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Beschluss des BundesverfassungsgerichtsSpäter Erfolg für Maja T.

Die non-binäre Person Maja T. wurde mit Billigung eines Berliner Gerichts nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hat dies nun beanstandet.

Mehr als 500 Menschen demonstrieren im Juni 2024 in Leipzig gegen die Auslieferung von Maja T Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Karlsruhe taz | Die Auslieferung der militanten An­ti­fa­schis­t*in Maja T. nach Ungarn hat Grundrechte verletzt. Das stellte nun eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts fest. Auf die Haft in Ungarn hat dies aber keine unmittelbare Auswirkung.

Der non-binären Maja T. wird vorgeworfen, dass T. als Teil einer kriminellen Antifa-Vereinigung in Budapest im Februar 2023 Rechtsextremisten verprügelte. Ungarn hatte deshalb mit einem Europäischen Haftbefehl die Auslieferung beantragt. Das Berliner Kammergericht (KG, entspricht einem Oberlandesgericht) billigte die Auslieferung am 27. Juni 2024. Noch am gleichen Abend begann die Berliner Generalstaatsanwaltschaft mit dem Vollzug der Auslieferung, angeblich um Störungen der linken Szene zu vermeiden.

Tatsächlich hebelte die Nacht- und Nebel-Aktion auch den Rechtsschutz von Maja T. aus. Als der Anwalt am nächsten Morgen um 7.38 Uhr beim Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Auslieferung beantragte, war Maja T. schon in Österreich. Und als das Bundesverfassungsgericht um 10.50 Uhr versuchte, die Auslieferung per Eilbeschluss zu stoppen, war Maja T. bereits in Ungarn. Die einstweilige Anordnung lief also ins Leere.

Fünf Wochen später veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht die Begründung der einstweiligen Anordnung. Es stellte dabei zur Nacht- und Nebel-Durchführung der Auslieferung fest, dass es „erhebliche Bedenken zur Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes“ gebe.

Erfolg

Maja T. und der Anwalt Sven Richwin haben dann noch eine ordentliche Verfassungsbeschwerde eingereicht, die nun auch Erfolg hatte. Darin stellten die Karlsruher Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen fest, dass das Kammergericht Berlin die Rechte von Maja T. verletzt hat, als es die Auslieferung nach Ungarn billigte. Gemeint ist insbesondere das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aus Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta.

Konkret wird dem Berliner Gericht aus Karlsruhe vorgeworfen, dass es die Haftumstände, die Maja T. in Ungarn erwarten, nicht genügend aufgeklärt hat, obwohl „hinreichende Anhaltspunkte für systemische und allgemeine Mängel vorlagen, etwa zur Überfüllung der ungarischen Gefängnisse und zu den Hygienebedingungen.

Außerdem sei das Berliner Gericht zu leichtgläubig den ungarischen Versicherungen gefolgt, Maja T. habe trotz der non-binären Geschlechtlichkeit im ungarischen Strafvollzug keine Diskriminierung zu befürchten. Karlsruhe erinnert daran, dass dem Kammergericht ein Bericht der ungarischen Nicht-Regierungsorganisation HHC vorlag, der zu eher beunruhigenden Ergebnissen kam.

Der Karlsruher Beschluss hat nun keine unmittelbaren Auswirkungen auf Maja T. So hat T. keinen Anspruch auf Wiederholung ihres Gerichtsverfahrens in Berlin, denn Ungarn ist an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht gebunden. Dass Deutschland Maja T. konsularisch betreut und auf adäquate Haftbedingungen drängt, ist selbstverständlich und keine Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Die erste gerichtliche Anhörung von Maja T. in Ungarn ist für den 21. Februar vorgesehen. Laut Anklage drohen bis zu 24 Jahre Haft. Für die Strafvollstreckung wird Maja T. allerdings sicher wieder nach Deutschland zurücküberstellt.

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15 Kommentare

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  • Ich hoffe, diese Person erhält ihre gerechte (!) Strafe. Das Framing einer rücksichtslosen Kriminellen als "militante Antifaschistin" (nachdem sie in vorigen taz-Artikeln gar nur als "Antifaschistin" bezeichnet wurde) ist eine Beleidung für alle Antifaschisten und Antifaschistinnen.

  • Steht eigentlich das Angebot der Ungarn noch bei einem Schuldeingeständnis sich auf 14 Jahre zu einigen?

  • "Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat nicht mit dem Einlegen einer Verfassungsbeschwerde mit beantragter einstweiliger Anordnung durch die Anwälte der Maja T. infolge der Entscheidung des Kammergerichts vom 27. Juni 2024



    gerechnet", heißt es in der Anwort der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz auf eine Kleine Anfrage der Grünen zum Fall Maja T.

    Angesichts der Prominenz des Falles Maja T. und alternativer Schutzmöglichkeiten vor einer Störung der Anschiebung eine geradezu hanebüchende Antwort.

    Maja. T. sollte Anzeige wegen Rechtsbeugung gegen den Berliner Generalstaatsanwalt stellen.



    Vor Gericht ließe sich sicher klären, ob die schnelle Abschiebung aufgrund der Gefahr einer Störung nicht eine Schutzbehauptung war, die zudem lange geplant war, da ein sächsischer Hubschrauber bei der Abschiebung zum Einsatz kam.

    Kleine Anfrage

    pardok.parlament-b...Anfr/S19-20190.pdf

  • Terroristen oder Freiheitskämpfer? Sicher, diese Art von Freiheitskampf muss man diskutieren. Am Ende der Diskussion kann dann auch eine 24 stehen. 24 Tagessätze, 24 Tage, Wochen, im Extremfall Monate ... wenn da Jahre im Raum stehen, unterminiert das die Glaubwürdigkeit auch der deutschen Justiz. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.

    Was ist denn eine realistische Einschätzung des Strafmaßes?

    • @Christian Clauser:

      24 Monate gegen Schläge und Tritte gegen den Kopf. Ich denke wenn Rechte so eine tat begannen hätten, wären die Reaktion nicht so verständnisvoll.

      In meinen Augen nimmt man da biliigend den Tod in Kauf oder das eine Person danach dauerhaft bleibende Schäden hat.

      Jetzt hält sich mein Mitleid mit Rechten sehr in Grenzen, da ich eine absolute Abneigung gegen sie habe, aber mit zweierlei Maß zu messen, finde ich dann doch unangebracht.

  • auch wenn maja t.s anwälten von oberster instanz recht gegeben wurde, wird das die rechten richter in berlin nicht weiter kratzen. die warten nur darauf, die nächsten rechten sachen machen zu können...

  • Disziplinarverfahren gegen die Vollziehungsverantwortlichen einleiten.

  • Hat das für die Verantwortlichen am Berliner KG und bei der Berliner Staatsanwaltschaft Folgen? Steht Maja T. eine Entschädigung zu?

    • @Freundlicher:

      Das wurde schon vorab von etlichen Medien durchgespielt: Nein und nein.

    • @Freundlicher:

      Ein für den Amtshaftungsanspruch notwendiger Schuldvorwurf der Amtspflichtverletzung durch richterliche Anordnung ist durch das Urteil zumindest für das Berliner Kammergericht nicht erkennbar.

      Und auch der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wird eine Pflichtverletzung nur schwer nachzuweisen sein. Die Überstellung erfolgte aufgrund eines Gerichtsbeschlusses und die Intervention der Anwälte von Maja T beim BVerfG hat rechtlich keine aufschiebende Wirkung. Es lag also im Ermessen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft zu welchem Zeitpunkt die Überstellung erfolgt.

      Da wird es schwer werden eine Haftung von Amts wegen rechtlich geltend zu machen und diese mit Regressforderungen zu verbinden.

      Zumal das BVerfG dem Artikel nach lediglich "erhebliche Bedenken" hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes in seiner Anordnung aufgeführt hat.

      Und hinsichtlich der Beschränkung der Grundrechte hat das BVerfG lediglich eine andere Ansicht in den aufgeführten Punkte vertreten als das Kammergericht.

      • @Sam Spade:

        Das mag so sein. Dennoch stinkt das gewaltig. Die Verantwortlichen wussten doch genau, dass der Beschluß unmittelbar bevorstand und genau deswegen haben sie in aller Hast so schnell gehandelt, schließlich ging es um eine Linke. Ein rechtslastiger Beschuldigter wäre ganz sicher NICHT so behandelt worden. Ähnliche Handlungen durch doie Behörden gab es schon einmal anderswo, als ein Marrokaner (?) trotz !!! Verbot kurzerhand ins Flugzeug gesetzt wurde - Pech gehabt....

    • @Freundlicher:

      Zur ersten Frage: keine



      Zur zweiten Frage: Nur wenn sie Ungarn überlebt und sich dann in Deutschland durch alle Instanzen klagt. Eventuell.

    • @Freundlicher:

      Bei schuldhafter Amtspflichtverletzung grundsätzlich Schadensersatzanspruch.

  • Die Handlungsweise der Berliner Staatsanwaltschaft ist derart fragwürdig und unverhältnismäßig, dass man geneigt sein könnte, böse Absicht zu unterstellen. Es wäre wünschenswert, wenn der Vorgang überprüft und die handelden Personen zur Rechenschaft gezogen würden.

  • Und?



    Sind die Richter und Beamte die meineidig (Amtseid auf das Grundgesetz) geworden sind schon aus den Ämtern entfernt oder hackt da mal wieder eine Krähe der anderen kein Auge aus ?