Besuch von Milei in Deutschland: Kettensägenmann trifft Kanzler
Am Sonntag besucht der argentinische Präsident Javier Milei Berlin. Obwohl die militärischen Ehren gestrichen sind, hadern Grüne mit dem Staatsgast.
Der eine hat Ungarn erfolgreich gleichgeschaltet und den Rechtsstaat unterminiert, verbreitet Verschwörungserzählungen und mäkelt schon im Vorfeld am Gastgeber herum: Wo früher Fleiß und Ordnung geherrscht hätten, präsentiere sich heute „eine bunte, veränderte multikulturelle Welt“, in der Migranten „nicht länger Gäste“ seien. Reizende Worte. Im Juli übernimmt Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft.
Der andere setzt in Argentinien gerade seinen Kettensägen-Wahlkampf in die Praxis um, kürzt radikal im Sozialen, privatisiert Staatsbetriebe und entlässt zehntausende Staatsbedienstete.
Politisch verbindet den deutschen Regierungschef und Sozialdemokraten Olaf Scholz mit beiden Kollegen also herzlich wenig. Das Zeremoniell um die Besuche herum wurde deshalb auch auf ein Minimum reduziert. Weder Orban noch Milei werden mit militärischen Ehren empfangen, auch Pressekonferenzen wurden wieder abgesagt.
Kritik am geplanten Freihandelsabkommen
Wobei sich das Kanzleramt bei letzterem Punkt auch nach den Präferenzen der Gäste richtete. Am Mittwoch erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin jedenfalls in der Bundespressekonferenz: „Grundsätzlich finden wir es gut, wenn Pressebegegnungen stattfinden können, aber es lässt sich eben nicht immer so realisieren.“
Laut des Portals Politico soll der Wunsch, den Besuch auf eine Stunde zu begrenzen, aus Buenos Aires gekommen sein. Ohnehin hat Milei sein Treffen mit dem Kanzler nur als Zwischenstopp geplant und den gesamten Besuch rund um die Verleihung der Hayek-Medaille an ihn geplant. Bei der erzkonservativen Gesellschaft hält Milei am Samstag eine Rede. Ob er da auch ein paar Worte zur Gattin des Kanzlers findet?
In Spanien hatte Milei bei einer Wahlkampfveranstaltung der rechtsextremen Vox-Partei, die Ehefrau von Ministerpräsident Pedro Sanchez als korrupt beschimpft. Seitdem gilt das Verhältnis zwischen Spanien und Argentinien als gestört.
Ein gemeinsames Thema wird es bei dem zum Arbeitsbesuch heruntergestuften Antrittsbesuch des Argentiniers in Berlin aber doch geben: Das Freihandelsabkommen Mercosur, das beide Seiten wollen.
In den Reihen der Grünen sieht man das kritisch. „Die rechtsextreme Milei-Regierung ist kein stabiler Wertepartner für die deutsche Wirtschaft“, so der Grüne Bundestagsabgeordnete Max Lucks zur taz. Lucks, Grüner Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, fragt sich: „Wie wir mit einem Präsidenten, der den menschengemachten Klimawandel leugnet und sämtliche Menschenrechte innenpolitisch abschaffen möchte, verbindliche Standards in ein Mercosur-Abkommen verhandeln wollen, ist mir ein Rätsel.“ Er erwarte vom Kanzler, „dass er erkennt, wo deutsche Wirtschaftsinteressen auch durch den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährdet werden“ und „im bilateralen Dialog ein klares Bekenntnis zu unserer wertebasierten internationalen Zusammenarbeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett