kindern, Fuß­gän­ge­r:in­nen oder Radfahrenden dürfte in der Regel glimpflicher ausgehen als die Kollision mit einem Pkw oder Lkw. Wirklich wünschenswert ist ihr hunderttausendfacher Einsatz aber nur, wenn die Infrastruktur massiv ausgebaut ist.

Das bedeutet nicht nur, in großem Stil neue und breitere Radwege zu bauen, sondern auch und gerade, den Autofahrenden zugunsten der anderen Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen Platz wegzunehmen. Wenn sich am Grundproblem nichts ändert, können vermeintliche Verbesserungen schnell ins Gegenteil umschlagen: Es gibt zu viele Autos und Lkws auf den Straßen, nicht nur in den Großstädten. Es müssen weniger werden.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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9 Kommentare

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  • "Es gibt zu viele Autos und Lkws auf den Straßen, nicht nur in den Großstädten. Es müssen weniger werden."



    Richtig! Aber was bedeutet dann der Imperativ, dass für Lastenräder die Infrastruktur massiv ausgebaut werden muss? Bei massiv ausgebauter Infrastruktur wird das "Weniger" zu einem absurden Ergebnis führen, welches mindestens den Status quo erhält, vermutlich sogar als Konsequenz in ein Mehr (an Straßen und -Verbreiterungen) münden wird.



    Zulasten eines schon sehr knappen Raumangebot gerade in Städten, wo sich gewerbliche Lastenräder betriebswirtschaftlich rechnen. Allen Wohl und niemandem Weh, liest sich doch schon in allen Wahlprogrammen.



    Ohne ernsthaft die vorhandenen Infrastrukturen zulasten der PKW und LKW einzuschränken (damit zumindest eine Hoffnung für ein Weniger bleibt) wird das nichts. Weder mit dem Klimaschutz, noch für eine Veränderung des Modal-Split, und schon überhaupt nichts am Konkurrenzverhältnis der Verkehrsmittel.



    PS: Da die Autos immer breiter und länger werden wird sich der massive Ausbau der Infrastrukturen - wie in den vergangenen 50 Jahren - an Fußgängern, Radfahrern und dem ÖPNV orientieren??



    Vielmehr eigenen sich die neu entdeckten und klimafreundlichen Lastenräder künftig vorzüglich zur Begründung für Straßenverbreiterungen und -Neubauten. Wer das für zu weit hergeholt hält, wird sich vermutlich noch nie oder nur am Rande für Verkehrspolitik interessiert haben.

    • @Drabiniok Dieter:

      Pragmatisch gesehen bräuchte es ja nicht mal viel neue Infrastruktur sondern ein Tempolimit von 30 kmh innerorts, weniger Parklätze für Autos und hohe Falschparkgebühr für Autos. Mit 30 kmh führe es sich als Radfahrer*in wesentlich sicherer und es fänden sich mehr Abstellplätze - auch für Lastenfahrräder.

  • Lastenräder gehören auf die Straße. Die Unfallgefahr mit normalen Rädern, insbesondere Kindern, ist zu hoch. In Innenstädten sollte - von großen Straßen evtl abgesehen - Tempo 30 gelten. Dann können die E-Lastenräder mitschwimmen.

    • @Strolch:

      Ich glaube nicht dass die durchschnittliche Person bei 30 km/h 'mitschwimmt', noch dazu mit einem schweren Lastenrad.



      Ich wäre eher für 20 km/h innerorts, das können die meisten noch erstrampeln. Am besten per GPS Signal alle Motorfahrzeuge ab Ortsschild auf 20 abriegeln, fertig.

      • @Dorothea Pauli:

        Gerade das Lastenrad ist einer der wenigen Fälle wo die Unterstützung durch den Elektromotor sinnvoll ist. Mit entsprechendem Motor kann auch die durchschnittliche Person mit jeder Last jedes Tempo halten. Wobei gegenwärtig die Pedelecs nur bis 25km/h unterstützt werden.



        Aber das ist eine gesetzliche und keine technische Grenze.

    • @Strolch:

      Alle erwachsenen Radfahren*innen gehören auf die Strasse, für Kinder können, aus psychologischen Gründen, Ausnahmen gelten. Die Unfallgefahr auf den in aller Regel erbärmlichen, maximal handtuchbreiten Radwegen (eigentlich den Gehwegen zugehörig) hinter dem herumstehenden Blech ist viel größer, als auf dem mit MIV geteilten Asphalt. Tempo 25 fürs Blech reicht im Übrigen völlig.

    • @Strolch:

      Entschuldigung:



      "gehören auf die FAHRBAHNEN" der Straßen.



      Die STRAßE umfasst den gesamten öffentlichen Verkehrsraum: Gehwege, evtl Radwege, oft Parkstreifen und die Fahrbahnen.



      Nach der Reform der STVO 1997 wurde endlich das von den Nazis eingeführte Allgemeine Fahrbahnverbot für Fahrräder



      (bei Ausweisung, auch des aller-untauglichsten Wegs als Radweg) wieder aufgehoben und das Befahren der Fahrbahnen durch Fahrräder wieder als Normalfall eingeführt.



      Ansonsten: Volle Zustimmung!

  • Jaein.



    Es gibt in der StVO §25 nur die Vorschrift, dass Fußgänger die sperrigen Gegenständen, oder Fahrzeugen mitführen, auf der Fahrbahn gehen müssen.



    Vergleichbares gibt es für Radwege nicht in der StVO.



    In den VwV uz §2 StVO zu II Radwegbenutzungspflicht steht drin, dass bei mehrspurigen Rädern oder Rädern mit Anhänger ein Nichtbenutzen des Radwegs zu akzeptieren ist. Was ja auch logisch ist, weil zu eng.

  • Ist es nicht so, dass bei zweispurigen Rädern die Radwegbenutzungspflicht in der üblichen Form nicht gilt? Es wäre nett, wenn der Artikel das erläutert.