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Bildung und CoronaSchulen dürfen nicht schließen

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Es gibt nur wenige Hotspot-Schulen in der Republik, dafür aber viele, wo der Betrieb unter Pandemiebedingungen mal besser, mal schlechter läuft.

Großer Diskussionspunkt in der Coronakrise: die Schulen, hier in Hamburg Foto: dpa

U nwillige Schüler bekommen schon mal eine 6 wegen Leistungsverweigerung. Eine Zensur, die sich GEW und Philologenverband als Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes redlich verdient haben. Seit dem Ende der Sommerferien lassen sie nichts unversucht, um Schulen zu Infektionshotspots hochzuschreiben, obwohl das die Zahlen nicht hergeben. 300.000 Schülerinnen und bis zu 30.000 Lehrer sind derzeit bundesweit in Quarantäne. Das klingt viel, das sind aber gerade einmal drei Prozent der Schülerschaft im Land. Entsprechend wenige Schulen müssen wegen zu hoher Infektionszahlen derzeit schließen.

Es gibt also nur wenige Hotspot-Schulen in der Republik, dafür aber ganz viele, wo der Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen mal besser, mal schlechter läuft. Natürlich ist es ungemütlich, im November bei aufgerissenen Fenstern im Klassenzimmer zu sitzen oder im Sportunterricht Maske tragen zu müssen. Es ist eine Zumutung für Schülerinnen und Lehrer. Aber immer noch besser, als die pädagogische Flickschusterei im Frühjahr, bei der viele Kinder im Homeschooling gleich ganz verloren gingen und es so manche LehrerIn schon für Digitalunterricht hielt, wenn er/sie die Aufgaben für das Selbststudium per Mail verschickt hat.

Vielleicht könnten es die engagierten und leidenschaftlichen Pädagogen, von denen es ja viele gibt, ihren Funktionären einmal weitersagen: Alles ist besser, als jetzt Schüler wieder ins Homeschooling zu verbannen. Schon klar, die GEW sieht sich vom Robert-Koch-Institut unterstützt. Das Institut hatte ja den Intervallunterricht empfohlen. Aber gerade das zeigt, dass Wissenschaftler Politikern die Abwägung nicht abnehmen können. Denn Virologen haben jede Menge Ahnung von der Pandemie, können aber nicht abschätzen, welche Schäden eine erneute und deutschlandweite Einschränkung des Unterrichts verursachen würde. Die Lehrergewerkschaften müssten das aber wissen.

Der Staat hat Beamte, damit er sich gerade in Krisenzeiten darauf verlassen kann, dass von ihnen staatliche Grundfunktionen aufrechterhalten werden. Er kann sie sogar über die vereinbarten Arbeitszeiten hinaus dienstverpflichten. Stattdessen konnten sich Lehrerinnen in Baden-Württemberg während der Pandemie sogar eine Zeit lang ohne weiteres selbst attestieren, zur Risikogruppe zu gehören und zu Hause bleiben. Ja, es ist mit einem gewissen Risiko verbunden, täglich hundert Schülern zu unterrichten, von denen man nicht weiß, ob sie nach der Schule die Maske fallen lassen und die Köpfe zusammenstecken. Aber ein viel höheres Risiko gehen zum Beispiel Polizeibeamtinnen ein, nicht nur, wenn sie Querdenker-Demos auflösen müssen. Sollten die Ministerpräsidenten also dem Lobby-Druck von GEW und Philologenverband nachgeben, dann können sie das Beamtentum für Lehrer gleich mit abschaffen.

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Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
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7 Kommentare

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  • Lieber Herr Stieber, ich musste über einige ihrer Aussagen mich wundern. Dass eine vermeintlich linke Zeitung wie die Taz gegen eine Gewerkschaft schreibt, auch wenn es die der Lehrer ist, und für den Staat Position bezieht, finde ich befremdlich. Auch die Sache mit den Polizisten ist bestechend schlecht verglichen. Bei den Demos ist es ein Bruchteil aller Polizisten, die unter freiem Himmel und nicht in Räumen sich einer Gefahr aussetzen müssen. Im Gegensatz dazu sind alle! Lehrer der Gefahr der Ansteckung ausgesetzten.



    Und was genau gegen Homeschooling spricht, ist mir auch nicht klar geworden. Es liegt meiner Meinung nicht am Homeschooling an sich, sondern an den Voraussetzungen. Und schon gar nicht an den Lehrern, die einen Topjob meiner Meinung nach machen.

    • Benno Stieber , Autor des Artikels, taz-Korrespondent BaWü
      @Ecki Münch:

      Lieber Herr Münch, ich glaube, dass wenn man die Arbeit von Gewerkschaften ernst nimmt, sie es verdient haben auf von der taz kritisiert zu werden. Zum Homeschooling kann ich ihnen als Vater nur sagen, an der Technik lag es nicht, in unserem Fall lag es an der Fanatsielosgkeit der meisten Lehrer, dass da nix entstanden ist. Dabei gab es ein eklatantes Gefälle zwischen naturwissenschaftlichen Fächern wo es besser leif und den anderen. Das ist aber nur eine Einzelbeobachtung, die aber immerhin zeigt, dass ihr pauschaler Freispruch für alle Lehrer so nicht stimmen kann. Deshalb kann ich nur sagen, so lange wie irgendmöglich sollten Lehrer den Unterricht dann eben so machen, wie sie es gelernt haben. Dann funktioniert es wenigstens ganz gut.

      • @Benno Stieber:

        Lieber Herr Stieber, danke für Ihre Antwort. Es ist wichtig, bei dieser Diskussion die Zusammenhänge herzustellen. Was glauben Sie, ist die Aufgabe von Gewerkschaften? Ich habe die GEW anders wahrgenommen, nämlich als eine Gewerkschaft, die Interessen der Lehrer vertritt und fordert, dass Hygienekonzepte umgesetzt werden müssen, so dass auch die LehrerInnen vor einer Infektion geschützt werden, dass Schule flächendeckend mit Technik ausgestattet werden und dass eben auch Homeschooling eine Alternative in der Zukunft sein kann. Ich finde, dass eine linksorientierte Zeitung natürlich die GEW kritisieren darf, aber sie sollte im Hinterkopf haben, wie wichtig Gewerkschaften sind, gerade für Menschen, die keine öffentliche Stimme haben. Ihre Kritik ist aber eine Kritik an einer meiner Meinung nach typischen Arbeit von Gewerkschaften. Und das finde ich für eine linksorientierte Zeitung schwach.



        Sie kritisieren die Arbeit der meisten LehrerInnen der Schule Ihrer Kinder. Es stimmt, nicht alle LehrerInnen machen einen Topjob, aber doch schon ein hoher Prozentsatz meiner Meinung nach. Was sind die Ursachen dafür? Also auch da hilft wieder der Zusammenhang. Wenn LehrerINnnen nciht für das Homeschooling ausgebildet sind, dann wird es Zeit. Dann sollte doch die Forderung sein, dass ein Paradigmenwechsel stattfindet. Und da muss ich Sie als Journalisten fragen, wo ist ihr Anteil? Ich meine, sie haben als Journalist haben die Möglichkeit, öffentlich konstruktive Kritik zu üben und auch Gegenvorschläge zu machen. Ihren Vorschlag finde ich aber dagegen ziemlich konservativ, nämlich alles so laufen zu lassen, wie es immer schon war, weil LehrerInnen das eben können. Das ist ein Stück weit auch fantasielos.

  • Liebe taz, wieso fühlen sich immer wieder etliche deiner Journalisten, die – SORRY – weder Ahnung von Schule im Allgemeinen noch behördlichem Agieren im Besonderen haben, gemüßigt, über diese Themen (in Zeiten von Corona) zu berichten und/oder vorallem RatSCHLÄGE abgeben zu müssen. Vielleicht sind es Eltern schulpflichtiger Kinder, die das Homeschooling fürchten? Wirkliches Interesse an den "benachteiligten" SuS spreche ich inzwischen allen Journalisten ab. Ich und viele weitere über 60jährige unterrichten z.B. diese BzB-SchülerInnen seit über 20 Jahren an einer BS, und zwar ohne Corona-Pause (und sei es im Schul-Lock-Down mit täglich stundenlangem Whats-App-Unterricht) , da uns die SuS am Herzen liegen. Die Kultusministerien haben im Sommer lieber Urlaub gemacht als sich um ein Mindestmaß an sinnvollen Plan B- und C-Varianten für weiterführende Schulen zu kümmern. Wir waren und sind weiterhin schockiert und burnoutet.



    Warum fallen so viele auf die Zahlen der absolut überforderten, unflexiblen und reformresistenten Kultusministerien und Gesundheitsämter rein? An meiner BS-Schule wird niemand in Quarantäne gesetzt, auch nicht bei realen 1.-Grad-Kontakten, die Zahlen aus FFm wären sonst ja 5 X so hoch. Fast alle KollegInnen, auch die über 60jährigen arbeiten die ganzen Monate durch, seit August immer mit FFP2-Masken, acht Std Unterricht, in allen Räumen, auf dem gesamten Schulgelände.



    Vielleicht sollte man jedem Journalisten ein 1-monatiges Praktikum in Schule in Ffm oder Off anbieten, bevor er/sie darüber schreiben darf. Selbst unsere Schulleitungen in Ffm sind verzweifelt, dürfen sich kaum mucken, da sie schnell abgemahnt werden und von ein paar willfährigen "Vorzeige-SL" in den Medien wieder "eingefangen" werden.



    Gerade Journalisten könnten sich im Bereich Schule nützlich machen, da es die Kultusministerien mit guten, sinnvollen Wechselmodellen inklusive digitalen Programmen nicht hinbekommen (wollen), außer sich ausgerechnet MS-365 schenken zu lassen.

    • @Rumori:

      Nun bin ich weder Vater noch Lehrer, also relativ neutral. Auch ich wundere mich aber, dass die mit mir befreundeten Lehrer 60 bis 100 Personen aus verschiedenen Haushalten ohne Abstand am Tag treffen, während mein Büro strenge Hygienekonzepte umsetzt, und ich zu meinem Geburtstag nur eine Person einladen konnte. Könnte es sein, dass Schule zu einer heiligen Kuh geworden ist, über die man nicht mehr neutral sprechen darf?

    • @Rumori:

      Danke für diese Ehrlichkeit. Ich wünsche Ihnen alles Gute und bedanke mich für Ihr Engagement.

  • Es gibt noch weitere Möglichkeiten als Schließen oder Regelbetrieb, wie z.B.



    * Bessere Lüftungsanlagen in den Räumen



    * halbe Belegung, wer zu Hause gutes Internet hat, kann den Unterricht am Bildschirm verfolgen



    * weniger Lehrerwechsel, ein Lehrer bleibt eine halbe Woche in einer Klasse, dann kommt die nächste Woche dran. Ist zuerst der Mathe- und Biolehrer dran, gibt es eben eine halbe Woche lang nur Mathe und Bio. In der zweiten halben Woche dann der nächste...